Eine neue Kuba-Politik?
Jörg Rückmann, Berlin
Ausländische Delegationen geben sich derzeit in Kuba die Klinke in die Hand. Sie bekunden das Interesse ihrer Länder an einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit und an der Verbesserung der Beziehungen zu dem sozialistischen Land. Sogar der Chef der US-Handelskammer, Thomas J. Donohue, stattete Kuba im Mai 2014 einen Besuch ab und forderte von Havanna aus die Beendigung der US-Blockade.
In der EU und in den USA mehren sich die Stimmen für eine neue Kuba-Politik. Ein Grund ist die wirtschaftliche Stabilisierung Kubas; und derzeit wecken hauptsächlich die Sonderwirtschaftszone Mariel sowie das neue Investitionsgesetz großes ökonomisches Interesse. Vor allem aber zwingt die gewachsene politische Rolle Kubas in Lateinamerika die EU und die USA zum Umdenken.
Fällt die US-Blockade?
Barack Obama begann seine erste Amtszeit als US-Präsident (2009) mit überraschenden Aussagen: Er wolle sich für eine neue Kuba-Politik stark machen und die Beziehungen zu Lateinamerika verbessern. Im gleichen Jahr präsentierte der Außenausschuss des US-Senats einen Bericht, in dem eine »Veränderung in der Kuba-Politik im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten« gefordert wurde.
Im Mai dieses Jahres war es der ehemalige Gouverneur Floridas, Charlie Crist, der mit seiner Forderung nach einem Ende der US-Blockade die Welt überraschte. Ebenfalls im Mai wandten sich 44 hochrangige Persönlichkeiten der USA in einem offenen Brief an Obama, in dem sie Maßnahmen für eine Lockerung der Blockade forderten – Maßnahmen, die der Präsident ohne den Kongress entscheiden könne.
Großen Medienrummel verursachte auch die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton mit der Veröffentlichung ihrer Autobiographie. Darin spricht auch sie sich für ein Blockade-Ende aus. Das ist deshalb bemerkenswert, da sich Frau Clinton offenbar um das Präsidentenamt bewerben möchte.
Vollzieht sich hier tatsächlich ein Sinneswandel beim Thema Kuba? Fakt ist: Der Druck auf die offizielle US-Politik wächst. Allen voran sind es die Vertreter der Wirtschaft, die ein Umdenken fordern. Mit großer Sorge beobachten sie das immer stärker werdende Engagement vor allem von China, Russland und Brasilien in Kuba – was die eigenen Handels- und Investitionsmöglichkeiten auf der Insel täglich weiter schmälert.
So wandte sich im Mai 2014 z.B. die Vereinigung der Maisproduzenten in Bloomington (Bundesstaat Illinois) an Präsident Obama, er solle die Möglichkeiten für Warenlieferungen nach Kuba ausweiten. Mittlerweile sprechen sich 56 Prozent der US-Bürger (Florida 63%, Exilkubaner 52%) für eine Änderung der Politik ihrer Regierung gegenüber Kuba aus (Atlantic Council, Februar 2014). Hinzu kommt, dass die Anwendung von Blockadegesetzen außerhalb der USA die politischen Verbündeten verärgert.
Immer offener widmen sich auch die US-Medien dem Thema Kuba-Blockade. In einer Kolumne für die »Washington Post« (10. Juni 2014) schrieb z.B. die Journalistin Katrina vanden Heuvel: »Wenn überhaupt, die Blockade isoliert die Vereinigten Staaten, nicht Kuba … Das Fortsetzen einer Politik, die seit über 50 Jahren und 10 Präsidenten gescheitert ist, eine Blockade, die US-Business zerstört, sowie Restriktionen, die Rechte von Amerikanern einschränken – das klingt nicht sehr rational.«
Worte und Taten
Trotz dieser neuen Töne – das politische Handeln der US-Regierung vermittelt ein komplett anderes Bild. Im November 2013 verkündete US-Außenminister John Kerry vollmundig das Ende der sogenannten Monroe-Doktrin. Dies gelte, so Kerry, aber nicht für Kuba.
Nach Auffassung der US-Regierung ist Kuba ein Staat, der den internationalen Terrorismus fördert (Jahresbericht State Department, 30. April 2014). Das US-Finanzministerium konfisziert deshalb jedes Jahr eine dreistellige Millionensumme aus Banküberweisungen für Kuba (2013: 257,8 Mio. US-Dollar, »Terrorist Assets Report«, www.treasury.gov).
Gleichzeitig stellt die US-Regierung Millionensummen bereit, um antikubanische Aktionen zu finanzieren und »Dissidenten« zu unterstützen.
Entgegen internationalen Vereinbarungen beendete die US-amerikanische Bank M&T im vergangenen Jahr die Zusammenarbeit mit der diplomatischen Vertretung Kubas in Washington D.C. sowie mit der Ständigen Mission Kubas bei der UNO. Kuba musste daraufhin im November 2013 seine konsularischen Dienste in den Vereinigten Staaten vorerst einstellen. Bis heute wurde in dieser Angelegenheit noch keine Lösung gefunden. Hinzu kommt die schon erwähnte verschärfte Anwendung von Blockadegesetzen in Drittstaaten während der Präsidentschaft Obamas. Die Fälle der französischen Bank BNP Paribas, der deutschen Commerzbank oder der Bank of Ireland sind nur drei aus der jüngeren Vergangenheit.
Gegenwärtig erarbeiten die USA und die EU das Freihandelsabkommen TTIP. Über die Inhalte und Verhandlungsschritte erhalten aber weder die Parlamente noch die Bevölkerung Kenntnis. Warum diese Geheimhaltung? Werden hier hinter verschlossenen Türen möglicherweise Bestimmungen der Blockade oder des »Gemeinsamen Standpunktes« in dieses Abkommen übernommen?
Alte Ziele, neue Strategien
In den USA stehen einer Neuausrichtung der Kuba-Politik nach wie vor harte Gegner im Weg. So reagierte die antikubanische Szene in Florida mit harter Kritik auf den Kuba-Besuch von Zucker-Magnat Alfonso Fanjul Anfang des Jahres, bei dem er seine Investitionsbereitschaft signalisiert hatte.
In Kuba sind es US-finanzierte »Dissidenten« wie die »Damas de Blanco«, die Lockerungen der Blockade kategorisch ablehnen, weil nach ihrer Auffassung nur die »Lebenszeit des Regimes« verlängert würde (Die Welt, 28. Juni 2014).
Aber auch die Urheber der wohlklingenden Worte von einer neuen Kuba-Politik müssen sich fragen lassen, ob sie tatsächlich zwischenstaatliche Beziehungen anstreben, die von Gleichberechtigung und gegenseitiger Achtung gekennzeichnet sind. Hillary Clinton z.B. wird in mehreren Medien mit den Worten zitiert, die Blockade sei »Castros bester Freund« und »nicht länger nützlich für die amerikanischen Interessen oder um einen Systemwechsel auf der kommunistischen Insel« herbeizuführen.
Man mag einigen Unternehmern und auch den Bürgern der USA den Wunsch nach besseren Beziehungen zum kleinen Nachbarland glauben. Die offizielle US-amerikanische Politik aber hält an ihrem Ziel fest, die kubanische Revolution zu beseitigen. Nur hat man offenbar nach mehr als einem halben Jahrhundert eingesehen, dass dies nicht mit der brachialen Methode funktioniert.
Umdenken in Europa?
Am 2. Februar 2014 haben die Außenminister der EU beschlossen, Kuba Verhandlungen über ein Kooperationsabkommen vorzuschlagen. Ende April fanden dazu in Havanna die ersten Beratungen statt – und das, obwohl der »Gemeinsame Standpunkt« der EU von 1996 offiziell weiterbesteht.
Ein solches grundlegendes Abkommen wäre für die Beziehungen zwischen der EU und Kuba ein großer Fortschritt. Aber die Intentionen dafür sind bei den EU-Mitgliedern sehr unterschiedlich. Mittlerweile haben schon 14 EU-Staaten – trotz des »Gemeinsamen Standpunktes« – bilaterale Verträge mit Kuba abgeschlossen. Leider gehört die Bundesrepublik Deutschland nicht zu dieser Staatengruppe.
Auch in der EU scheinen wirtschaftliche Interessen die bisherige Kuba-Politik Stück für Stück in eine neue Richtung zu lenken. Mehrere Mitgliedsstaaten haben wohl begriffen, wie vorteilhaft ein gutes Verhältnis zu Kuba für das wirtschaftliche Engagement in Lateinamerika sein kann.
Trotzdem spukt in vielen Politikerköpfen immer noch der Geist des »Gemeinsamen Standpunktes« – d.h. die Forderung nach einem Systemwechsel in Kuba als Voraussetzung für normale zwischenstaatliche Beziehungen. So betonte z.B. die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, am 10. Februar (http://goo.gl/JVyqnE), die begonnenen Vertragsverhandlungen seien keine Veränderung der Politik gegenüber der Vergangenheit.
Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die auch die deutsche Bundesregierung berät, schreibt in einem Bericht (Mai 2014): »Es ist eines der wichtigsten Motive des europäischen Engagements, die eigene Stimme in Kuba vernehmbar zu machen … Ein postcastristisches Regime könnte sich gegebenenfalls vom revolutionären Erbe einfacher befreien … Die europäische These, ökonomische Öffnung habe eine Verstärkerwirkung für politischen Wandel, hat sich im Falle Kubas … bislang aber nicht bestätigt; sie bleibt eine mittelfristige Erwartung.« Die kubanische Regierung kennt solche Standpunkte natürlich und nimmt auch zur Kenntnis, wenn z.B. der deutsche Außenminister Steinmeier kubanische »Dissidenten« in seinem Ministerium empfängt (27. Juni 2014).
Kuba ist an guten Beziehungen zur EU und zu den USA interessiert – nicht zuletzt, um durch Auslandsinvestitionen und Technologietransfers seine Wirtschaft voranzubringen. Bis zum Abschluss eines Abkommens mit der EU oder bis zur Aufhebung der US-Blockade ist es aber noch ein langer und steiniger Weg. Denn weder USA noch EU haben ihr Ziel aufgegeben, einen »Regime Change« in Kuba herbeizuführen.
Aus: Cuba Sí-Revista, 2-2014.
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