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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Eine Verharmlosung des Kapitalismus brauchen wir nicht

Wulf Kleus, Düsseldorf

Liebe Genossinnen und Genossen, vor einigen Wochen wurde der Entwurf des Programms veröffentlicht. Daraufhin haben sich vor allem Vertreter des Forums demokratischer Sozialismus zu Wort gemeldet und behauptet, der Programmentwurf sei einseitig, rückwärtsgewandt und antiemanzipatorisch. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern: Dieser Entwurf wurde weder von einer einzelnen Parteiströmung noch von einem einzelnen Zusammenhang erarbeitet, sondern er war das Produkt von mehreren gemeinsam. Er war das Ergebnis von Mitgliedern verschiedenster Strömungen wie auch von Strömungslosen. Der Programmentwurf ist insoweit ein Vorschlag, der verschiedene Herangehensweisen und Ansichten in der Partei in einem Kompromiß zusammengebracht hat.

Liebe Genossinnen und Genossen, prominente Vertreter des Forums demokratischer Sozialismus haben dem Programmentwurf zudem unterstellt, dieser sei von einem neokommunistischen Politikverständnis geprägt. Er male eine Horrorwelt, die von einigen Konzernen beherrscht wird – eine Horrorwelt, die aber in Wirklichkeit so nicht existiere. Die Beschreibung der Realität sei in einem solchen Maße vereinfacht, daß sie nicht mit dem Erfahrungswissen von größeren Wählerschichten übereinstimme. Soweit die Kritik von Stefan Liebich und Inga Nitz und in ähnlicher Form von Klaus Lederer und Petra Pau.

Schauen wir uns aber die Wirklichkeit an: Weltweit sind heute über eine Milliarde Menschen unterernährt, beinahe 50.000 Menschen sterben täglich den Hungertod. Während die Leichenberge und das Elend in den ärmsten Teilen der Welt immer größer werden, spekulieren irgendwelche Finanzjongleure und Banker gegen ganze Staaten – wie Griechenland – und verdienen sich eine goldene Nase dabei. Ist das alles etwa keine Horrorwelt? Wenn Bevölkerungen ausgeplündert werden und das herrschende Establishment davon profitiert, dann können Linke nicht einfach die Augen schließen und so tun, als ob es da keine Interessengegensätze gäbe. Das wäre völlig absurd.

Liebe Genossinnen und Genossen, was wir am wenigsten brauchen, ist eine Verharmlosung des Kapitalismus. Die katastrophale Wirtschaftskrise, die maßlose Zockerei an den Finanzmärkten und der ganze Spekulationswahn, die Ausplünderung der Bevölkerung – dies alles zeigt doch, daß dieser Kapitalismus eben nicht primär produktiv, sondern daß er zutiefst zerstörerisch ist. Denken wir hierbei auch an die hochmoderne Rüstungs- und Kriegsproduktion, die nicht zuletzt durch seine Innovationsfähigkeit möglich wird. Die innovativen Fähigkeiten des gegenwärtigen Wirtschaftssystems dienen vorrangig den Interessen der oberen Zehntausend.

Das heißt nun nicht, zugunsten der Mehrheit der Bevölkerung erreichte soziale und demokratische Errungenschaften kleinzureden. Aber diese Errungenschaften wurden eben nicht durch ein nettes Lächeln am Verhandlungstisch mit den Kapitalmächtigen erzielt, sondern sie waren und sind Ergebnis harter Kämpfe von unten – gegen den Widerstand des Establishments.

Wenn nun der Programmentwurf die Notwendigkeit von Protest- und Widerstandsformen aufnimmt, dann glorifiziert er diese nicht, sondern er gibt jenen Menschen eine Handlungsorientierung, die bereits resigniert haben, er macht Menschen Mut, endlich politisch aktiv zu werden. Daß die Wortführer des Forums demokratischer Sozialismus die Notwendigkeit von Protest und Widerstand gegen die herrschenden Verhältnisse als „Glorifizierung“ abtun, ist insbesondere in Zeiten der schwersten Wirtschaftskrise und des bevorstehenden Sozialraubs nicht nachvollziehbar. Das Beispiel Griechenland zeigt doch, daß Gegenwehr von unten gegen Sozialkahlschlag, Privatisierung und Liberalisierung dringend nötig ist.

Liebe Genossinnen und Genossen, mein Eindruck ist, daß es von der Parteibasis durchaus Veränderungswünsche an der einen oder anderen Stelle des Programmentwurfs gibt. Das ist völlig normal. Ein Entwurf ist kein fertiges Produkt. Mein Eindruck ist aber auch, daß der grundsätzlicher Charakter des Entwurfs, vor allem dessen antikapitalistische Ausrichtung wie auch die Analyse der gesellschaftlichen Realität, breite Zustimmung in der Basis erfährt. Bisher haben sich allerdings überwiegend Funktionärsträger der Partei zum Entwurf geäußert. Es wird nun eine der wichtigsten Aufgaben in der Programmdebatte sein, nicht nur Funktionären, sondern vor allem der Parteibasis öffentliches Gehör und Artikulationsmöglichkeiten zu geben.

(Vorbereiteter Redebeitrag)