Entrüstet Rheinmetall!
Lühr Henken, Berlin
Rede auf der Kundgebung am 28. Mai 2019, Berlin-Tiergarten, Stauffenbergstraße
Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner, seit 121 Jahren produziert die Firma Rheinmetall Kriegswaffen. Ihre Blutspur begann 1914, als sie mit 8.000 Beschäftigten bereits zu den größten deutschen Rüstungsbetrieben zählte. Rheinmetall versorgte im Ersten Weltkrieg Heer, Luftwaffe und Marine des Kaiserreichs mit Munition, Waffen, Kanonen, Haubitzen, Mörsern, Flugabwehrkanonen, Schiffs- und U-Bootgeschützen sowie Flugzeugen. [1] Nach der Demontage lief 1920 die Zivilproduktion vor allem von Lokomotiven, Waggons und Maschinen an. Ab 1936 vergrößerte Rheinmetall durch die Vereinigung mit Borsig die Militärproduktion und rüstete die faschistische deutsche Wehrmacht auf mit Panzern, Mörsern, Munition und Geschützen aller Art. Die Mitarbeiterzahl verzehnfachte sich von1914 bis 1945 von 8.000 über 48.000 1918 auf 80.000. [2]
Bis 1956 unterlag Rheinmetall einem kompletten Produktionsverbot, und dabei hätte es bleiben sollen. Jedoch: 1958 ging es mit Maschinengewehren und Kanonen wieder los. Waffenanlagen für Schützen- und Kanonenjagdpanzer und Turmsysteme für die Leopardpanzer folgten. Rheinmetall stellt heute zusammen mit Kraus-Maffei Wegmann Schützen– und Radpanzer her und ist der drittgrößte Munitionshersteller weltweit. Das Geschäft boomt gewaltig – so wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Rheinmetall ist mit 12.000 Beschäftigten der größte in Deutschland ansässige Rüstungskonzern, beschäftigt mehr als vor dem Ersten Weltkrieg. Rheinmetall bezeichnet sich selbst als »führendes europäisches Systemhaus für Heerestechnik«. Umsatzrekord reiht sich an Umsatzrekord. Umsatz und Auftragsbestand waren seit dem Zweiten Weltkrieg nie höher als im letzten Jahr. Der Boom setzte sich im ersten Quartal dieses Jahres fort. Ein Plus von 24 Prozent beim Umsatz gegenüber dem ersten Quartal im Vorjahr.
Nicht nur, dass man sich unter den Rheinmetall-Aktionären darüber freut, dass die Bundesregierung dem NATO-Ziel folgend zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für das Militär ausgeben will, was auf eine Verdopplung der Ausgaben hinausläuft, nein, man freut sich auch über die EU. Und hier über PESCO. 20 Prozent von grenzüberschreitenden Rüstungsprojekten sollen vertragswidrig aus dem EU-Haushalt finanziert werden. Dazu zählt auch das PESCO-Großprojekt: die Entwicklung einer nächsten Generation von Kampfpanzern, wie sie Deutschland und Frankreich vereinbart haben. Man spekuliert bei »Leo 3« auf einen Umsatz von 100 Milliarden Euro bis 2040. Dafür haben sich eigens Krauss-Maffei Wegmann und der französische NEXTER-Konzern zusammengeschlossen. Rheinmetall als Europas Heeres-Primus war bisher außen vor, will aber 51 Prozent dieses Konzerns kaufen. Frankreichs Ablehnung scheint sich aufzulösen, so dass Rheinmetall in das Konsortium einsteigen kann, schrieb das Handelsblatt vor Kurzem. [3] Möglicherweise wird Rheinmetall zum Führer dieses Rüstungschampions.
Das heißt für uns: Wir müssen dran bleiben. Wir müssen mehr werden und den Leo an die Kette legen. Entrüstet Rheinmetall!
Lühr Henken ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und arbeitet mit in der Berliner Friedenskoordination und in der Berliner Gruppe »Legt den Leo an die Kette«.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Thomas Haslinger, Dissertation, 2015, 341 Seiten, S. 116 f, edoc.ub.uni-muenchen.de/19709/1/Haslinger_Thomas.pdf.
[2] Vgl. Rheinmetall. Porträt eines Unternehmens der Wehrtechnik, in: SOLDAT UND TECHNIK 12 (1970), S. 706-711 und 745, hier: 706 f.
[3] Handelsblatt 16.5.2019, Die europäische Armee wird konkret, www.handelsblatt.com/politik/deutschland/verteidigungspolitik-die-europaeische-armee-wird-konkret/24350246.html?ticket=ST-1443478-vK3RSYHG3mQ03jzFWvkf-ap2.
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