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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ein Antrag und sein Werdegang

Ellen Brombacher und Wolfgang Gehrcke, Berlin

 

1. Am 13. November 2018 begannen wir, für den Antrag »Für friedliche Beziehungen zu Russland – der Vergangenheit und der Zukunft wegen« Unterschriften von Miteinreichern zu sammeln. Mit den Unterschriften von 241 Genossinnen und Genossen sowie der KPF, Cuba Sí und dem BV Hamburg-Mitte reichten wir den Antrag am 12. Dezember 2018 ein.

2. Wir haben von Anbeginn öffentlich darauf aufmerksam gemacht, dass wir befürchten, dass der Antrag auf dem Parteitag nicht zur Behandlung gelangt und Zeitgründe als dafür ausschlaggebend angegeben würden. Wir haben von Anbeginn gefordert, dass für diesen Antrag Zeit sein muss. Der Antrag und die Notwendigkeit ihn zu behandeln wurden mit dem Ausstieg der USA aus dem INF-Vertrag am 1. Februar 2019 noch dringlicher.

3. Am 27. Januar 2019 positionierte sich der Parteivorstand erstmalig zu den – neben dem Leitantrag – eingereichten weiteren Anträgen. Der Geschäftsführende Parteivorstand hatte dem PV in seiner Vorlage empfohlen, dass durch zwei PV-Mitglieder ein Ersetzungsantrag erarbeitet wird. Dies spielte letztlich keine Rolle mehr, auch nicht nach dem 27. Januar 2019.

4. Die Diskussion im Parteivorstand verlief kontrovers. Auf die Pro- und Contra-Argumente soll hier nicht eingegangen werden. Im Rahmen der Debatte unterbreitete Thies Gleiss (AKL) den Vorschlag, den ersten Teil des Antrages P.1 in die Begründung zu verlagern und nur die im zweiten Teil formulierten sieben Punkte zum eigentlichen Antrag zu erklären. Dies, so Thies Gleiss, würde die Zustimmungschancen für diesen Antrag erhöhen und zugleich seien dessen entscheidende Positionen ohnehin in den sieben Forderungspunkten enthalten.

5. Am 28. Januar 2019 informierte uns Andrej Hunko im Auftrag des Parteivorstands, dass – wenn die Initiatoren den Vorschlag von Thies Gleiss akzeptierten – der PV den Antrag übernehmen würde. Wenn die Initiatoren zu einem Ergebnis gekommen seien, wäre Harald Wolf unser Verhandlungspartner.

6. Die Initiatoren des Antrages verständigten sich darauf, den Vorschlag von Thies Gleiss im Wesentlichen aufzugreifen. Im Wesentlichen besagt: Die ersten drei Absätze des Textteils, der den sieben Punkten vorausgeht, bleiben im Rahmen des Antrages erhalten. Die verbleibenden Abschnitte dieses Textteils werden Bestandteil der Antragsbegründung. Über diese Modifizierung sprachen wir mit Thies Gleiss, der sein Einverständnis hiermit erklärte.

7. Am 30. Januar 2019 fand das Gespräch mit Harald Wolf statt. Ellen Brombacher informierte ihn über den von den Initiatoren überarbeiteten Antrag. Harald Wolf teilte mit, er würde zu diesem Antrag P.1-NEU Rücksprache nehmen. Das Gespräch verlief in angenehmer Atmosphäre. Ellen Brombacher teilte Harald Wolf mit, dass unmittelbar nach diesem Gespräch an alle per E-Mail erreichbaren Mitantragsteller der Antrag P.1-NEU mit einem erläuternden Anschreiben übermittelt wird, sodass jede und jeder entscheiden kann, ob sie oder er die Unterstützung aufrecht erhält. Niemand hat seine Unterschrift zurückgezogen. Harald Wolf erhielt die eben erwähnte E-Mail zeitgleich. Der Antrag P.1-NEU wurde am 2. Februar 2019 fristgerecht eingereicht.

8. Bis unmittelbar vor dem Parteitag, also bis zum 20. Februar 2019, geschah nichts. Dann schlug Matthias Höhn eine weitere Veränderung des Antrages und die Einreichung einer erneuten Neufassung des Antrages P.1 durch uns vor. Er würde sich dann »für eine Annahme massiv verwenden«. Wir lehnten dieses Ansinnen aus folgenden Gründen ab: (a) Es waren drei Wochen Zeit, um Änderungsvorschläge zum Antrag P.1-NEU zu machen. (b) Es gab eine Beschlusslage des Parteivorstands vom 27. Januar 2019, der wir Rechnung getragen hatten. (c) Mit den uns konkret von Matthias Höhn vorgeschlagenen Änderungen konnten wir uns inhaltlich nicht identifizieren. Hinzu kommt, dass wir für weitere Veränderungen von den 241 Miteinreichern kein Mandat hatten.

9. Auf dem Bonner Parteitag wurden alle Chancen vertan, weitere Anträge zu behandeln, darunter auch unser Antrag P.1-NEU. Das nahm seinen Anfang mit der Ablehnung unseres Antrages zum Zeitplan, mit der Behandlung weiterer Anträge bereits am ersten Tag des Parteitages durch eine halbstündige Verlängerung zu beginnen. Noch einmal sprach Wolfgang Gehrcke mit Katja Kipping, die ihm vor dem Parteitag gesagt hatte, sie würde sich für die Behandlung des Antrages einsetzen. Katja Kipping sagte Wolfgang Gehrcke nunmehr, sie könne sich nicht für den Antrag einsetzen, solange ein Goebbels-Vergleich in der Begründung stünde [1]. Wenngleich es mehr als unüblich ist, Begründungen zu behandeln, als seien sie ein Antragsbestandteil, und wenngleich es keinerlei Verletzung der »politischen Korrektheit« darstellt, wenn ein Zitat aus einer Zeitschrift mit der Sprache Goebbels‘ verglichen wird – zumal dieser Vergleich auf der Hand liegt – zogen wir die Begründung sofort zurück und hätten dies bei Behandlung des Antrages auch im Tagungssaal mitgeteilt. Nun wurde von uns gefordert, dies schriftlich zu tun, damit es allen Delegierten vorgelegt werden kann. Da es absolut unüblich ist, das Zurückziehen einer Begründung schriftlich zu begründen und sich uns der Sinn dieses Wunsches nicht erschloss, lehnten wir das ab.

10. Am Ende des Parteitages, als der Vorschlag der Antragskommission »Abstimmungsreihenfolge und Überweisungsvorschlag für weitere Anträge« behandelt wurde, stellte Ellen Brombacher den GO-Antrag, sich noch 30 Minuten für die Behandlung weiterer Anträge zu nehmen. Der Umgang des Tagespräsidiums mit diesem Antrag verbrannte genau 25 Minuten mit Verfahrensfragen – eine Zeit, die gereicht hätte, um zumindest die dringendsten Anträge zu behandeln. Wolfgang Gehrcke und Ellen Brombacher gaben anschließend persönliche Erklärungen ab, in denen sie ihr Unverständnis über die Nichtbehandlung der Anträge zu Russland und Venezuela zum Ausdruck brachten.

11. Der Parteitag endete um 19:15 Uhr und die Versammlung der Vertreterinnen und Vertreter sollte laut Ansage des Arbeitspräsidiums um 19:30 Uhr beginnen. Um 19:30 Uhr spielte auf der Bühne eine Musikgruppe – bis 19:55 Uhr. Wir möchten das nicht kommentieren.

12. Von den überwiesenen Anträgen des Bonner Parteitages beschloss der Bundesausschuss die Unterstützung des »Aktionstages gegen Rassismus am 16. März« sowie die »Unterstützung der Bundestagspetition ›Eigenanteil bei stationärer Pflege begrenzen!‹«. Nach einer begrenzten Debatte sprach sich der Bundesausschuss mehrheitlich für den überwiesenen Antrag »Nein zum neuen Polizeigesetz Brandenburg« aus. Außerdem wurden die Anträge zu »Lateinamerika« sowie »Für friedliche Beziehungen zu Russland – der Vergangenheit und der Zukunft wegen« mehrheitlich beschlossen. [2]

 

Anmerkungen:

[1] Die Passage aus der Antragsbegründung lautete: »In der Zeitschrift Geo, die man nicht unbedingt in der ersten Reihe militaristischer Scharfmacherei vermutet, wird zur Rechtfertigung der Stationierung der Bundeswehr an der russischen Grenze geschichtsvergessen ein frischer Angriffsgeist von der ›Truppe‹ gefordert: ›Die Deutschen sollen in Adazi üben, anzugreifen. ... Den Angriff haben die Deutschen vernachlässigt. Schnell entscheiden, schnell handeln. Jetzt wo der Gegner wieder Russland heißt und so nah ist, sind diese Fähigkeiten gefragt.‹ Ein an Goebbels erinnernder Sprachgebrauch, der in seiner berüchtigten Sportpalastrede 1943 nach Stalingrad forderte: ›Es muss schnell und gründlich gehandelt werden, sonst ist es zu spät.‹«

[2] Protokolle, Sofortinformationen und Beschlüsse des Bundesausschusses sind zu finden unter: www.die-linke.de/partei/parteistruktur/bundesausschuss/bundesausschuss-2018-2019.

 

Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«: 

2019-04: Einreichung des Antrages P.1-NEU 

2019-03: Um existentielle Vernunft geht es

2019-02: Wir sind da, und wir bleiben da

 

Mehr von Wolfgang Gehrcke in den »Mitteilungen«: 

2019-02: Vor 50 Jahren: Erstes Weißbuch der Bundeswehr

2018-10: Als der Krieg nach Deutschland zurückkam

2017-12: 100 Jahre Oktoberrevolution – Ein Blick auf das Unmögliche