Erklärung zur aktuellen Finanzkrise
Sekretariat des Parteivorstands der DKP
Die Finanzkrise hat globale Auswirkungen. Sie treibt die Weltwirtschaft in eine Rezession. Kursstürze an allen Börsen und zunehmende Auswirkungen auf die Realwirtschaft zeigen das Ausmaß. Aktuell zeigt sich dies auch in der Autoindustrie. Die Folgen für die Beschäftigten, die Arbeitslosen, Rentner usw., für die Armen in dieser Welt, aber auch für den Mittelstand in den entwickelten kapitalistischen Ländern sind in ihrem ganzen Umfang noch nicht absehbar.
Die Behauptung, diese Krise sei ausschließlich eine des US-Finanzkapitals, sowie der Hinweis auf stabile Verhältnisse im Lande sind längst durch die Realität widerlegt. Alles Gerede über Wirtschaftsaufschwung und über ein "Jobwunder" ist auch hierzulande passé. Finanzminister Steinbrück erklärte noch in der Haushaltsdebatte Anfang September, daß die Finanzkrise US-gemacht wäre. Am 27. September 2008 sagte er "Die Welt wird nicht wieder so sein wie vor der Krise." Frau Merkel stellte am 7. Oktober 2008 im Bundestag fest: "So eine ernste Lage hatten wir noch nie." "Kapitalismus in der Krise", "Banken weltweit stellen die Systemfrage" oder ähnlich titelten viele Zeitungen.
Würden die Steuerzahler jetzt nicht zwangsweise für den Erhalt von Banken und Versicherungen aufkommen, wären nicht nur die fünf großen Banken der USA und diverse Banken in Island, Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, in der BRD usw. usf. pleite.
Die Regierungen der ökonomisch stärksten kapitalistischen Staaten haben aktuell Programme zur Rettung der Banken beschlossen. Einige der am meisten betroffenen Finanzinstitute werden – vorübergehend – in staatliche "Obhut" überführt. Ziel ist die "Sozialisierung" der Verluste. In einer anderen Wirtschaftssituation werden dann die "sanierten" Institutionen wieder in die Verfügungsgewalt dem Großkapital zurückgegeben.
Die Bundesregierung will für mehr als 300 Milliarden Euro Zuschüsse bzw. Sicherheiten finanzieren. Die DKP lehnt diese Verschwendung öffentlicher Gelder ab. Wir fordern die sofortige Einsetzung einer Kommission aus Vertretern von Gewerkschaften sowie anderen Institutionen, die nicht mit dem Bankkapital verbunden sind, und demokratischen Persönlichkeiten. Sie sollten den Auftrag erhalten, die Öffentlichkeit über das Ausmaß der Krise zu informieren, Vorschläge zur Lösung der Probleme vorzulegen, die dann in einer Volksabstimmung zu entscheiden sind. Als Sofortmaßnahme ist die Überführung aller Großbanken in gesellschaftliches Eigentum unabdingbar, die Verfügungsgewalt darf nicht länger in den Händen von Bankrotteuren und Spekulanten bleiben.
Wir erinnern uns noch gut:
- Als 6 Milliarden für Kindertagesstätten und 7 Milliarden für die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf 420 Euro gefordert wurden, hieß es unisono von den neoliberalen Parteien CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne, das Geld sei nicht da. Für milliardenschwere Stützungsaktionen für Banken, Versicherungen und demnächst vermutlich mehrere Großkonzerne ist – wie sich zeigt – genug Geld da.
- Als es um gesetzlichen Mindestlohn ging, ein Beschäftigungsprogramm gefordert wurde, oder wenn es um die Finanzierung der Rente geht, dann ist kein Geld da, oder uns wird vorgerechnet, die Kosten wären unbezahlbar. Jetzt geht es um Dutzende Milliarden Euro. Die Vertreter der Großen Koalition entscheiden, kein Parlament und schon gar nicht die Bevölkerung werden gefragt. Nie wurde die Macht des Großkapitals und sein Einfluß auf die herrschenden Parteien so deutlich wie jetzt.
- Die Höhe der Staatsverschuldung, das Ziel, Schulden abzubauen – immer wieder formuliert, wenn es um die Zurückweisung sozialer, bildungspolitischer oder humanitärer Forderungen ging –, ist plötzlich unwichtig. Der Kapitalismus muß gerettet werden – koste es, was es wolle.
Diese Krise kam nicht aus "heiterem Himmel"
Realität ist, daß die Ursachen für diese Krise nicht im "Fehlverhalten" von Bänkern, Vorständen oder gar im Versagen der Bankenaufsicht liegen. Erstere haben nur die Realitäten und Möglichkeiten des Systems genutzt, wenn Finanzspekulationen immer mehr ausgeweitet wurden.
Der Kapitalismus hat die verheerenden Auswirkungen dieser Krise erzeugt. Die Aussagen des 2006 beschlossenen Parteiprogramms der DKP werden in dramatischer Weise bestätigt. Dort heißt es unter anderem:
"Die Spekulation war immer ein Bestandteil der kapitalistischen Wirtschaft. Aber in der neuen Phase des monopolistischen Kapitalismus ist sie zu einem bestimmenden Element geworden und durchdringt alle Bereiche von Wirtschaft und Politik. Die kapitalistische Überakkumulation führt dazu, daß die Finanzspekulation für die großen Konzerne zu einem zentralen Instrument der Kapitalverwertung wird.
Mit Großfusionen im Banken- und Versicherungsbereich, mit den bei Investment-, Pensions- und anderen Fonds gesammelten riesigen Geldvermögen haben die Finanzinstitutionen eine neue Stufe ihrer Macht erreicht. Das Geldkapital umkreist die Erde auf der Suche nach der höchsten Profitrate. Sein Zinshunger läßt sich nur befriedigen durch die rücksichtslose Steigerung der Aktienkurse und die Plünderung der öffentlichen Kassen der Staaten und Kommunen. Diese werden durch ihre wachsende Verschuldung in immer größere Abhängigkeit von den Finanzinstituten getrieben.
Die Spekulation hat neue Ausmaße erreicht, wobei nicht mehr nur Aktienwerte und Unternehmen, sondern auch die Währungen der Länder zu Spekulationsobjekten geworden sind. Die internationalen Finanzmärkte diktieren die nationale Wirtschaftspolitik."
Diese Finanzmärkte – und mit ihnen die Wirtschaft – sind nun in eine tiefe Krise geraten, deren Folgen die Mehrheit der Menschen, vor allem die Ärmsten der Armen, weltweit und im Lande tragen sollen.
Die "Frankfurter Allgemeine" mußte am 9. Oktober auf ihrer Titelseite aus dem "Manifest der Kommunistischen Partei" zitieren: "Die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft (...) gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor."
Die Tatsache, daß sowohl die USA als auch England, Belgien und andere Staaten die Banken unter Staatsaufsicht gestellt haben, demonstriert die Bruchlandung der "freien Marktwirtschaft", des Kapitalismus.
Krisen gehören zum kapitalistischen System, doch diese Krise verläuft offensichtlich anders, weil mehrere Krisenfaktoren einander beeinflussen: Überproduktion, Energiekrise, Ökologie- und Hungerkrise, die sich andeutende Niederlage des Imperialismus in Afghanistan und Irak.
All das kann zu Folgen führen, die Mensch und Natur existentiell gefährden. Katastrophen durch Kriege, ökologische, soziale und migrationsbedingte Zuspitzungen werden wahrscheinlicher. Zudem nehmen die Tendenzen zu reaktionären, diktatorischen Formen zum Machterhalt des Kapitals zu. Der gerade beschlossene Bundeswehreinsatz im Inneren ist dafür ein weiteres Indiz.
Wer sich nicht wehrt – lebt verkehrt!
Wir, die Mitglieder der DKP, verstehen uns gerade in dieser Situation als Teil der außerparlamentarischen Bewegung, die die Meinung der Mehrheit der Menschen gegen die politischen Entscheidungen neoliberaler Macht durchsetzen muß. Jetzt geht es um den notwendigen Protest gegen die weitere Zerstörung der Sozialsysteme, den Bildungsabbau, die Privatisierung und gegen den Umbau der Steuersysteme zu Gunsten des Kapitals.
Überall dort, wo wir arbeiten, lernen, studieren und leben, organisieren wir gesellschaftlichen Widerstand. Wir orientieren uns in unseren Forderungen und Aktionen an den Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen, Schülerinnen und Schüler, Rentnerinnen und Rentner. Gesellschaftliche Allianzen müssen aus den Auseinandersetzungen in Betrieben, Verwaltungen, Wohngebieten und Städten wachsen.
Wir treten dafür ein, daß diese Bewegungen sich jetzt ein gemeinsames Forderungsprogramm erarbeiten, wozu unserer Meinung nach auch folgende Forderungen gehören sollten:
- Nicht die Verluste "sozialisieren", sondern Überführung der Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle! – Das Grundgesetz muß jetzt angewandt werden! (Artikel 14 – Eigentum verpflichtet – und Artikel 15 – Vergesellschaftung)
- Sicherung der Sparkassen, öffentlichen Banken und des Gemeinschaftswesens vor Privatisierung.
- Steuerreform zu Lasten des Großkapitals.
- Sofortige Belastung der 800.000 Millionäre durch eine 1,5%ige Millionärssteuer. Das allein bringt 30 Milliarden Euro zum Beispiel für ein Beschäftigungsprogramm.
- In allen Finanzinstituten und Versicherungen sollten Vertreter der Belegschaften, Gewerkschaften, demokratischen Vereine, Verbände und Initiativen sowie demokratische Persönlichkeiten zur Kontrolle und Beaufsichtigung der Geschäfte eingesetzt werden.
Als politische Sofortmaßnahmen erwarten wir zudem das Verbot von Spekulationen und Hedge Fonds. Kriminelle Delikte sind aufzudecken und zu verfolgen, Täter aus dem Management sind zu bestrafen.
Es muß ein Politikwechsel durchgesetzt werden. Auch weil die Gefahr reaktionärer Entwicklungen wächst. Dies erfordert die Unterstützung sozialer, demokratischer, ökologischer und Antikriegspolitik durch die große Mehrheit der Bevölkerung.
In diesem Prozeß wird es auch um die Diskussion über gesellschaftliche Alternativen und Perspektiven gehen müssen. Solidarisches Handeln und eine solidarische Debatte gehören zusammen. Wir brauchen eine offene Debatte über die Zukunft, in der wir leben wollen.
Angesichts der Krise des Kapitalismus erneuern wir Kommunistinnen und Kommunisten unseren Standpunkt:
"Unter der Voraussetzung des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und der gesamtgesellschaftlichen Planung der Produktion kann in einem längeren historischen Prozeß eine Ordnung menschlichen Zusammenlebens entstehen, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist." (K. Marx/F. Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, 1848)
"Für dieses Ziel die Arbeiterklasse und die Mehrheit der anderen Werktätigen zu gewinnen – darum geht es der DKP." (Programm der DKP vom 8. April 2006)
15. Oktober 2008 (auszugsweise in jW vom 16. Oktober 2008), www.DKP.de