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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Es kommt aber darauf an, die Welt zu verändern!

Gunhild Berdal, Kristian Glaser, Franziska Hildebrandt (Delegierte für Hamburg-Mitte)

 

Bericht vom Bundesparteitag der LINKEN vom 24.-26. Juni 2022 in Erfurt

 

Entgegen massiven Einschüchterungsversuchen durch den politischen Gegner und bürgerliche Medien, dass die LINKE auf Kriegskurs mit Sanktionen und Waffenlieferung einschwenken solle, sind die friedenspolitischen, antiimperialistischen und antikapitalistischen Positionen der LINKEN gehalten – und das bedeutet in der aktuellen Kriegslage – bekräftigt worden. Die sinnfällige abschließende Pointe des Parteitages bildete der Beschluss zur Unterstützung der bundesweiten Friedensdemonstration für eine Zivile Zeitenwende am 2. Juli 2022 in Berlin (www.zivileZeitenwende.de). Auf dieser Grundlage sind nun die gesamte Partei und alle Genoss:innen aufgerufen, die historische Bedeutung als Friedens- und soziale Oppositionspartei offensiver zu vertreten und für radikale Reformen konsequenter zu kämpfen.

Gesellschaftliche Lage: Eine Herausforderung für mutige, konsequente Friedens­politik

Der Bundesparteitag fand in einer gesellschaftlich herausfordernden Krisensituation statt. Die Herrschenden in den USA setzen zur Verteidigung ihrer angezählten globalen Vormachtstellung zunehmend auf Machtpolitik und Krieg. Die Spaltung zwischen arm und reich vertieft sich rasant, und damit der Widerspruch zwischen der Möglichkeit allgemeiner Wohlfahrt weltweit und der Wirklichkeit des steigenden sozialen Elends. Mit der zunehmenden Inflation fließt das Geld nur so aus den Taschen, während die Gewinne der Konzerne, allen vorneweg der Rüstungs-, Energie- und Wohnungskonzerne, nur so sprudeln.

Es ist eigentlich unsere Zeit, die Zeit der sozialistischen, oppositionellen Kräfte, denn Krise bedeutet Entscheidung für grundsätzliche Änderung. Um genau das zu verhindern, wird mit Nationalismus gehetzt, was nach Eindämmung und Vereinzelung durch den Lockdown auf gefährlich fruchtbaren Boden fällt. Die Rattenfänger der AfD halten sich mit Sozialdemagogie bereit.

Entgegen dieser gesellschaftlichen Stimmungsmache wurden die friedenspolitischen Positionen der LINKEN nicht geschliffen, sondern aktiv beibehalten. So heißt es im beschlossenen Leitantrag »Krieg und Aufrüstung stoppen. Schritte zur Abrüstung jetzt. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität«: »Dauerhaften Frieden in einer krisengeschüttelten Welt kann es nur mit Abrüstung und Deeskalation geben. Statt Wettrüsten braucht es stärkere Kooperation für neue Sicherheits- und Abrüstungsverträge und eine gerechte Weltwirtschaftsordnung. Unser Ziel ist die Überwindung aller Militärbündnisse (wie NATO, OVKS, AUKUS im süd-pazifischen Raum) durch einen Prozess hin zu einer globalen Friedensordnung. Die multipolare Weltordnung mit ihren verschiedenen imperialen Machtzentren braucht eine neue Friedensordnung, die das Völkerrecht und die Organisationen des Völkerrechts in den Mittelpunkt stellt.«

In der (viel zu kurzen) Generaldebatte sprach sich eine Mehrheit von Genoss:innen der Basis für stärkeres Friedensengagement aus, und in den Reden der Parteivorsitzenden Janine Wissler, der Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali sowie von Gregor Gysi wurde hervorgehoben, dass die LINKE für Frieden und soziale Gerechtigkeit in Einheit hier und weltweit zu streiten hat. Dennoch wird der beschlossene Friedensleitantrag den gesellschaftlichen Herausforderungen nicht gerecht, weil man sich nicht traute, die Forderung nach Auflösung der NATO zugunsten eines kollektiven Sicherheitssystems inklusive Russlands aktuell aufzurufen. Die Vorgeschichte des Ukraine-Konflikts, die dauerhaften Verbrechen und die Völkerrechtsbrüche durch Washington insbesondere im globalen Süden sowie die gefährliche Ausweitung und Aufrüstung der NATO wurden mutlos ausgespart. In Folge dessen sind die Perspektiven für Friedensschaffung der LINKEN ausbaufähig.

Zum Friedensleitantrag des Parteivorstands lagen drei Alternativanträge vor: »Keine Aufrüstung, kein Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität« der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und internationale Politik (BAG FiP), »Ohne Wenn und Aber gegen Krieg und Aufrüstung« von Genoss:innen um Özlem Demirel, Christine Buchholz und Heinz Bierbaum sowie ein Antrag aus Hamburg-Nord, der die Zusammenführung aller Friedensanträge bezweckte, um eine kämpferische und tragfähige Friedensorientierung der Gesamtpartei zu bestimmen.

Der linke Parteiflügel, unter Beteiligung aus Hamburg-Mitte und Hamburg-Nord, erreichte, dass aus den drei Alternativanträgen ein einziger wurde: der Antrag von Özlem Demirel und Co. mit einigen markanten Änderungen. In diesem Alternativantrag heißt es unter anderem: »Die russische Regierung unter Putin trägt die Verantwortung für den Angriffskrieg. Wir können allerdings nicht ausblenden, dass dem ein Konflikt zwischen der NATO und Russland voraus geht, für den auch die NATO-Staaten eine Mitverantwortung haben, zum Beispiel weil sie die NATO-Osterweiterung und das EU-Assoziierungsabkommen vorangetrieben haben. So wurde über 30 Jahre lang versäumt, eine stabile europäische Friedensordnung zu organisieren. (…) Für uns gilt absolute Klarheit gegen Krieg und gegen Menschenrechtsverletzungen – egal von wem.« Dieser Antrag erhielt 43 Prozent der Delegiertenstimmen – ein starkes Zeichen für entschlossenes Friedensengagement in der LINKEN. Zudem wurden vom Parteitag sämtliche Änderungsanträge aus dem Regierungslager für Waffenlieferungen und schärfere Sanktionen deutlich abgelehnt. In der lebendigen Debatte zu den Änderungsanträgen wurden Verbesserungen aufgenommen, zum Beispiel zum militaristischen Charakter der EU. Auf dieser Grundlage wurde Wulf Gallert, der sich zuletzt als Verteidiger der NATO und ihrer Kriegspolitik geäußert hatte, nicht als stellvertretender Parteivorsitzender gewählt.

Diese Entscheidungen des Erfurter Parteitags sind gemessen an den Herausforderungen von Krieg, Aufrüstung und Militarisierung nicht ausreichend, aber doch eine gefestigte Grundlage für den weiteren gesellschaftlichen Kampf für Frieden und soziale Gleichheit, und sie sind angesichts des medialen Drucks nicht geringzuschätzen. Der Schleifung der friedenspolitischen Positionen im Grundsatzprogramm der LINKEN wurde eine klare Absage erteilt. [...]

Gefestigte oppositionelle Beschlusslage für demokratische Parteikultur mit neuem Parteivorstand

Beschlossen wurde ferner der Leitantrag zur sozial-ökologischen Transformation, den der Parteitag durch Änderungsanträge verbesserte, sodass unsere Kämpfe mehr im gesellschaftlichen Konflikt zwischen unten und oben verortet werden. Dennoch bleibt dieser Leitantrag umständlich und zahm. Schon besser waren die Solidaritätserklärung mit den tapfer Streikenden an den Unikliniken in NRW und die Solidaritätserklärung mit Julian Assange.

Die meisten Satzungsänderungsanträge des Parteivorstands zur Entdemokratisierung der Parteistrukturen wurden abgelehnt. Zu nennen ist der Versuch, höhere Hürden zur Behandlung von Parteitagsanträgen zu erreichen, wodurch Anträge von kleineren Bezirksverbänden wie Hamburg-Bergedorf oder Hamburg-Harburg künftig weggefallen wären, Anträge von BOs und Stadtteilgruppen hätten ohnehin nicht mehr stattgefunden. Auch der zentralistische Antrag, wonach die einfachen Mitglieder des Bundesausschusses und der Bundestagsfraktion keine beratende Stimme auf einem Bundesparteitag mehr haben sollten, wurde nicht beschlossen.

Der auf dem Bundesparteitag neugewählte Parteivorstand muss sich nun an den in den Beschlüssen definierten politischen Vorhaben und Zielen messen lassen. Es gibt Anlass zur Sorge, dass auch der neue PV damit überfordert sein wird – was dadurch noch erschwert wurde, dass der Parteitag den Parteivorstand auf 26 Mitglieder verkleinerte und damit die Pluralität beschnitt. Es kommt also umso mehr auf die Parteibasis an, die sich auch in Erfurt wieder vielstimmig und mit einer gehörigen Portion Unzufriedenheit über den Zustand der Gesellschaft und der Partei zu Wort meldete.

Janine Wissler ist nach einer engagierten friedens- und sozialpolitischen Rede als Parteivorsitzende wiedergewählt worden, als Ko-Vorsitzender setzte sich Martin Schirdewan (Fraktionsvorsitzender im EU-Parlament) gegen den Leipziger Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann durch. Harald Wolf (Hamburg) wurde als Schatzmeister wiedergewählt und zum Bundesgeschäftsführer bestimmten die Delegierten Tobias Bank aus Brandenburg.

Hervorzuheben sind die PV-Kandidaturen von Margit Glasow (Mecklenburg-Vorpommern, Inklusionsbeauftragte), Christine Buchholz (Berlin) und Daphne Weber vom Studierendenverband, die authentisch und kämpferisch kandidierten und gewählt wurden.

Alles in allem ein widersprüchlicher, ein herausfordernder Bundesparteitag

Krieg ist eine große Herausforderung für sozialistische Kräfte, wie wir spätestens seit dem Vorabend des Ersten Weltkriegs wissen, als die Zweite Internationale vor ihren internationalistischen Aufgabe scheiterte und zusammenbrach, weil die Funktionärsebene in den sozialistischen Parteien sich in den Nationalismus der kriegführenden Parteien hineinziehen ließ. Deswegen sollten wir die Bedeutung und die Wirksamkeit unserer vom Parteitag bekräftigten friedenspolitischen Positionen sehr ernst nehmen.

Der Erfurter Parteitag hatte denn auch eine unmittelbare politische Wirkung, kaum dass er beendet war: Die Linksfraktion im Bundestag votierte geschlossen gegen den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands – das war kurz vor dem Parteitag von einigen Funktionären anders angekündigt worden. Es bleibt wahr und richtig, dass das Militärbündnis NATO aufgelöst werden muss, um Frieden und soziale Gerechtigkeit weltweit zu schaffen.

Die Linkspartei ist weiterhin die Friedenspartei in der Bundesrepublik und im Bundestag, dies wurde durch Erfurt bekräftigt. Es liegt an uns allen, daraus etwas zu machen.

(leicht gekürzt)