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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein Beispiel der gegenseitigen Respektierung

Gerhard Mertschenk, Berlin

 

Ostermarschrede in Berlin am 19. April 2025

 

Liebe Friedensfreunde, zuallererst möchte ich mich im Namen von Cuba sí für die Möglichkeit bedanken, hier und heute auf dem Ostermarsch sprechen zu können. Auf den diesjährigen Ostermärschen protestieren wir vor allem dagegen, dass ab 2026 US-Raketen in Deutschland stationiert werden sollen. Eine Entscheidung der USA-Regierung, die von der Scholz-Regierung einfach so akzeptiert wurde – ohne jegliche Debatte darüber, weder in der Regierung noch im Bundestag. Mit der Demonstration gegen die US-Raketen sprechen wir uns zugleich für Frieden aus, denn die US-Raketen würden ein vorrangiges Ziel für einen Gegenschlag darstellen, falls es zu einem Krieg kommen sollte, der in einen nuklearen Krieg münden und in Europa ausgetragen würde.

Was hat nun diese Forderung mit Kuba zu tun? Es gibt mehrere Berührungspunkte. Zum einen wird in Form einer Finanz-, Handels- und Wirtschaftsblockade gegen Kuba ein Wirtschaftskrieg geführt, ein Krieg, in dem zwar keine Bomben geworfen oder Raketen abgefeuert werden, aber die Blockademaßnahmen genauso tödlich wirken wie Bomben. Zum Beispiel starben durch die Verweigerung von medizinischer Hilfe, ganz konkret der Lieferung von medizinischem Sauerstoff, als die kubanische Sauerstoffproduktion aufgrund von Ersatzteilmangel zum Erliegen kam, allein während der Corona-Pandemie ca. 1.000 Kubaner. Auch dieses Fehlen von Ersatzteilen ist eine Folge der Blockade. Es handelt sich also um eine Menschenleben verachtende, verbrecherische Blockade, die keine Rücksicht auf unschuldige Menschen kennt. Dieser Wirtschaftskrieg, der zu einer kaum vorstellbaren Verschlechterung der Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischer Betreuung der kubanischen Bevölkerung führt, muss ersetzt werden durch einen Frieden zwischen den USA und Kuba als gleichberechtigte Nationen, wie es die UN-Charta vorsieht. Deshalb schließt unsere Forderung nach Frieden auch die Beendigung des Wirtschaftskrieges gegen Kuba ein.

Wenn wir hier unsere Stimme gegen die Stationierung der US-Raketen erheben, sollten wir uns an die sogenannte Kubakrise 1962 erinnern. Nach dem Scheitern der von den USA unterstützten militärischen Invasion in Kuba 1961, um den Sturz der revolutionären Regierung herbeizuführen, war es zwingend erforderlich, eine Wiederholung eines solchen militärischen Abenteuers zu verhindern. Deshalb wurden sowjetische Raketen zur Abschreckung auf Kuba stationiert. Die USA sahen darin eine Gefahr für ihre Sicherheit. Dazu eine Anmerkung: Hat also nicht jeder Staat das Recht, dass seine Sicherheitsinteressen respektiert werden, wenn Raketen mit entsprechender Reichweite in der Nähe seiner Grenzen installiert werden? Die USA brachten die Welt durch die sogenannte Kubakrise an den Rand eines nuklearen Weltkrieges. Die Krise wurde dadurch beigelegt, dass keine sowjetischen Raketen auf Kuba stationiert wurden und die USA das Versprechen abgaben, Kuba in Zukunft nicht mehr zu überfallen, und ihre gegen die Sowjetunion gerichteten Raketen in der Türkei abbauten. Diesem Beispiel der gegenseitigen Respektierung von legitimen Sicherheitsinteressen sollte gefolgt werden.

Und schließlich gibt es noch einen weiteren Berührungspunkt. Der diesjährige Ostermarsch findet in Berlin heute am 19. April statt. Damit fällt er genau auf den Tag der Internationalen Solidarität mit Kuba. Warum ist der 19. April der Tag der Internationalen Solidarität mit Kuba? Seit die jungen kubanischen Revolutionäre 1959 den US-gestützten Diktator Batista aus Kuba vertrieben haben, versuchen die US-Regierungen mit allen illegalen Mitteln, diese neue freie Gesellschaft zu zerstören. Ein Beispiel für ihren Terror war die schon von mir erwähnte Invasion in der Schweinebucht am 17. April 1961. Das war ein von der US-Administration organisierter militärischer Angriff auf Kuba. Er sollte die vom Volk breit unterstützte Revolutionsregierung unter Fidel Castro stürzen, die sozialen Errungenschaften beseitigen und die alten Herrschaftsverhältnisse wieder herstellen. Am 19. April 1961, nach nur drei Tagen, waren die Invasionstruppen von der kubanischen Armee und den Milizen besiegt. Das kubanische Volk hatte den Invasoren eine vernichtende Niederlage beigebracht. In Erinnerung an diesen Sieg wird nunmehr der 19. April als Tag der internationalen Solidarität mit Kuba begangen.

Für mich ist das diesjährige Zusammenfallen mit dem Ostermarsch ein sehr willkommener kalendarischer Zufall, der uns die Gelegenheit gibt, unser Eintreten für den Frieden mit einer Bekundung unserer Solidarität mit dem durch die völkerrechtswidrige US-Blockade geschundenen kubanischen Volk zu verbinden. Mich schmerzt es sehr, wie die kubanische Bevölkerung durch den Wirtschaftskrieg unsäglichen Leiden ausgesetzt ist, und nur, weil Kuba von seinem durch die UN-Charta verbrieften Recht Gebrauch macht, in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts selber über seine gesellschaftliche Entwicklung ohne Einmischung von außen zu entscheiden. Nur weil den USA dieser durch das Ergebnis eines demokratischen Volksentscheids legitimierte Entwicklungsweg hin zu einer alternativen Gesellschaftsform missfällt, maßen sie sich das Recht des Stärkeren an, das kubanische Volk für diese demokratisch gefasste Entscheidung zu bestrafen und darüber hinaus auch andere Länder durch Androhung von Sanktionen zu zwingen, sich der Blockade anzuschließen.

In seinem Kampf für die Aufhebung der Blockade, für die Beendigung des Wirtschaftskrieges verdient Kuba unsere uneingeschränkte Solidarität. Als erster Schritt muss Kuba von der Liste angeblich Terror unterstützender Staaten gestrichen werden, um dem damit verbundenen Ausschluss vom internationalen Finanzsystem ein Ende zu bereiten. Kuba unterstützt keine Terroristen, sondern übt ganz im Gegenteil Solidarität mit anderen Völkern, steht an erster Stelle, wenn es darum geht, anderen Ländern bei Naturkatastrophen medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten oder Alphabetisierungskampagnen zu unterstützen. Solidarität bedeutet für Kuba nicht abzugeben, was man übrig hat, sondern das Wenige zu teilen, das man selber hat. Das ist wahre Solidarität.

Es lebe die Solidarität mit Kuba! Hoch die internationale Solidarität! Danke für eure Aufmerksamkeit.

 

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