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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die geheimen Aufstandspläne im Karl-Liebknecht-Haus

Eberhard Czichon / Dr. Heinz Marohn, Berlin

Am Nachmittag des 23. Februar 1933 drangen Schutzpolizisten und Beamte der Politischen Polizei von SA begleitet in das Karl-Liebknecht-Haus ein.

Sie besetzten das Gebäude vom Keller bis zum Dachboden: die Räume des Zentralkomitees der KPD, der Berliner Bezirksleitung, der City-Druckerei, der Redaktion der "Roten Fahne" und der "Welt am Abend" und der Arbeiterbuchhandlung. Alle Mitarbeiter mußten das Haus verlassen. Das gesamte schriftliche Material, darunter das im Druck befindliche Wahlmaterial der KPD, alle Flugblätter und Druckplatten wurden beschlagnahmt.[1]

Es war nicht das erste Mal, daß die Berliner Polizei den Sitz des Zentral-Komitees der KPD untersuchte. Der sozialdemokratische Berliner Polizeipräsident Albert Grzesinski, meinte, seine Beamten wären so gründlich gewesen, daß sie in diesem Haus jeden Winkel gekannt hätten. Nach 1929 war in jedem Jahr im ZK-Gebäude am Bülow-Platz ein Mal "Haussuchung". Die Berliner Polizei besetzte das Karl-Liebknecht-Haus am 18. Februar 1930, am 9. August 1931, am 24. Juli und am 12. August 1932. Ziel dieser Aktion war stets, Dokumente zu finden, um der KPD nachzuweisen, daß sie einen bewaffneten Aufstand vorbereite. Doch Grzesinskis Beamte zogen jedesmal erfolglos ab. Kriminalrat Heller von der Abteilung IA im Polizeipräsidium versuchte schließlich den Mißerfolg mit der Feststellung zu beschönigen: die Durchsuchungen wären schon aus "polizeilichen Gründen zur Beruhigung angebracht, auch wenn keine Funde gemacht würden".[2]

Diese "rechtliche Betrachtungsweise" eines Polizeibeamten wurde stets als Verdacht formuliert, die Vorbereitung zu einem "hochverräterischen Unternehmen" zu verhindern. Mit den bei diesen Aktionen beschlagnahmten Akten konnte eine solche Unterstellung nie bewiesen werden.[3] Als politische wirksame Maßnahmen gegen die KPD blieben nur der planmäßige Polizeiterror der Durchsuchung der KPD-Zentrale und die Wochenlangen Verbote der "Roten Fahne".

Die Immobilie am Bülow-Platz war 1926 von der Preußischen Staatsbank vom ZK der KPD für 450 000 RM (Reichsmark) erworben worden, weil das Hinterhaus in der Rosenthalerstraße 38 ungeeignet war, die weit auseinander liegenden Einrichtungen der Parte, ZK-Büros, Redaktion und Druckerei zu einer effektiven Arbeit zusammen zu führen. Das Grundstück befand sich in einer günstigen Verkehrslage. Das ehemalige Fabrikgebäude war geeignet für den Umbau zu geplanten Büros und den Einbau der City-Druckerei mit ihren modernen Rotationsmaschinen. Mit dem Verkauf des alten Bürohauses und mit Hypotheken konnte die Geschäftsabteilung des ZK das Grundstück mit dem Haus erwerben und bis 1928 mit den Geldern der Parteimitglieder modernisieren.[4] Die Verbote der "Roten Fahne", waren nach dem Kalkül der Berliner Politischen Polizei, wie wir heute wissen, auch dazu gedacht, die KPD ökonomisch zu treffen: Ausfälle von Einnahmen der Druckerei bei bleibenden Kosten belasteten die Wirtschaftlichkeit des Karl-Liebknecht-Hauses ebenso wie die Kosten der mehrfachen Wahlkämpfe im Jahr 1932, die zur Aufnahme neuer Bank-Hypotheken führten. So trafen die polizeilichen Zeitungsverbote schon die finanzielle Situation der KPD, abgesehen davon, daß die Partei damit immer wieder daran gehindert wurde für ihre politischen Ziele in der Öffentlichkeit zu werben.

Als dann die Berliner Polizei das Karl-Liebknecht-Haus im Februar 1933 besetzte, waren die politischen Büros des ZK bereits geräumt. Die Partei hatte sich seit dem 30. Januar verstärkt auf die illegale Arbeit eingestellt.[5]

Die KPD stand noch in einem legalen Wahlkampf und insofern wurde auch noch versucht, alle legalen Möglichkeiten zu nutzen. Am 5. März sollten der Reichstag und der Preußische Landtag neugewählt werden. Hindenburg hatte den Reichstag auf Vorschlag Hitlers durch eine Notverordnung nach Artikel 48 der Reichsverfassung aufgelöst. Göring war Innenminister des Preußischen Landtags. Mit einer gewaltigen Wahlpropaganda, von deutschen Konzernen über das Konto "Deutsche Treuhand", das Hjalmar Schacht verwaltete, mit Millionen finanziert, erhofften sich die deutschen Faschisten eine "legale" Mehrheit im Reichstag zu gewinnen.

Am Vormittag des 23. Februar 1933 tagte noch einmal das Sekretariat des ZK, um die Wahlagitation des der Partei zu leiten und die Zentrale der Partei auf die Illegalität einzustellen.[6] Beschlossen wurde, die Forderungen der KPD zu den Reichstagswahlen über die Reichstagsfraktion als Flugblatt zu verbreiten, die Rede Ernst Thälmanns auf der Funktionärstagung in Ziegenhals am 7. Februar illegal als Broschüre zu drucken, den Massenselbstschutz der Partei zu verstärken, den Literaturvertrieb vom Haus aus einzustellen und die Angestellten des ZK noch ordentlich zu entlassen. Als wenige Stunden später die Polizei in das Karl-Liebknecht-Haus eindrang und es besetzte, waren keine politischen Unterlagen mehr zu finden. Beschlagnahmt werden konnte nur noch das sich im Haus befindliche Wahlmaterial. Vermutlich befand sich darunter auch das Manuskript der Rede Thälmanns in Ziegenhals, um sie als Broschüre zu drucken.[7] Als am nächsten Tag die Nazi-Presse meldete, in der KPD-Zentrale tonnenweise hochverräterische Dokumente gefunden zu haben, war es lediglich das Wahlmaterial der Partei: Flugblätter und Broschüren. Der Sozialdemokrat Albert Grzesinski kommentierte die Horror-Meldung der Nazipresse: "Alles illegale Material das die Kommunisten belasten konnte, war von meinen Beamten seinerzeit abtransportiert worden ..."[8] Görings Polizei hatte im Februar 1933 ebensowenig "KPD-Aufstandspläne" im Karl-Liebknecht-Haus gefunden wie die Beamten Grzesinkis im August 1932.

Am 24. Februar 1933 nachmittags wurde das Karl-Liebknecht-Haus für geschlossen erklärt. Am Tag nach dem Reichstagsbrand hißte der zuständige SA-Sturm die Hakenkreuzfahne auf dem Haus am Bülow-Platz[9], das sie mit dem Namen Horst Wessel schändeten, und am 8. März wird das Büro der Politischen Polizei in das Haus verlegt, das eine Woche später, am 12 März der KPD formal enteignet wird.

Nicht nur die Nazipresse brauchte die Legende vom vorbreiteten "bewaffneten Aufstand" der KPD, auch die Gestapo suchte intensiv nach Beweisen. Die Rede Thälmanns war dazu nicht zu gebrauchen, und auch die rigorose Verhaftung führender Kommunisten brachte nicht den gewünschten Erfolg. Als dennoch vom Reichsanwalt versucht wurde, diese These in die Anklage gegen Dimitroff einzuführen, brach sie im Kreuzverhör Dimitroffs am 27. Oktober 1933 mit Theodor Neubauer erbärmlich zusammen.[10]

Anmerkungen:

[1] Die "Rote Fahne" vom 26./27. Februar 1933.
[2] Landesarchiv Berlin [LAB] Rep.030/ Titel 90/ 7575, Bl. 115.