Die NATO ist keine andere geworden
Ellen Brombacher, Berlin
Ja, es ist ein völkerrechtswidriger Krieg. Auch dieser Krieg.
Es zerreißt mich, wenn ich allabendlich die Bilder sehe. So, wie es mich jedes Mal zerreißt, wenn Bomben auf Gaza fallen. Denn ich kann nicht an Israel denken, ohne die ermordete Familie meiner Mutter vor Augen zu haben.
Und ich kann auch nicht an Russland denken und die 27 Millionen ermordeter sowjetischer Menschen darüber vergessen, die das Land zu verantworten hat, in dem wir leben.
Der Russenhass, den wir jetzt alltäglich erleben, ist unerträglich. Dem müssen wir uns entgegenstellen. Soweit zu meinen Gefühlen.
Vor ein paar Tagen sprach ich mit einem jungen Ehepaar aus entfernterer Verwandtschaft. Die fanden den Krieg furchtbar und hatten zugleich die Frage, warum dieser Krieg so große Anteilnahme erfährt und andere unter »ferner liefen« stattfinden; Warum die einen Flüchtlinge so und die anderen so behandelt werden. Sie waren erleichtert, dass ich ihre Sicht teile und merkten an, dass man kaum noch offen reden könne.
Ich will hier offen reden: Es ist keine Relativierung russischer Verantwortung für den Krieg in der Ukraine, wenn man nicht verschweigt, welche jahrzehntelangen Prozesse zu dem beigetragen haben, was jetzt ist. Diese Prozesse zu verschweigen bedeutet vielmehr, Menschen massenhaft zu manipulieren.
Die Mitverantwortung des Westens für diesen Krieg, vor allem durch die NATO-Osterweiterung und die völlige Missachtung russischer Sicherheitsinteressen verschwindet nicht mit dem 24. Februar 2022. Tut man aber so, als sei die Mitverantwortung des Westens verschwunden, so ändert man seine Position zur NATO nicht, weil die NATO eine andere geworden ist, sondern weil man ein anderes Parteiprogramm will.
Das ist nicht erst seit dem 24. Februar 2022 der Fall, sondern schon lange. Mit dem Krieg gegen die Ukraine scheint nun der Zeitpunkt gekommen, sich mit einer Pro-NATO-Position durchsetzen zu können.
DIE LINKE würde einen solchen Kurswechsel möglicherweise nicht überleben.
(Diskussionsbeitrag auf dem Berliner Landesparteitag der LINKEN am 2. April 2022)
Mehr von Ellen Brombacher in den »Mitteilungen«:
2022-05: Ist das jetzt erlaubt?
2022-03: Doppelte Standards
2022-01: Kurzinformation über den Online-Parteitag der Berliner LINKEN