Ein konsequenter Kommunist und Demokrat
Zum Tod vom Luis Corvalán
Luis Corvalán, der langjährige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chiles, ist am 21. Juli 2010 im Alter von 93 Jahren in Santiago de Chile gestorben. Der internationalen Chile-Solidaritätsbewegung war es im Dezember 1976 gelungen, ihn aus der Haft unter der Pinochet-Diktatur freizubekommen. Von Moskau aus besuchte er im Januar 1977 in Begleitung von Gladys Marin (1941-2005) und anderen die DDR, wo ihm die Bevölkerung einen begeisternden Empfang bereitete.
Aus "Neues Deutschland", 2. Februar 1977, Seite 3:
Ein großer Tag war das für die Pioniere und FDJ-Mitglieder der Salvador-Allende- und der Pablo-Neruda-Schule im Allende-Viertel des traditionsreichen Arbeiterbezirks Köpenick. Zu Tausenden waren sie und natürlich auch viele Erwachsene zur Begrüßung gekommen. Zehntausende Solidaritätserklärungen aus allen Berliner Schulen hatten sie mitgebracht – 18 große Wäschekörbe waren bis zum Rand damit gefüllt – und Erinnerungsgeschenke: Berliner Bären, Musikinstrumente, Fotoalben, Kinderzeichnungen, Puppen.
Immer wieder Hochrufe. Kraftvoll erklang das Kampflied des antifaschistischen Chile "Venceremos".
Ein schlankes Mädchen mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen trat Luis Corvalán entgegen mit rot-weiß-blauem Halstuch und leuchtend rotem Stern auf einer blauen Kappe. Worte in seiner Muttersprache richtete sie an ihn, und gerührt vernahm er, wie ihm die 13jährige Alejandra Cannobbio, eines der chilenischen Kinder, die hier in Köpenick wohnen und lernen, im Namen aller in der DDR lebenden Kinder gelobte, nie nachzulassen im Kampf gegen Pinochet und seine Mörderclique. In ihr "Venceremos" stimmten Tausende begeistert ein.
Dann ergriff Luis Corvalán das Wort. Wie sehr ihn dieser Empfang beeindruckt hatte, war ihm deutlich anzumerken. "Meine Umarmung für euch alle", rief er. "Es ist für mich eine große Freude, in diesem schönen Wohnviertel zu sein, das den Namen unseres geliebten Kampfgefährten und Präsidenten trägt. Einmal mehr haben wir hier die Liebe eurer Jugend, eurer Kinder empfangen. Wir haben einmal mehr das Versprechen empfangen, weiter zu kämpfen bis zur Befreiung aller Gefangenen in Chile."
Und dann wurde es still, als er von der bitteren Zeit sprach, die das Andenland durchlebt. "Vor allem macht uns die Lage der Verschleppten Sorge", sagte er eindringlich. "Ihr wißt, daß mehr als 2500 Chileninnen und Chilenen von der Gestapo Pinochets festgehalten werden, daß sie an Orte verschleppt wurden, die von den Behörden Pinochets geheimgehalten werden. Tausende und Abertausende Frauen und Mädchen kennen nicht den Aufenthaltsort ihrer Männer und Söhne. Viele Tausende von Kindern und Jugendlichen wie ihr wissen seit Monaten, zum Teil seit Jahren nicht, wo ihre Eltern sind.
Ihr werdet verstehen, das ist eine Tragödie, und dieser Tragödie gegenüber kann kein Mensch gleichgültig bleiben. Wir wissen, daß unser Schmerz euer Schmerz, daß unser Kampf euer Kampf ist. Wir werden eure Heimat mit den besten Gefühlen in unseren Herzen und mit der Überzeugung verlassen, daß wir es dank der internationalen Solidarität schaffen werden, alle Häftlinge aus den Kerkern der Diktatur herauszuholen. Wir sind gewiß, daß die Sonne der Freiheit wieder über Chile scheinen wird. Ich danke noch einmal für all das, was ihr für uns getan habt." Als Bekräftigung klang ihm tausendfach der Ruf "Hoch die internationale Solidarität" entgegen.