Einige Überlegungen zu den Debatten im Vorfeld des Dresdner Parteitages
Wulf Kleus, Düsseldorf
Die pazifistische Stimmung in der Bevölkerung gehörte sicherlich mit zu jenen Umständen, welche zur zurückhaltenden Haltung der Bundesregierung zum Libyenkrieg beigetragen haben. Rund 80 Prozent der Deutschen lehnten seinerzeit kriegerische Interventionen in Libyen ab. Und an diesem Antikriegsklima hat die LINKE einen nicht zu unterschätzenden Anteil. Ihre weitere Existenz als kraftvolle Oppositionspartei ist auch angesichts der nach der Bundestagswahl drohenden Kürzungsprogramme und weiteren Milliardengeschenke an Banken und Vermögende wichtiger denn je. Die Herrschenden wissen mit Blick auf die sich zuspitzende Krise um die Bedeutung der nächsten Bundestagswahl. Sie werden versuchen, das politische Klima weiter nach rechts zu verschieben und die LINKE aus dem Bundestag zu kippen. Hierüber darf auch die augenblickliche Ruhe in den Mainstream-Medien nicht hinwegtäuschen.
Für das politische Wirken der Partei wäre es durchaus hilfreich, wenn sie die schwierigen Bedingungen, unter denen sie den Wahlkampf führen muss, klarer herausarbeiten und auch ihren Wählern vermitteln würde. In diesem Zusammenhang wäre nicht zuletzt die andauernde Medienblockade zu erwähnen. Denn wer die Rahmenbedingungen für den anstehenden Wahlkampf auch nur annähernd kennt, dem wird bewusst, dass die Partei keine Stimmen zu verschenken hat und maximale Anstrengungen unternommen werden müssen, damit am 22. September wieder eine starke Linksfraktion in den Deutschen Bundestag einzieht. Hierfür kann der anstehende Bundesparteitag [1] wichtige Grundlagen legen. Maßgeblich wird unter anderem sein, dass die in der Parteibasis vorhandenen Meinungen und Stimmungen nicht übergangen werden. Deshalb sollte auf jede innerparteiliche Polarisierung verzichtet werden. Dies betrifft nicht zuletzt den Umgang mit Fragen der Geschichte.
Dem geschäftsführenden Parteivorstand zufolge soll nach dem Dresdner Parteitag eine Tafel am Karl-Liebknecht-Haus zum Gedenken an die unter Stalin verfolgten Kommunisten und Antifaschisten angebracht werden. Dass an jene Opfer erinnert werden soll, ist Konsens in der Partei. Unterschiedliche Auffassungen gibt es allerdings über den Ort des Gedenkens. Die ohne Einbeziehung der Berliner Parteibasis getroffene Entscheidung des geschäftsführenden Vorstandes in einer derart sensiblen Angelegenheit provoziert unnötige Diskussionen, die aber immer noch vermieden werden können. Die beiden Briefe des KPF-Sprecherrates vom 7. März und 17. Mai 2013 haben hierzu einen konsensorientierten Vorschlag unterbreitet, der eine versachlichte und demokratische Entscheidungsfindung, ohne den Druck des Wahlkampfes, ermöglichen würde.
Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zur Zukunft des Euro. Es ist angesichts der sich vertiefenden Krise in Europa nur allzu verständlich, dass darüber auch in der LINKEN Diskussionsbedarf besteht. Es muss daher möglich sein, diese Diskussion vorurteilsfrei und ergebnisoffen zu führen.
Ausgangspunkt aller Überlegungen zur Euro-Debatte muss eine gründliche Analyse der politischen und ökonomischen Bedingungen, der nationalen und internationalen Kräfteverhältnisse wie auch der Stimmungen in der Bevölkerung sein. Dies kann im vorliegenden Beitrag nicht geleistet werden. Nur so viel sei gesagt: Währungen sind heute heftigen Interessenskämpfen ausgeliefert. Vor allem aus Sicht der US-amerikanischen Finanzindustrie war der Euro von Anbeginn ein Übel, da er dem US-Dollar Konkurrenz machen sollte und, hätte er sich bewährt, den Weltmachtbestrebungen der USA gewisse Grenzen gesetzt hätte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass von der US-Finanzwirtschaft bezahlte Ratingagenturen wie Standard and Poor’s oder Moody’s die Bonität bestimmter Euro-Länder herabsetzen und anderen Staaten Bonitäts-Höchstnoten vergeben, um diese dann gegeneinander auszuspielen. Angriffe auf die Euro-Zone wurden aber auch durch die Absage an jedwede Steuerharmonisierung und den Mangel an einer koordinierten europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik beträchtlich erleichtert.
Freilich dürfen in diesem Kontext die Herrschafts- und Expansionsinteressen der Europäischen Union nicht verschwiegen werden, die nicht minder ablehnenswert sind. Und die Auseinandersetzung zwischen der US-amerikanischen und europäischen Finanzwirtschaft macht auch nur einen Teil der Gründe aus, die für das "Euro-Desaster" verantwortlich sind. Insbesondere die extremen Ungleichgewichte im Handel und die von der Bundesregierung vorangetriebene rüde Austeritätspolitik sind hier zu nennen. Angesichts dieser Komplexität der "Euro-Krise" ist es nur normal, dass in der LINKEN über verschiedene Lösungswege gestritten wird.
Ein Ende des Euro und die Rückkehr zu nationalen Währungen würden das Problem der Währungsspekulationen und Interessenkonflikte, denen nationale Währungen unterworfen sind, nicht beseitigen. Um dieses Problem zu lösen, bedarf es vielmehr anderer politischer Machtverhältnisse. Auch hierüber sollte die LINKE offen reden, um Illusionen zu vermeiden. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, welche Lösung für die südeuropäischen Staaten die gangbarste wäre. In dieser Frage müssen vor allem diejenigen zu Wort kommen, die von der Krise am stärksten betroffen sind. Eine Positionierung der LINKEN in der Euro-Debatte sollte daher in enger Abstimmung mit anderen linken Parteien und Organisationen, vor allem mit jenen aus dem krisengeschüttelten Südeuropa erfolgen. Es dürfte sicher auch viele Mitglieder unserer eigenen Partei interessieren, was die Genossinnen und Genossen etwa von SYRIZA oder der portugiesischen PCP hierzu zu sagen haben.
Einig ist man sich in der LINKEN jedenfalls darüber, dass die gegenwärtige, neoliberale Euro-Rettung, deren Lasten mehr und mehr der Bevölkerungsmehrheit aufgebürdet werden, lautstarken Widerstand verdient. Diese von Solidarität geprägte Haltung unterscheidet die LINKE grundlegend von allen anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Wenn sich die südeuropäischen Staaten verbünden sollten, um sich gegen die aggressive Export- und Lohndumpingpolitik der deutschen Regierung und gegen die von der Troika diktierten Sozialabrissprogramme zu wehren, ist das mehr als verständlich und unbedingt zu unterstützen.
Anmerkung:
[1] In der Zeit vom 14. bis 16. Juni 2013 findet in Dresden der Bundesparteitag der LINKEN statt.