DIE LINKE wird gebraucht - Zur Bundestagswahl 2013
Wulf Kleus, Düsseldorf
DIE LINKE ist oft die einzige im Bundestag vertretene Partei, die in wichtigen gesellschaftlichen Fragen oppositionelle Ansichten vertritt. So lehnte sie die milliardenschweren Bankenrettungen, deren Kosten auf Erwerbslose, Rentner und Arbeitende abgewälzt werden, wie auch den Europäischen Fiskalpakt ab, der den politischen Einfluss gewählter Parlamente auf ein Minimum zurechtstutzt und brutalen Sozialkahlschlag verordnet. Sie machte die braune Staatsaffäre im Zusammenhang mit den NSU-Morden zum öffentlichen Thema, während die Union jede Aufklärung bis heute blockiert, und sie wendet sich entschieden gegen die eskalierende Rolle der Bundesregierung im Syrien-Konflikt. Bereits dieser kurze Auszug von politischen Ereignissen der vergangenen Monate macht deutlich, wie sehr eine starke LINKE als Oppositionskraft gebraucht wird.
Eine Parteienallianz zugunsten der Konzerne
Auch dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel scheint allerdings nicht entgangen zu sein, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst, dass sich insbesondere die kritischen Stimmen gegen die staatliche Absicherung spekulativer Geschäfte der Banken mehren. So hat der SPD-Chef, begleitet von erstaunlich hoher Medienresonanz, die DIE LINKE bei vergleichbaren Auftritten nie erhält, jüngst behauptet, seine Sozialdemokratie würde "viel glaubwürdiger" als die schwarz-gelbe Bundesregierung für die Bändigung der Banken und Spekulanten eintreten und schlug eine Reihe von Maßnahmen zur Regulierung des Finanzsektors vor, welche auch DIE LINKE bereits seit längerer Zeit fordert. Die SPD inszeniert sich hierbei als soziale Kraft gegen die Allmacht der Banken – sie tut dies aber aus reinem Wahlkampfkalkül. Denn die an sich vernünftig klingenden Versprechen Gabriels stehen in deutlichem Gegensatz zur realen Politik, die die SPD seit Jahren nahezu unverändert betreibt. So hat sie bisher allen Bankenrettungspaketen zugestimmt, zuletzt der 100-Milliarden-Euro-Hilfe für Spanien und dem Euro-Rettungsschirm ESM. Die SPD-Bundestagsfraktion stimmte darüber hinaus gemeinsam mit den Grünen und der Regierungskoalition für den demokratiefeindlichen und unsozialen Fiskalpakt.
Auch in außenpolitischen Fragen unterscheiden sich Union, FDP, Grüne und SPD nicht wesentlich voneinander. Wäre es nach dem Willen der SPD und den Grünen gegangen, so hätte die Bundesregierung 2011 sogar dem Krieg gegen Libyen zustimmen sollen. Beide Fraktionen haben im Frühjahr 2012 Anträge in den Bundestag eingereicht, die Deutschlands damalige Enthaltung im UN-Sicherheitsrat bezüglich der Libyen-Intervention scharf verurteilen. Sie fordern darin außerdem die Weiterentwicklung des "responsibility to protect"-Konzepts, welches letztlich – ganz im Interesse der mächtigsten imperialistischen Staaten – die selektive Legitimierung weltweiter Militärschläge möglich macht.
Untersuchte man die Ideologien dieser Parteien, so käme man nach Ansicht des italienischen Philosophen Dominico Losurdo zu dem Ergebnis, dass es sich mittlerweile weniger um Parteien im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um "verschiedene Fraktionen derselben Partei" handele. Ein Parteienbündnis aus Union, FDP, SPD und Grünen macht hierzulande Politik zugunsten der Banken und Konzerne, bürdet die Krisenlasten der Bevölkerungsmehrheit auf und setzt sich für gewaltsame Interventionen in andere Staaten ein. Vor diesem Hintergrund wirkt die Aufforderung an DIE LINKE, sie solle von ihrer vermeintlichen "Wir gegen alle"-Strategie endlich Abstand nehmen, abenteuerlich. Viele Wähler und Sympathisanten unserer Partei wissen es vielmehr zu schätzen, dass DIE LINKE dieser unseligen Parteienallianz gerade nicht angehört und stattdessen Politik im Interesse der Bevölkerungsmehrheit macht.
Angriffe gegen DIE LINKE werden nicht aufhören
Es gibt also eine Reihe von grundlegenden Positionen, die nur noch DIE LINKE vertritt. Aber ob ihre politischen Botschaften bei den Menschen auch ankommen, unterliegt nicht allein ihrem Einfluss. So berichtete jüngst das Neue Deutschland über eine interessante Studie des Kölner Instituts für empirische Meinungsforschung (IFEM) zur Parteienpräsenz in den wichtigsten Fernsehnachrichten [1]. Das Kölner Institut fand heraus, was viele Linke schon längere Zeit kritisierten oder zumindest vermuteten, aber von den Meinungsmachern stets als "Verschwörungstheorie" abgetan wurde, dass nämlich Positionen der LINKEN in den Fernsehnachrichten der privaten wie auch der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten weitgehend ignoriert werden. Würde man darüber hinaus danach differenzieren, wie viele dieser Berichte über DIE LINKE eher informativen Charakter hatten oder primär der Delegitimierung linker Positionen dienten, so würde die meinungsmanipulative Rolle der Mainstreammedien noch deutlicher sichtbar werden. Erinnert sei nur an die denunziatorischen Angriffe gegen DIE LINKE im Zusammenhang mit der Kommunismus-Debatte und den Geburtstagsglückwünschen der Parteivorsitzenden an Fidel Castro, oder denken wir an den Versuch, die Partei als antisemitisch zu diffamieren.
DIE LINKE war in den Monaten im Vorfeld des Göttinger Parteitages einer massiven Kampagne ihrer Gegner ausgesetzt, die sich nicht darauf beschränkte, sie lediglich zu schwächen, vielmehr ging es "um Liquidationsprozesse, da die Herrschenden auf Grund ihrer eigenen Lage prinzipiellem Widerstand die strukturellen Möglichkeiten nehmen wollen" [2]. Aber wenngleich DIE LINKE in diesem Jahr empfindliche Wahlniederlagen erlitt, so zeigen doch die aktuellen Reaktionen der Mainstreammedien auf die Ergebnisse des Göttinger Parteitages, dass der Liquidierungsprozess noch nicht zu dem von ihnen ersehnten Erfolg geführt hat. Und nicht zuletzt nach dem guten Wahlergebnis von Syriza in Griechenland werden die herrschenden Eliten ihr Ziel umso engagierter verfolgen. Denn der Wahlerfolg des griechischen Linksbündnisses war zwar auch für die anderen europäischen Linksparteien wichtig. Er war aber zugleich ein Warnsignal für das Establishment, weil er gezeigt hat, dass es möglich ist, massenhafte Enttäuschung und Empörung über soziale Missstände nach links und gegen die herrschende Politik zu orientieren. Jene, die an der kapitalistischen Ordnung festhalten wollen, werden zu verhindern versuchen, dass linke Parteien auch in den anderen europäischen Ländern an Einfluss gewinnen, dies gilt insbesondere für Deutschland. Die Herrschenden werden daher ihre Angriffe gegen DIE LINKE fortsetzen, vor allem in den Monaten vor der Bundestagswahl.
Innerparteiliche Polarisierungen vermeiden
DIE LINKE zu schwächen, gelang ihren politischen Gegnern regelmäßig dann besonders effektiv, wenn sie ihr innerparteiliche Debatten aufdrängen konnten, bei denen absehbar war, dass diese einen für die Partei destruktiven Verlauf nehmen würden. Die innerparteilichen Auseinandersetzungen wurden dann von den Mainstreammedien genüsslich ausgekostet. Diese zeichneten ein Bild von einer sich selbst zerfleischenden LINKEN, die sich immer nur streite, statt sich um die Sorgen der Menschen zu kümmern. Manche Steilvorlage aus den eigenen Reihen wäre in diesem Zusammenhang sicher vermeidbar gewesen, man denke nur an die ungünstige Terminlegung des Landesparteitages Mecklenburg-Vorpommern auf den Jahrestag des Mauerbaus. Fehler solcherart kann sich DIE LINKE nicht erneut leisten, wenn sie 2013 wieder in den Bundestag einziehen will. Und vor allem muss jede Art von Personaldebatten vermieden werden.
Das Establishment ist daran interessiert, das Widerstandspotential der progressiven Kräfte klein zu halten. Dies versucht es unter anderem dadurch zu erreichen, indem es ihnen die konsensorientierte politische Zusammenarbeit so schwer wie möglich macht. Dies ist beispielsweise auch Sinn und Zweck der sogenannten Extremismusklausel. Auch auf die LINKE wird diese Methode ihrem Wesen nach angewandt. So war bei nicht wenigen innerparteilichen Auseinandersetzungen, vor allem im Kontext der Programmdebatte, das Bemühen der Mainstreammedien erkennbar, die plurale Verfasstheit der Partei und damit einhergehende Meinungsunterschiede zu bestimmten Fragen auszunutzen, um einen Keil in die Partei hineinzutreiben, was sie zumindest lähmen, wenn nicht gar spalten sollte. Diesen Versuchen kann DIE LINKE nur entgegenwirken, wenn sie zu inhaltlichen Kompromissen bereit ist, die von allen Seiten der Partei, vor allem von der Parteibasis mitgetragen werden können. Hierfür bietet das in Erfurt mit sehr großer Mehrheit beschlossene Parteiprogramm eine gute Grundlage, auch für das noch zu erarbeitende Bundestagswahlprogramm. In den Kernfragen sollte dieses nicht hinter das Erfurter Programm zurückfallen. Grundsätze, auf die man sich im Rahmen der Programmdebatte geeinigt hat und die breite Unterstützung an der Parteibasis finden, dürfen nicht verwässert werden. Letzteres gilt insbesondere hinsichtlich der friedenspolitischen Prinzipien. Es ist zu hoffen, dass die politischen Grundsätze der Partei im Rahmen der Debatte um das Bundestagswahlprogramm nicht infrage gestellt werden. Denn eine innerparteiliche Polarisierung würde den bürgerlichen Medien eine ideale Vorlage bieten, um die von ihnen beabsichtigte Demontage der LINKEN fortzusetzen.
DIE LINKE hatte bei der Bundestagswahl 2009 insgesamt über 5,1 Millionen Zweitstimmen erhalten, davon kamen fast drei Millionen aus dem westlichen Bundesgebiet, einschließlich West-Berlin. Ein gutes Wahlergebnis ist auch bei der Wahl 2013 nur erreichbar, wenn es erneut gelingt, die Bedürfnisse und Interessen der Ostdeutschen wie Westdeutschen gleichermaßen anzusprechen. Wichtig wird vor allem sein, dass DIE LINKE als gesamtdeutsches Parteiprojekt klar erkennbar bleibt, nicht zuletzt deshalb, weil der Großteil der Medien – ohne das Landtagswahlergebnis in Niedersachsen vorwegnehmen zu wollen – wohl versuchen wird, der LINKEN das Image einer reinen Ostpartei anzuheften. Es liegt auf der Hand, dass es der Partei etliche Stimmen kosten würde, wenn den Medien dies glaubhaft gelänge. Der Wiedereinzug der Partei in den Landtag von Niedersachsen wäre ein wichtiger Schritt, um genau dieser Strategie der Mainstreammedien entgegenzusteuern.
Aussichten für die Bundestagswahl
Der Markenkern der Partei und ihre klare Unterscheidbarkeit zu anderen Parteien macht DIE LINKE für viele Menschen wählbar. Nur sie vertritt in den außenpolitischen, sozialen und wirtschaftspolitischen Fragen grundlegende Alternativen zur Politik der Bundesregierung. Diese Unterschiede gilt es im Wahlkampf deutlich sichtbar zu machen – insbesondere für jene, die sich nicht täglich mit Politik beschäftigen können und nicht selten glauben, was ihnen die Vertreter anderer Parteien oder die Medien erzählen. So versucht die SPD-Führung derzeit linke und soziale Themen rhetorisch zu besetzen, teilweise kopiert sie sogar Forderungen der LINKEN. Dass dies nur Wahlkampfzwecken dient, aber keine echte Linkswendung der SPD bedeutet, weiß nicht jeder Wähler. Hinzu kommt, dass die Mainstreammedien der SPD die Rolle der Opposition zuschreiben, die sie aber in Wirklichkeit nicht ausfüllt – man denke nur an ihre Zustimmung zu sämtlichen Bankenrettungspaketen. Dieselben Medien agieren allerdings heute destruktiver als noch vor einiger Zeit, wenn es gegen DIE LINKE geht, ihre Angriffe gegen die Partei haben an Schärfe deutlich zugenommen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sich die Partei mit dem Erfurter Programm für eine programmatische Ausrichtung entschieden hat, die auf erheblichen Widerspruch der Herrschenden stößt, die aber so zum Zeitpunkt der Neuformierung der LINKEN für sie nicht unbedingt vorhersehbar war.
Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Piratenpartei eine neue politische Konkurrenz entstanden ist, die auch der LINKEN Wählerstimmen streitig macht. Dies konnte man beispielsweise bei den Landtagswahlen im Saarland und in Nordrhein-Westfalen beobachten.
Inwieweit sich die Krisensituation in der Europäischen Union auch auf das Wahlverhalten bei der Bundestagswahl auswirken wird, ist derzeit nicht absehbar. Viel wird davon abhängen, ob sich möglicherweise eine ähnliche Protestdynamik entfaltet wie in den südlichen EU-Staaten. Danach sieht es aber im Moment – aus Gründen, die hier nicht zu erläutern sind – eher nicht aus.
Nicht wenige der günstigen äußeren Rahmenbedingungen, unter denen DIE LINKE 2009 noch Wahlkampf bestritt, sind also inzwischen weggefallen, neue ungünstige Umstände hinzugekommen.
Aber trotz der insgesamt schwierigen Voraussetzungen kann DIE LINKE, soweit sie die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt, ein gutes Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2013 erzielen. Sie muss aber realistisch bleiben, darf ihre Wahlziele nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Umständen festlegen. Und vor allem muss sie verhindern, dass die von ihren Gegnern beabsichtigte Liquidation Erfolg hat. Es ist von größter Bedeutung, dass DIE LINKE erneut in den Bundestag einzieht, damit auch in Zukunft parlamentarische Strukturen für Widerstand gegen die herrschende Politik existieren.
Anmerkungen:
[1] www.neues-deutschland.de/artikel/235120.schwarz-gelb-dominiert.html
[2] Erklärung des Bundessprecherrates der KPF vom 4. Juni 2012