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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die KPÖ Steiermark – kommunistische Politik heute

Ernest Kaltenegger, Graz

Die politische Entwicklung der KPÖ Steiermark war in viererlei Hinsicht bis Anfang der 1990er Jahre ähnlich wie jene der Gesamtpartei: 1. Ihr Einfluß in den Betrieben und Gemeinden war rückläufig. Sie blieb vor allem in den traditionellen Industriestätten verankert, einen Schwerpunkt bildete die Obersteiermark. Im Grazer Gemeinderat verblieb nach den Wahlen des Jahres 1988 ein Mandat. 2. Das hohe Durchschnittsalter der Partei-mitglieder blieb sowohl bundesweit als auch in der Steiermark ein bestimmendes Merkmal. der Parteiorganisationen. 3. In den Bezirken existierten weiterhin verhältnismäßig gut funktionierende Parteiapparate, die eine gewisse Mobilisierungsfähigkeit gewährleisteten, z. B. bei der Unterstützung der Friedensbewegung oder bei den Anti-Draken-Aktionen. Gelegentlich gab es starke Lebenszeichen der KPÖ in der Steiermark (z. B. in Eisenerz und Aichfeld). 4. Die KPÖ Steiermark war gleichermaßen wie die Bundespartei von den massiven finanziellen Einschnitten seit Anfang der 1990er Jahre infolge der weitgehenden Enteignung der Partei durch die deutsche Treuhand betroffen.

Erste Versuche einer Neuorientierung starteten wir in der Grazer Kommunalpolitik, wobei es dort schon in den 1970er und 1980er Jahren verstärkte Kontakte zu Bürgerinitiativen gab. Unser damaliges Problem war, daß die "Ernte" meist andere Parteien wie die FPÖ oder die Grünen einfuhren. Eckpunkte dieser kommunal politischen Neuorientierung waren und sind:

  • Die Konzentration auf wenige inhaltliche Schwerpunkte, z. B. auf das Thema "Wohnen". Die KPÖ Graz wurde gewissermaßen zur "Mieterpartei".
  • Wir begnügen uns nicht mit schönen Forderungskatalogen, die dann die anderen Parteien umsetzen sollten, sondern entwickeln eigene, realisierbare Konzepte. Dabei versuchen wir, auf Phraseologie und "Parteichinesisch" zu verzichten. – Die Grazer Bevölkerung wird laufend, und nicht nur vor Wahlen über die Aktivitäten der KPÖ informiert.
  • Im Gemeinderat vertritt die KPÖ eine klare Oppositionspolitik.
  • Die KPÖ wurde zu einer lebendigen Partei mit vielen Kontaktmöglichkeiten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang etwa das Volkshausfest, diverse Kulturveranstaltungen, Infostände, Informationsveranstaltungen für Haussprecherinnen usw. – Für Menschen in Notlagen bieten wir konkrete Hilfe an, z. B. den Mieternotruf oder den Rechtshilfefonds für Spekulantenopfer.
  • Mit der Nutzung des Instruments des Volksrechtegesetzes gelang es uns, im größeren Ausmaß die betroffene Bevölkerung einzubeziehen. In der Frage "Belastungsobergrenzen beim Wohnen" erreichten wir mehr als 17.000 Unterschriften! – Wir beschränken uns nicht auf die Gremienarbeit und parlamentarische Ebene, sondern versuchen vor allem, auf außerparlamentarischer Ebene aktiv zu werden.

1993 konnte die KPÖ Graz ein zweites Mandat erringen. 1998 erfolgte bei den Gemeinderatswahlen ein wahrer Durchbruch: Wir erreichten vier Mandate (7,9 Prozent) und damit einen Sitz im Stadtsenat, den fortan ich selbst als Wohnbaustadtrat innehatte. Die neue Situation bereitete uns zunächst Kopfzerbrechen und löste einige Sorge aus. Schließlich war die KPÖ alles andere als eine klassische Regierungspartei. Wir sahen unsere Rolle in erster Linie stets in der Opposition. Außerdem war uns bewußt, daß unsere politischen Zielvorstellungen nur eingeschränkt mit dem bestehenden Profitsystem kompatibel sind. Letztendlich gab es auch Befürchtungen, in einer Regierungsfunktion politisch zerschlissen zu werden.

Doch die KPÖ Graz konnte auch als "Regierungspartei" bestehen. Rasch wurden positive Ergebnisse für die Bevölkerung sichtbar:

  • Bei gemeindeeigenen Wohnungen wurden die Mieten um ca. zehn Prozent gesenkt.
  • Die Sanierung der Gemeindewohnungen wurden forciert. Ein Slogan war: "Auch das ist Kultur: Ein Bad für jede Gemeindewohnung!"
  • Wichtig war uns auch ein niedrigschwelliger Zugang für Rat- und Hilfesuchende.
  • Zuletzt ist unser neuer Umgang mit PolitikerInnenbezügen zu nennen ("Tag der offenen Konten").

Unser gestiegener Einfluß ermöglichte die Setzung zusätzlicher Schwerpunkte, z. B. die Sicherung des öffentlichen Eigentums (am Beispiel der Grazer Stadtwerke) und der Schutz der Grazer Altstadt vor Spekulanten.

Bei den Wahlen im Jahr 2003 steigerten wir uns auf zwölf Sitze im Gemeinderat und 20,75 Prozent, was fortan zwei Stadtsenatssitze bedeutete. Unsere Pro­bleme bei den Bezirkskandidaturen widerspiegelten bestimmte organisatorische Schwächen, konnten doch einige errungene Bezirksratsmandate nicht besetzt werden. Zwischen Mitglieder- und Stimmenzahl gab es ein Verhältnis von 1:110. Während mancherorts neue Positionen gewonnen wurden, z. B. im öffentlichen Dienst, ging die Vertretung in traditionellen Hochburgen wie Donawitz verloren.

Unter dem Eindruck der Grazer Erfolge konnte die KPÖ im März 2005 auch bei den Gemeinderatswahlen außerhalb der Landeshauptstadt zulegen. Im Oktober desselben Jahres erfolgte der überraschende Einzug in den Landtag mit vier Mandaten.{6,3 Prozent) Damit gab es für uns abermals neue Möglichkeiten: Die Steirische Volksstimme kann nun als landesweite Zeitung der KPÖ herausgegeben werden. Über den KPÖ-Bildungsverein können wir Veranstaltungen organisieren und Aktivitäten setzen, die vorher unsere Möglichkeiten überstiegen hätten. Ein neues Kampffeld eröffnete unsere Kampagne gegen die Geschäftemacherei mit Spielsucht. Die Richtigkeit des Aufgreifens dieses Themas bestätigte erst unlängst der im Landtag behandelte Suchtbericht für die Steiermark, in dem festgestellt wurde, daß derzeit zwischen 60.000 und 80.000 Menschen in unserem Bundesland von dieser Problematik direkt oder indirekt betroffen sind.

Es gibt aber auch neue Herausforderungen und Gefahren: Wir haben auf einige gesellschaftliche Entwicklungen, die große Teile der Bevölkerung bewegen, noch keine griffigen Antworten gefunden, z. B. in der Frage Immigration. Dies hatte sicher auch Auswirkungen bei den Grazer Gemeinderatswahlen im Jahr 2008, bei denen Mandate verloren gingen. Die Folgen der Finanzkrise sind noch nicht absehbar. Starke Veränderungen in der Wirtschaft würden höchstwahrscheinlich auch zu tief greifenden Veränderungen der politischen Landschaft führen. Zu nennen ist zuletzt auch die parteiinterne Entwicklung: Eine auf Dauer zerstrittene Partei beraubt sich selbst aller Möglichkeiten zur positiven Weiterentwicklung. Es wird weitestgehend an uns selbst liegen, wie unsere Zukunft als Partei ausschaut. Platz links von SPÖ und Grünen würde es mehr als ausreichend geben.

In: Manfred Mugrauer (Hg.) 90 Jahre KPÖ. Studien zur Geschichte der Kommunistischen Partei Österreichs. Wien: Verlag der Alfred Klahr Gesellschaft 2009 (Quellen & Studien, Sonderband 12) 348 S., 15,– Euro, ISBN 978–3–9501986–8–3
(Siehe auch Franz Stephan Parteders "90 Jahre KPÖ und die Herausforderungen der Gegenwart" in den Mai-"Mitteilungen" 2010)