Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein Briefwechsel

Dokumentation

10. März 2011: Bundessprecherrat an Lothar Bisky

Sehr geehrter Genosse Lothar Bisky, am 10. März 2011 behandelte das Europäische Parlament einen gemeinsamen Entschließungsantrag "Zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen" aller Fraktionen mit Ausnahme der konföderalen Fraktion GUE/NGL. Gemeinsam mit zwei weiteren Abgeordneten der Fraktion GUE/NGL hast Du diesen Antrag, der die Forderung der nach der Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen einschließt, mit eingereicht.

Dies widerspricht den jüngsten Erklärungen aus den Reihen unserer Partei. Dies widerspricht den in der LINKEN geltenden friedenspolitischen Prinzipien. Dies ist eine Zustimmung zu einem möglichen Krieg der NATO. Man muß Gaddafi nicht mögen, um NATO-Kriege prinzipiell abzulehnen.

Du bist in einer verantwortungsvollen Position, und wir nehmen daher Deinen Alleingang sehr ernst, auch wenn Du mittlerweile ebenso eine Erklärung von Teilen der Delegation der LINKEN unterzeichnet hast, in der jede militärische Intervention in Libyen abgelehnt wird.

Letztlich aber stimmtest Du im Europäischen Parlament – wenngleich als einziger aus der Delegation der LINKEN – dem Entschließungsantrag "Zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen" zu. Dein zwiespältiges Verhalten ist für uns ein Grund mehr, in der Programmdebatte für den Erhalt der in der Partei geltenden friedenspolitischen Prinzipien zu kämpfen.

Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, Thomas Hecker, Bundessprecher (per E-Mail)

18. März 2011: Lothar Bisky an Thomas Hecker

 

Sehr geehrter Herr Hecker, Sie haben sich in einer E-Mail an mich gewandt aus Gründen, die Sie in einem "Alleingang" von mir zu sehen meinen. Dabei haben Sie sich bemüht, über meine friedenspolitischen Prinzipien zu argumentieren, die sich angeblich von denen meiner Partei unterscheiden.

Leider gehen Sie dabei von Informationen aus, die einseitig und teilweise falsch sind. Tatsächlich gibt es vermutlich keinen Unterschied in den Schlußfolgerungen, die Sie im Zusammenhang mit der Situation in Libyen ziehen, und denen, die ich ziehe. Gleiches trifft auf die Beibehaltung der Prinzipien linker Friedenspolitik im Zusammenhang mit der weiteren Programmdebatte in unserer Partei zu.

Zu Ihrem bessern Verständnis der Problematik füge ich diesem Brief einige Dokumente bei(1). Diesen werden Sie entnehmen, daß ich mich – wie auch alle anderen Abgeordneten der linken GUE/NGL-Fraktion im EP – stets gegen Militäreinsätze gewandt habe und dies auch in der Abstimmung über die Resolution des EP zum Ausdruck gebracht habe. Ganz konkret habe ich den in der Resolution enthaltenen §10 in der namentlichen Abstimmung abgelehnt, in dem es wörtlich heißt:

"[...] hebt hervor, daß die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Schutzverantwortung wahr-nehmen müssen, um die libysche Zivilbevölkerung vor großangelegten bewaffneten Angriffen zu bewahren; verweist darauf, daß daher keine der in der VN-Charta vorge-sehenen Optionen ausgeschlossen werden kann; fordert die Hohe Vertreterin und die Mit-gliedstaaten auf, Vorkehrungen für einen möglichen Beschluß des VN-Sicherheitsrats zur Einleitung weiterer Maßnahmen zu treffen, wie etwa die Einrichtung einer Flugver-botszone, um das Regime daran zu hindern, gewaltsam gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen; betont, daß sämtliche von der EU und ihren Mitgliedstaaten ergriffenen Maß-nahmen im Einklang mit einem Mandat der Vereinten Nationen stehen und in Absprache mit der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union erfolgen sollten, so daß beide Organisationen angehalten werden, die internationalen Bemühungen zu steuern; [...]"

Im Anhang finden Sie das Protokoll über die namentlichen Abstimmungen vom 10.03.2011 im Plenum des Europaparlaments sowie die nachgenannten Dokumente, anhand derer Sie meine hier gemachten Aussagen selbst nachprüfen können.

  • Entschließungsantrag "Zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen, einschließlich humanitärer Aspekte" der GUE/NGL-Fraktion,
  • Resolution P7_TA-PROV(2011)0095 des EP "Südliche Nachbarschaft, insbesondere Libyen, einschließlich humanitärer Aspekte";
  • Presseerklärung von Lothar Bisky, Cornelia Ernst, Thomas Händel, Jürgen Klute, Helmut Scholz und Gabi Zimmer, Mitglieder der Delegation DIE LINKE im Europäischen Parlament in der konföderalen Fraktion der GUE/NGL, zur Abstimmung über die Resolution des Europäischen Parlamentes über die Europäische Nachbarschaftspolitik, insbesondere Libyen vom 10. März 2011;
  • Interviews mit Lothar Bisky am 11. März und mit Thomas Händel am 12. März 2011 im ND.

Mit besten Grüßen Prof. Dr. Lothar Bisky

11. März 2011: Aus "Brüssel zeigt die Instrumente"

Flugverbotszone, Kontensperrung, Einreiseverbote – EU will harten Kurs gegen Libyen. Von Uwe Sattler, ND vom 11. März 2011, S. 2:

Auch die EU-Abgeordneten hatten sich gestern auf einen harten Kurs begeben. Nahezu zeitgleich mit der Ratstagung der Außenminister haben die Europaparlamentarier über einen "Gemeinsamen Entschließungsantrag zu den südlichen Nachbarländern der EU, insbesondere Libyen" abgestimmt. […]

Der eigentliche Knackpunkt findet sich im Paragraph 10 der Resolution, in dem es heißt: "Das Europäische Parlament fordert die Hohe Vertreterin (für die Außenpolitik – d. ND-Red.) und die Mitgliedstaaten auf, Vorkehrungen für einen möglichen Beschluss des VN-Sicherheitsrats zur Einleitung weiterer Maßnahmen zu treffen, wie etwa die Einrichtung einer Flugverbotszone, um das Regime daran zu hindern, gewaltsam gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen." [...]

Lothar Bisky hatte den Gemeinsamen Entschließungsantrag als Vorsitzender der linken GUE/NGL-Fraktion mit vorgelegt. Offensichtlich aus diesem Grunde war ihm bereits vor der Abstimmung unterstellt worden, er befürworte Flugverbotszonen über Libyen. In einer von sechs der acht deutschen Mitglieder der Linksfraktion, darunter Bisky selbst, veröffentlichten Pressemitteilung wurde jedoch ausdrücklich darauf verwiesen, daß "wir (...) die in der Kompromiß-Resolution des Europäischen Parlaments enthaltene Forderung nach Einrichtung einer Flugverbotszone für falsch (halten), auch wenn sie Forderungen aus Teilen der libyschen Opposition und von Staaten der Arabischen Liga und der Afrikanischen Union aufgreift". [...]

Tatsächlich stimmten alle deutschen Linksabgeordneten in der gesonderten Abstimmung über Paragraf 10 mit Nein. Auch die Gesamtresolution fiel bei der Schlußabstimmung bei den Vertretern der LINKEN durch. Ein Abgeordneter allerdings stimmte mit Ja – Lothar Bisky. [...]

Anmerkung

(1) Eben diese Dokumente waren dem Bundessprecherrat bei der Abfassung des Briefes bekannt. - Red.