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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ereignis von geschichtlicher Bedeutung

Aus dem Protokoll des Gründungsparteitages der SED vom 21./22. April 1946

Otto Grotewohls Begrüßungsrede:

(...) Hier ist heute eine große Anzahl Opfer versammelt, die lebend der Hölle der nazistischen »Volksgemeinschaft« entrinnen konnten. Aber an die 20 Millionen [1] haben in den zahlreichen Konzentrationslagern, Gefängnissen und Zuchthäusern, in den verschwiegenen Wäldern, in den Kellern der Gestapo, auf Transporten, bei den Monate dauernden Verhören, bei den unsäglichen Mißhandlungen unter den Händen der SS-Henkersknechte und Gestapo ihr Leben lassen müssen. Und doch konnten alle diese Verfolgungen, Opfer und Qualen die antifaschistischen Kämpfer in den Lagern und Zuchthäusern nicht entmutigen. Sie schlossen sich enger zusammen und nahmen ihre Kenntnis der Konzentrationslager mit in das politische Leben, in die fließende Gegenwart und in die zukunftsreichen und arbeitsreichen Tage, die vor uns liegen, hinüber. Wir gedenken in Ehrfurcht unserer Toten, und wir versichern, daß wir ihr Vermächtnis, die Einheit, verwirklichen werden, auch über den Rahmen rauschender Feste hinaus, wenn es um stille, emsige und ernste Arbeit geht. Da erst gewinnt der Gedanke der Einheit seinen Sinn und seine tiefe Bedeutung. Ich danke Ihnen allen, die Sie sich zu Ehren unserer toten Helden erhoben haben.

Wilhelm Pieck:

Verehrte Anwesende! Genossinnen und Genossen! Nachdem gestern die Sozialdemokratische Partei Deutschlands und die Kommunistische Partei Deutschlands auf ihren Parteitagen die Vereinigung zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beschlossen, den vorgelegten Entwürfen der »Grundsätze und Ziele« und des Statuts dieser Partei zugestimmt und in geheimer Wahl die Mitglieder des Parteivorstandes gewählt haben, erlaube ich mir, in deren Namen die Delegierten und Gäste des Vereinigungsparteitages herzlichst zu begrüßen. Ich bin gewiß, jeder von Ihnen steht unter dem erhebenden Eindruck der großen historischen Tat der Beseitigung der jahrzehntelangen, verhängnisvollen Spaltung der Arbeiterklasse und der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien zur Sozialistischen Einheitspartei.

Es ist ein großer, historischer Wendepunkt nicht nur in der deutschen Arbeiterbewegung und im Leben unseres werktätigen Volkes, sondern auch in seinem Zusammenleben mit den anderen Völkern. Es ist keine Überschätzung dieser Tat, wenn ich auf sie die Worte Goethes anwende, die dieser nach der Kanonade von Valmy über die Wendung in der Lage der großen französischen Revolution schrieb: »Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.«

Die Vereinigung der beiden Parteien ist ein Ereignis von größter geschichtlicher Bedeutung, und die Auswirkungen dieser Vereinigung werden bestätigen, daß mit der geschaffenen Einheit der deutschen Arbeiterbewegung auf Grund der ihr zugrundegelegten Aufgaben und Ziele eine neue Epoche der deutschen Geschichte beginnt.

In diesem Bewußtsein und mit der festen Zuversicht an den Sieg unserer großen Sache begrüße ich im Namen des Parteivorstandes alle Delegierten des Vereinigungsparteitages, vor denen die hohe Aufgabe der Bestätigung der auf den beiden Parteitagen gefaßten Beschlüsse steht. Ich begrüße besonders die in so großer Zahl erschienenen Delegierten aus den drei westlichen Besatzungszonen in denen die Organisationen der beiden Parteien erst am Anfang ihrer Entwicklung stehen und die bei ihrem Aufbau noch große Schwierigkeiten zu überwinden haben. Aber ich bin überzeugt, daß die Beschlüsse unserer beiden Parteitage und dieses Vereinigungsparteitages sehr dazu beitragen werden, ihnen ihre Arbeit zu erleichtern. Sie werden die werktätigen Massen in den beiden Parteien anspornen, ihre Organisationen zu kräftigen und durch die gemeinsame Arbeit sehr bald die Vereinigung zur Sozialistischen Einheitspartei zu vollziehen.

Es ist ein unumstößliches, ehernes Gesetz, daß das werktätige Volk nur durch seine Einheit seine Lebensinteressen wahrzunehmen und in der jetzigen Zeit den Neuaufbau der Wirtschaft und die demokratische Neugestaltung seines wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Lebens zu vollziehen vermag. Die Schaffung der Einheit ist das dringendste Lebensgebot unseres werktätigen Volkes.

Eine besonders herzliche Begrüßung richte ich an die Veteranen der Arbeiterbewegung, an alle Alten, die an ihrem Lebensabend noch die Freude erleben, die Arbeiterklasse wieder in einer einzigen Sozialistischen Einheitspartei vereinigt zu sehen.

Unter den zu unserem Vereinigungsparteitage erschienenen Gästen begrüße ich im Namen des Parteivorstandes der Sozialistischen Einheitspartei die alliierten Besatzungsmächte und ihre anwesenden Vertreter. Ich nehme diese Begrüßung zum Anlaß, mit aller Eindeutigkeit zu erklären, daß die SoziaIistische Einheitspartei und ihre Organe entschlossen sind, im engsten Einvernehmen mit den alliierten Besatzungsbehörden zusammenzuarbeiten und bei der Durchführung ihrer großen Aufgaben die von ihnen erlassenen Anordnungen streng zu befolgen. Wir sind uns der großen Verantwortung, die wir als Vertreter des werktätigen deutschen Volkes gegenüber den Besatzungsmächten tragen, durchaus bewußt. Wir bitten aber die Besatzungsmächte, auch zu berücksichtigen, daß die Durchführung der vor unserem Volke stehenden Aufgaben, sowohl seine Verpflichtung zur Wiedergutmachung als auch in der Sicherung des Friedens und der Schaffung von Garantien gegen jedwede Aggression von deutscher Seite, die weitestgehende Einmütigkeit im deutschen Volke erfordert. Mit der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien zur Sozialistischen Einheitspartei handeln wir also durchaus im Sinne der Potsdamer Beschlüsse der alliierten Mächte und damit auch im gemeinsamen Interesse der Völker der Besatzungsländer und des deutschen Volkes. Darauf beruht auch unsere Zuversicht, daß die aus der Vereinigung der beiden Arbeiterparteien hervorgehende Sozialistische Einheitspartei, die durch den nahezu einmütigen Willen der Mitgliedermassen der beiden Parteien und durch ihre demokratische Entscheidung zustandegekommen ist, nicht nur die Anerkennung, sondern auch die Unterstützung der alliierten Besatzungsmächte finden wird. (…)

(Hervorhebungen im Originalprotokoll)

Anmerkung

[1] Gemeint sind offenbar deutsche und ausländische Opfer des Naziterrors. – Red.