Erklärung des Bündnisses
zur Vorbereitung der Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung
Auf seiner Sitzung am 15. Januar 2008 verurteilte der Landesvorstand die Schändung des Gedenksteins „Den Opfern des Stalinismus“. In diesem Zusammenhang heißt es in der entsprechenden Erklärung: „Der Landesvorstand ... erwartet auch von den Organisatorinnen und Organisatoren der Demonstration, daß sie sich öffentlich vom Verhalten einiger Demonstrationsteilnehmer/innen distanzieren“.
Das Bündnis zur Vorbereitung der Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung traf sich am 21. Januar 2008 planmäßig zur Auswertung der Demonstration und erklärt: Uns ist das Verhalten einiger Ehrungs- und Demonstrationsteilnehmer, die den „Stein des Anstoßes“ schändeten, zutiefst zuwider. Wir sind gegen jede kulturlose Form der politischen Auseinandersetzung und distanzieren uns von diesem Vandalismus. Es hätte allerdings der Aufforderung des Landesvorstandes hierzu nicht bedurft.
Bereits Anfang Dezember 2006, noch vor der Einweihung des Steins am 11. des Monats, formulierten Mitglieder des Bündnisses zur Vorbereitung der Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung und Unterzeichner des entsprechenden Aufrufs in einer Erklärung
„Nicht provozieren lassen – Auseinandersetzen!
Am 11. Dezember 2006 wird auf dem Friedhof der Sozialisten in Friedrichsfelde ein Gedenkstein eingeweiht. Wer in Zukunft nach ehrendem Gedenken an Rosa und Karl, an deutsche Sozialisten und Kommunisten das Friedhofsrondell wieder verläßt, wird – die Treppen hinuntersteigend – diesen vergleichsweise kleinen Gedenkstein vor Augen haben.
Auf dem Stein stehen nicht, wie es vorstellbar wäre, Namen von Kommunisten und Sozialisten, die in der Sowjetunion unter Stalin umkamen – nicht selten vertraute Gefährten derer, die im Rondell begraben liegen.
In diesen Stein ist ein Kampfbegriff eingemeißelt: ‚Opfer des Stalinismus’.
Das sind in den Augen der Gegner jedes sozialistischen Gedankens inzwischen all jene, die irgendwann, zum Beispiel mit der DDR, in Konflikt gerieten, ob zu Recht oder zu Unrecht. Nicht zuletzt das assoziiert dieser Stein, und er ist somit zuvörderst eine Provokation für viele Sozialisten und Kommunisten.
Provokationen sollen in der Regel die Provozierten zu Dummheiten verleiten, dazu, etwas zu tun, was ihnen schadet. Es wäre mehr als schädlich, käme die Gedenkstätte der Sozialisten zukünftig dadurch in die Medien, daß der besagte Stein in irgendeiner Weise besudelt würde. Deshalb bitten wir alle sich zu den Provozierten Zählenden, niemandem einen Vorwand zu liefern, letztlich jene in Verruf zu bringen, die sich dem Vermächtnis von Rosa und Karl und ebenso dem von Hugo und Werner Eberlein verpflichtet fühlen.
Springen wir nicht über den Stock, der uns hingehalten wird“.
Dieser Aufruf, der auch von unserem unvergessenen Genossen Kurt Goldstein unterschrieben ist, hat an Aktualität nichts verloren. Wir bekräftigen heute die in ihm fixierten Positionen.
Leider fand diese Erklärung vom Dezember 2006 weder im ND noch im Informationsdienst des Landesverbandes der Linkspartei auch nur auszugsweise eine Öffentlichkeit. Nachdem es bei der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung am 14. 1. 2007 bereits zu Schändungen des Steins gekommen war und das ND schon seinerzeit die Demonstration („Dann kommt der Demozug an. Jetzt fliegen Eier und Erde. Blumen werden weggerissen und zertrampelt“ – ND vom 15. 1. 2007) hierfür verantwortlich machte, schrieb Ellen Brombacher im Auftrag des Bündnisses folgenden Leserbrief: „Aus dem Bericht über die Luxemburg-Liebknecht-Ehrung könnte man schließen, mit dem Eintreffen der Tausenden Demonstranten habe der Vandalismus begonnen. Wahr ist, daß zum Ende der Demonstration hin einige wenige Schwachköpfe den Stalinismus-Stein besudelten. Wir hatten bereits vor der Steineinweihung dazu aufgefordert, sich ausschließlich politisch auseinanderzusetzen. Leider wurde unser Appell kaum wo veröffentlicht“. Dieser Leserbrief erschien nicht.
Es wirkt, gelinde gesagt, merkwürdig, daß einerseits eine Demonstration, an der sich 10.000 Menschen beteiligen, für einige kulturlose Teilnehmer – mit offenkundig primitiven Vorstellungen von politischer Auseinandersetzung – in Geiselhaft genommen wird und andererseits eindeutige Stellungnahmen von Organisatoren der Demonstration gegen jegliche Schändung des Steins der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Und noch etwas: Die wochenlange Debatte im ND darüber, ob man am Stein „Den Opfern des Stalinismus“ eine Nelke niederlegen sollte oder nicht, hat die Differenzen unter Linken zu den mit dem Stein verbundenen Fragen emotionalisiert und somit Stimmungen aufgeheizt. Wir wissen nicht, ob die, die den Stein schändeten, überhaupt von der Debatte im ND wußten. Was wir wissen, ist, das viele Linke, drunter nicht wenige Mitglieder der Partei DIE LINKE, die im Traum nicht darauf kämen, Blumen zu zertrampeln, mit Bitterkeit an dem Stein vorbeigezogen sind. Für sie sprach Hans Modrow, der vor wenigen Tagen erklärte, die Haltung des Berliner Landesvorstandes in der Debatte um den besagten Stein stehe im Gegensatz zur Meinung der Mehrheit der Basis. Viele Genossen würden den Stein als Provokation empfinden. Wir haben dem nichts hinzuzufügen.
Und noch etwas: Beim Lesen der Erklärung des Landesvorstandes vom 15. 1. 2008 fiel uns folgender Satz besonders auf: „Der Landesvorstand erwartet, daß auch der Parteivorstand seine Verantwortung für die Gedenkstätte der Sozialisten stärker wahrnimmt und gemeinsam mit dem Landesvorstand dafür sorgt, daß sich im nächsten Jahr eine solche Schändung des Gedenksteins nicht wiederholt“. Sicher werden sich alle an der Ehrung beteiligten Organisatoren mit dafür verantwortlich fühlen. Das Demobündnis wird sich erneut hierzu erklären. Vielleicht ist ja 2009 eine Veröffentlichung unserer Positionen möglich. Wir gehen nicht davon aus, daß sich hinter den mahnenden Worten, die der Landesvorstand an den Bundesvorstand der Partei DIE LINKE richtete, die Aufforderung an Bundesvorstand verbirgt, in Zukunft sein Verhältnis zur Demonstration zu korrigieren. „Der Bundesvorstand“, so lautete die Beschlußlage in den vergangenen Jahren, „betrachtet das stille Gedenken, die Demonstration und die Kranzniederlegung am Landwehrkanal als Bestandteile der Ehrung und ruft alle Genossinnen und Genossen, Sympathisantinnen und Sympathisanten dazu auf, an den verschiedenen Formen der Ehrung teilzunehmen“. Es wäre ein fatales Signal für die Bündnispolitik der LINKEN, würde mit dieser Tradition gebrochen.