Freund der Armen
Horsta Krum, Berlin
Was der Papst in Rom tut, kann der Erzbischof in Berlin auch: Gastgeber sein eines Festmahles für Arme. Am 18. November letzten Jahres hatte sich die Hedwigskathedrale in einen Speiseraum verwandelt: Für über dreihundert geladene Gäste war festlich gedeckt mit weißen Tischtüchern, richtigem Geschirr, Tischschmuck aus echten Blumen; die Speisekarte in feinem Design bot für den Hauptgang Fleisch oder vegetarischen Ersatz.
Vor dem Portal warteten Menschen mit einer Einladungskarte. Als geöffnet wurde, gingen die Eingeladenen einzeln an einer Dame vorbei, die den Namen auf der Karte mit der Liste auf dem Computer verglich.
Für jeden Zehnertisch war eine Person zuständig, die die Gäste freundlich begrüßte und sie an den jeweiligen Tisch geleitete. Der Erzbischof im Ornat und einige andere Kleriker, die ebenfalls an ihrer Kleidung zu erkennen waren, schüttelten viele Hände. Menschen aus katholischen Gemeinden waren da und auch zufällig Eingeladene, die ihre Karte auf der Straße erhalten hatten. Alles war hervorragend organisiert und klappte reibungslos.
Als die erwartete Gruppe aus einer Flüchtlingsunterkunft eintraf, Frauen, Männer, Kinder, eilte ihnen der Erzbischof entgegen mit dem Ruf »Da seid ihr ja endlich« und umarmte einige.
Das Fernsehen filmte und interviewte den Erzbischof.
Ein anderes Festmahl fand einige Tage später am 24. November in Berlin-Kreuzberg statt. Wer wollte, konnte kommen: Menschen, die unter Brücken schlafen, denen das Notwendige zum Leben fehlt. Das Sozial- und Kulturzentrum Gitschiner Straße feierte seinen 18. Geburtstag: Erwachsen-Werden ist schließlich ein Grund zum Feiern. Da ging es weniger geordnet zu, sondern sehr bewegt, es wurde getrommelt, laut geredet, viel gelacht und gut gegessen. Die Gastgeber, der Pfarrer der evangelischen Heilig-Kreuz-Gemeinde, der Leiter des Zentrums und die Helferinnen und Helfer waren nur durch einen kleinen Kopfschmuck »happy birthday« zu erkennen.
Das Fernsehen war nicht da.
Am 1. Dezember, dem Beginn des weihnachtlichen Kaufrausches, packte der Erzbischof im KaDeWe Geschenke ein in extra dafür angefertigtem Papier, einem Wimmelbild mit Maria und Josef. Und nun dürfen wir auf seine nächste PR-Aktion gespannt sein. Vielleicht reitet er auf einem Kamel als einer der drei heiligen Könige durchs Brandenburger Tor? Davon hätten auch seine Eingeladenen etwas und sogar die, die in die Gitschiner Straße kommen. Denn wer kann denn schon in der schönen KaDeWe-Welt Geld ausgeben?
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