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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die Remilitarisierung begann vor 60 Jahren

Heinz Stehr, Elmshorn

 

1954 war ein in mancher Hinsicht entscheidendes Jahr für die Entwicklung der BRD. 60 Jahre sind seither vergangen.

Nach dem Sieg der Alliierten über den Faschismus, nach der Gründung der BRD im Juni und der DDR im Oktober 1949, war 1954 die politische Weichenstellung für die Zukunft der BRD als antikommunistischer Frontstaat abgeschlossen. In dieser Zeit erfolgte die Remilitarisierung und der Aufbau der Bundeswehr als NATO-Armee. 1956 wurde dann die KPD verboten.

Die Geschichte der BRD wurde und wird durch Falschdarstellungen und direkte Lügen umgedeutet. Antifaschismus, Entnazifizierung, Umsetzung des Potsdamer Abkommens - all das gab es höchstens 1945/46. Danach ging es um die Ausrichtung der drei West-Zonen und später der BRD gegen die Sowjetunion und die Einordnung in das kapitalistische, imperialistische Weltsystem unter Führung der USA.

Eine wirkliche Aufarbeitung des Faschismus war nicht gewollt, im Gegenteil: Man setzte den Antikommunismus fort und knüpfte auch an rassistische und chauvinistische Ressentiments an. In der Wirtschaft behielten die Förderer und Profiteure des Faschismus ihre Machtpositionen. Im politischen System bestimmten alte Nazis und deren Zuträger. In der Gesellschaft dominierte also die Elite, die bereits im Faschismus das Sagen hatte. Weder über die Gründung der BRD noch über das Grundgesetz, die Einführung der D-Mark oder über die Remilitarisierung gab es demokratische Volksentscheidungen. Die Besatzer und ihre Freunde in den bürgerlichen Parteien und in Teilen der SPD bestimmten den Gang der Geschichte: den Ausbau der BRD als Bollwerk gegen die sich herausbildenden Staaten Europas, die an der Seite der Sowjetunion den Weg des Sozialismus wählten.

Der BRD kam die Rolle des Schaufensters des Kapitalismus zu. Deutschland wurde gespalten, weil die Herrschenden in den USA, in England und Frankreich in Übereinstimmung mit Adenauer lieber "das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb" (Originalton Adenauer) wollten.

Die Opfer dieser Politik waren fortschrittliche, demokratisch gesinnte, antifaschistische Menschen, vor allen aber Kommunistinnen und Kommunisten, die oft schon in der Zeit des Faschismus verfolgt worden waren.

Remilitarisierung - Pariser Verträge

Adenauer erklärte am 22. März 1952 in der "Stuttgarter Zeitung": "Die Sowjetunion ist unser Todfeind. Die Wiederaufrüstung soll die Vorbereitung einer Neuordnung in Osteuropa sein". Und Strauß äußerte in der Zeitung "Die Welt" vom 14. November 1956: "Es gibt nur noch den Fall Rot". Es komme darauf an, "das Reich der Sowjetunion von der Landkarte zu streichen".

Adenauer leugnete im Dezember 1949 im Bundestag auf Fragen der KPD-Abgeordneten zur geplanten Aufrüstung jegliche diesbezügliche Absicht. Doch bereits am 22. November 1949 hatten Adenauer und die Hohen Kommissare der westlichen Besatzungsmächte das Petersberger Abkommen zur Remilitarisierung unterschrieben.

Der Wahrheit entspricht auch: Schon im Dezember 1948 erteilte der Kanzler dem ehemaligen Hitler-General Speidel den Auftrag, im Geheimen eine Aufstellung über Umfang und Charakter einer zukünftigen westdeutschen Aufrüstung zu verfassen (News Chronicle, London, 25. Januar 1952).

Am 4. Dezember 1949 sprach sich Adenauer in einem Interview mit der US-Zeitung "The Plain Dealer" für eine autorisierte deutsche Streitmacht aus, als Abteilung unter einem europäischen Oberkommando. Im ersten Halbjahr 1951 verhandelten die Nazigenerale Heusinger und Speidel mit militärischen Sachverständigen der westlichen Besatzungsmächte. Das Ergebnis: 12 westdeutsche Divisionen mit 250.000 Soldaten sollten aufgestellt und ausgerüstet werden. Am 30. August 1954 lehnte die französische Nationalversammlung die EVG ab. Am 23. Oktober 1954 wurde als Ersatz hierfür die WEU gegründet: Mit der BRD, aber ohne Frankreich! Es folgte ebenfalls 1954 die Unterzeichnung der Pariser Verträge. Diese wiederum führten 1955 zur Eingliederung der BRD in die NATO und zur Wehrpflicht. Auch die Beteiligung an der atomaren Aufrüstung war vorgesehen.

Der Widerstand der KPD

Mit der Remilitarisierung entwickelte sich der Widerstand dagegen. Die "Ohne mich"-Bewegung organisierte 1951 ein Treffen in Essen. 1.700 Vertreter aller Bevölkerungsschichten - Sozialdemokraten, Kommunisten, bürgerliche und kirchliche Kreise - beschlossen, eine Volksbefragung durchzuführen: Gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland noch im Jahre 1951. Diese Aktion wurde am 28. April 1951 durch die Bundesregierung verboten. Mehr als 9 Millionen Menschen wurden dennoch befragt, z.B. die 30.000-köpfige Belegschaft der BASF. Die übergroße Mehrheit der Teilnehmer an dieser Aktion votierte gegen Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag. Meine Eltern beteiligten sich ebenfalls an diesen politischen Kämpfen. Der Erfolg war, dass die Aufrüstung um einige Jahre verschoben wurde. Zugleich gab es in dieser Zeit massive antikommunistische Verfolgungen. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und andere Organisationen wurden in Westdeutschland 1951 verboten. Hausdurchsuchungen, Anklagen und Verfolgungen nahmen zu. Der Verbotsantrag gegen die KPD wurde 1951 gestellt.

Die SPD-Führung orientierte ihre Mitgliedschaft antikommunistisch. Hauptsächlich ging es gegen die DDR und die KPD. Leitende Funktionäre der FDJ und KPD wurden verfolgt und auf der Grundlage des "Blitzgesetzes" von 1951 verurteilt. Die Gewerkschaftsbewegung wurde - diese Umwandlung vollzog sich etwa bis 1954 - von einem Faktor des Protestes gegen Remilitarisierung zu einer die Bundesregierung in dieser Frage unterstützenden Kraft.

In dieser zutiefst restaurativen Situation wurde im Programm der KPD von 1952 zur nationalen Wiedervereinigung voluntaristisch der Sturz der Adenauer-Regierung durch einen unversöhnlichen revolutionären Kampf gefordert. Dieser gravierende politische Fehler half dem Adenauer-Regime und den rechten SPD-Führern, die KPD und fortschrittliche Bewegungen zu isolieren und zu bekämpfen.

Hinzu kam: Im Programm wurden SPD- und DGB-Führungen undifferenziert als mit den "amerikanischen, englischen und französischen Okkupanten verbunden" dargestellt, als "wichtiges Glied in dem von den Amerikanern geschaffenen System des Bonner Regimes". Dieses pauschale Herangehen, das durch die KPD selbst im Jahr 1954 kritisiert wurde, schadete dem Zustandekommen eines breiten Bündnisses und der Aktionseinheit.

Am 17. Juni 1953 erhielt der Antikommunismus durch die Ereignisse in der DDR eine neue Dimension. Hasstiraden gegen die KPD-Mitglieder waren eine Folge. Auch dies habe ich am 1. Mai 1954 miterlebt, als Gewerkschafter meinen Vater der Maikundgebung verweisen wollten. Der Widerstand gegen die Remilitarisierung sollte vor allem mit dem Antikommunismus mundtot gemacht werden. Dies blieb nicht ohne Erfolg.

Einige Schlussfolgerungen

Der KPD-Parteitag 1954 in Hamburg zog eine Bilanz des antimilitaristischen Kampfes und formulierte neue Aufgaben.

Die Remilitarisierung durch die Unterzeichnung der Pariser Verträge hatte nur neun Jahre nach der Zerschlagung des Faschismus eine neue gefährliche Situation in Europa geschaffen. Eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands war nicht mehr denkbar. Die Weichen zu einem neuen Krieg, vor allem gegen die sozialistischen Länder, wurden gestellt.

Die vielen Versuche - so z.B. unter der Losung "Deutsche an einen Tisch" -, eine durchsetzungsfähige demokratische Volksbewegung zu schaffen, scheiterten letztendlich.

Mit den auf dem Hamburger KPD-Parteitag am 30. Dezember 1954 beschlossenen Thesen sowie dem "Manifest: An das deutsche Volk!" versuchten die Kommunistinnen und Kommunisten eine erneute Mobilisierung der Antikriegskräfte zu befördern. Aber die herrschende Klasse hatte bereits die entscheidenden Positionen besetzt. Das Verbot der KPD 1956 war Ausdruck dieser Niederlage der Arbeiterbewegung.

Es konnte die Partei der Kommunistinnen und Kommunisten der BRD allerdings nicht zerstören oder vernichten.

Heute sind sowohl eine gründliche Darstellung dieser Entwicklungsprozesse als auch die Diskussion über diesen Abschnitt in der Geschichte Deutschlands nötig. Bisher wissen große Teile der Bevölkerung nur bruchstückhaft etwas über die politischen Zusammenhänge dieser Zeit.

In den Schulen und Bildungseinrichtungen sind die Darstellungen mehr als dürftig. Es brauchte immerhin 50 Jahre, bis ein Bundespräsident anlässlich des 8. Mai 1945 von der Befreiung Deutschlands sprach und den kommunistischen Widerstand gegen das Naziregime öffentlich benannte.

Als die Jugend- und Studentenbewegung um 1968 auch die faschistische Vergangenheit der Mächtigen in Bildung, Wirtschaft und Politik entlarvte, wurde die gesamte Staatsmacht gegen die Rebellion eingesetzt. Benno Ohnesorg wurde erschossen. Rudi Dutschke überlebte zwar zunächst ein Attentat, starb aber wenige Jahre später an dessen Folgen.

Die alten Machtverhältnisse waren wieder hergestellt. Die ökonomische Entwicklung wurde als "Wirtschaftswunder" propagandistisch genutzt. Der Kapitalismus gewann letztendlich die ökonomische und die politische Schlacht gegen den Sozialismus in Europa.

Gerade deshalb müssen in der kommunistischen und linken Bewegung die historischen Erfahrungen analysiert werden, um daraus Schlussfolgerungen für die Zukunft zu ziehen. Fragen, die sich aus meiner Sicht stellen, sind z.B.:

  • Es gibt immer Alternativen zum Handeln und für politisch strategische Entscheidungen. Wäre die beharrliche Fortsetzung der Politik zur Wiedervereinigung Deutschlands eine Möglichkeit kommunistischer Politik gewesen, trotz der Existenz zweier deutscher Staaten?
  • Warum gelang es nicht, die breite bündnispolitische Konzeption des Antifaschismus, wie im Aufruf der KPD im Juni 1945 formuliert, auch in den 50er Jahren weiterzuführen? Welchen Anteil hatte der Gegner, der den Antikommunismus gezielt entwickelte und ausbaute, und welches waren die eigenen Fehler, die schließlich zu der Losung führten, die Adenauer-Regierung durch unversöhnlichen revolutionären Kampf zu stürzen? Führte die Erneuerung des alten, undifferenzierten Feindbildes SPD auch zur Schwächung der Bewegung gegen die Remilitarisierung?
  • Angesichts des heraufziehenden Verbots der KPD wurden politische Inhalte, für die Kommunistinnen und Kommunisten standen, kriminalisiert. Tausende wurden inhaftiert, sie sind bis heute nicht rehabilitiert. Ausdruck dieser Kommunistenverfolgung waren später die Berufsverbote, von denen 10.000 junge Menschen direkt betroffen wurden. Warum gelang es in Deutschland bisher nie, bürgerlich-demokratische Grundsätze zu verfechten, ohne auf Antikommunismus zu treffen? Das Bürgertum hat bisher immer den reaktionären Weg gewählt, wenn gesellschaftliche Widersprüche sich zuspitzten. Die reformistische Linke verhielt sich in entscheidenden historischen Situationen immer systemkonform und wählte den Weg der kapitalistischen Gesellschaftsordnung!

Heute befinden wir uns erneut in einer Umbruchphase. Noch ist unklar, welche Richtungen sich wie durchsetzen werden. Zur Diskussion unter linken Kräften und in der kommunistischen Bewegung und deren Parteien und Organisationen gehört unbedingt die Einbeziehung der historischen Erfahrungen, um erfolgreicher zu werden!

Genosse Heinz Stehr war von 1990 bis 1996 einer der vier gleichberechtigten Sprecherinnen und Sprecher und bis 2010 Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei und ist Mitherausgeber der "Marxistischen Blätter".

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