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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ende eines langen Weges: Dokumentationszentrum der Topographie des Terrors in Berlin vor Fertigstellung

Hans Canjé, Berlin

 

"Auf Wiedersehen am 9. Mai 2010" sagte Prof. Dr. Andreas Nachama, Geschäftsführender Direk­tor der Berliner Stiftung Topographie des Terrors, am Ende seiner Rede anläßlich des Richtfestes für den Neubau des Dokumentationszentrums auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Albert-Straße im Berliner Bezirk Kreuzberg. Dann soll, so sieht es der Zeitplan vor, eine über 50jährige und insgesamt nicht gerade rühmliche Nachkriegsgeschichte mit der Eröffnung dieses Hauses zu (einem guten) Ende gehen. Im Erdgeschoß des zweistöckigen Gebäu­des mit einer Gesamtfläche von 45.700 Quadratme­ter wird künftig die Dauerausstellung "Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheits­hauptamt" ihren Platz haben. Das neue Haus bietet Räume für Wechselausstellungen und Veranstaltun­gen. Im Sockelgeschoß wird die Bibliothek der Stiftung angesiedelt. Nach Fertigstellung wird über das Gelände ein Rundweg mit 15 Stationen führen und einen Überblick über die Geschichte des histo­rischen Ortes geben. Der Ausstellungsgraben bleibt erhalten.

Unter denen, die an diesem etwas verregneten 5. Mai zum Fest erschienen waren, sah man Frauen und Männer, die im Verlaufe dieser Jahrzehnte im­mer wieder, und zum Teil durch spektakuläre Akti­onen, den Blick auf dieses Gelände gelenkt hatten. Mit langem Atem (und von den "Staatsschutzbehör­den" dabei zeitweilig recht kritisch beobachtet) ha­ben sie schließlich entscheidend dazu beigetragen, daß nun die Vollendung dieses Denkortes naht, die Zeit des unwürdigen Provisoriums vorbei ist. Die Vorkriegsgeschichte dieses Geländes ist mit Blut geschrieben. In der Prinz-Albrecht-Straße 8 wa­ren in den Jahren der faschistischen Herrschaft das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei (Gesta­po) und ab 1939 auch des Reichssicherheitshaupt­amtes. Im Hotel Prinz Albrecht saß die Reichsfüh­rung der SS. Der berüchtigte Sicherheitsdienst der SS (SD) hatte seinen Sitz im Prinz-Albrecht-Palais in der Wilhelmstraße 102. Von deren hier stehen­den Schreibtischen aus ist der Völkermord an den europäischen Juden ebenso organisiert worden wie der an den Völkern der Sowjetunion und Polens. Mehr als 15.000 Gegner des Faschismus wurden im Kellergefängnis der Prinz-Albrecht-Straße ge­foltert, nicht wenige haben die brutalen "Verhöre" nicht überlebt.

Ein Ort der Täter also. Ein Umstand, der nicht we­nig dazu beigetragen hat, daß die Regierenden der Stadt diesem Ort so lange, zurückhaltend formuliert, "distanziert" gegenübergestanden haben und fi­nanzielle Probleme zum willkommenen Vehikel bei der Verschleppung der endlichen Beschlußfassung über den Bau und dessen Realisierung wurden. Das alles ist wohl dokumentiert von der Installierung des faschistischen Regimes über die Sprengung der baulichen Überreste der Terrorzentrale mit der (fast) Tilgung des Ortes aus dem öffentlichen Gedächtnis. Ebenso die Geschichte der "Erinnerungswütigen", etwa der Internationalen Liga für Menschrechte, dem Verein Aktives Museum Faschismus und Wi­derstand oder der Berliner Geschichtswerkstatt. Zu schreiben bleibt die Geschichte der Mitarbeiter der Stiftung Topographie des Terrors, die mit der Dauer­ausstellung im Graben entlang der Niederkirchnerstraße, mit Ausstellungen am Bauzaun und anderen Aktivitäten dazu beigetragen haben, daß die Zahl der jährlichen Besucher auf 500.000 angestiegen und die Topographie damit zu dem meistbesuchten Erinnerungsort der Hauptstadt geworden ist.

Aus: antifa, Juli/August 2009, S. 29

 

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