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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft.«

Zitate von Zbigniew Brzeziński (1997) [1]

 

»Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion existiert nur noch eine Supermacht auf dieser Erde: die Vereinigten Staaten von Amerika. Und noch nie in der Geschichte der Menschheit hat eine Nation über so große wirtschaftliche, politische und militärische Mittel verfügt, um ihre Interessen durchzusetzen. […] In einer brillanten strategischen Analyse legt Brzezinski dar, […] wie Amerika sich verhalten muss, um seine Weltmachtstellung zu erhalten.« Dies sind Bemerkungen, die dem 1997 erschienenen Buch von Zbigniew Brzezinski »Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft.« vorausgehen. Im Sach- und Personenregister dieser strategischen Analyse taucht der Begriff Ukraine etwa so häufig auf wie der Chinas und Deutschlands. Nur Russland wird noch öfter behandelt. Allein das verdeutlicht den Stellenwert der Ukraine im Streben der USA, ihre Vorherrschaft in der Welt zu sichern. Auch die Rolle der EU ist knallhart interessengeleitet. Heute heißt es nicht selten, der Westen habe im Kontext mit der Ukraine Fehler gemacht, da Russlands Interessen ungenügend berücksichtigt worden seien. Letzteres ist richtig. Aber Fehler? In Brzezinskis »Die einzige Weltmacht. …« ist nachlesbar, wie langfristig die die Ukraine betreffenden »Fehler« von NATO und EU geplant wurden. Nachfolgende Zitate belegen dies.

 

»Unter den gegenwärtigen globalen Gegebenheiten lassen sich mindestens fünf geostrategische Hauptakteure und fünf geopolitische Dreh- und Angelpunkte (von denen zwei vielleicht zum Teil auch als Akteure in Frage kommen) auf der neuen politischen Landkarte Eurasiens ermitteln. Frankreich, Deutschland, Russland, China und Indien sind Hauptakteure, während Großbritannien, Japan, Indonesien, obzwar zugegebenermaßen ebenfalls sehr wichtige Länder, die Bedingungen dafür nicht erfüllen. Die Ukraine, Aserbaidschan, Südkorea, die Türkei und der Iran stellen geopolitische Dreh- und Angelpunkte von entscheidender Bedeutung dar […]« [2]

»Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. […] Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Russland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden. Verlöre die Ukraine ihre Unabhängigkeit, so hätte das unmittelbare Folgen für Mitteleuropa und würde Polen zu einem geopolitischen Angelpunkt an der Ostgrenze eines vereinten Europas werden lassen.« [3]

»Eine langfristige amerikanische Geostrategie für Europa wird die Fragen der europäischen Einheit und echter Partnerschaft mit Europa mit aller Bestimmtheit angehen müssen. […] Eine Politik für ein geeintes Europa wird sich außerdem – wenn auch gemeinsam mit den Europäern – der hochsensiblen Frage nach Europas geographischer Ausdehnung stellen müssen. Wie weit sollte sich die Europäische Union nach Osten erstrecken? Und sollten die Ostgrenzen der EU zugleich die östliche Frontlinie der NATO sein? Ersteres ist mehr eine europäische Entscheidung, wird sich aber unmittelbar auf eine NATO-Entscheidung auswirken. Diese allerdings betrifft auch die Vereinigten Staaten, und die Stimme der USA ist in der NATO noch immer maßgebend. Da zunehmend Konsens darüber besteht, dass die Nationen Mitteleuropas sowohl in die EU als auch in die NATO aufgenommen werden sollten, richtet sich die Aufmerksamkeit auf den zukünftigen Status der baltischen Republiken und vielleicht bald auf den der Ukraine.« [4]

»Europa ist Amerikas natürlicher Verbündeter. […] Ein … größeres Europa könnte eine magnetische Anziehung auf die weiter im Osten liegenden Staaten ausüben und mit der Ukraine, Weißrussland und Russland ein Beziehungsgeflecht aufbauen, sie zu einer immer engeren Zusammenarbeit bewegen und im gleichen Zuge für die gemeinsamen demokratischen Prinzipien gewinnen. Schließlich könnte ein solches Europa sogar ein Eckpfeiler einer unter amerikanischer Schirmherrschaft stehenden größeren eurasischen Sicherheits- und Kooperationsstruktur werden.« [5]

»Auf der Europa-Karte könnte die Zone, die für Deutschland von besonderem Interesse ist, in der Form eines Rechtecks eingezeichnet werden, das im Westen natürlich Frankreich einschließt und im Osten die erst vor kurzem in die Freiheit entlassenen postkommunistischen Staaten Mitteleuropas einschließlich der baltischen Republiken, Weißrusslands und der Ukraine umfasst, und sogar bis nach Russland hineinreicht. In vielerlei Hinsicht entspricht dieses Gebiet dem historischen Einflussbereich konstruktiver deutscher Kultur, den in pränationalistischer Zeit deutsche Städtegründer und bäuerliche Siedler im östlichen Mitteleuropa und in den heutigen baltischen Republiken geformt hatten, die sämtlich im Verlauf des Zweiten Weltkriegs vertrieben wurden.« [6]

»Der entscheidende Durchbruch für ein selbstbewussteres Auftreten Deutschlands in Mitteleuropa wurde durch die während der neunziger Jahre zustande gekommene deutsch-polnische Versöhnung erzielt. […] Dank Polen konnte der deutsche Einfluss nach Norden – in baltischen Staaten – sowie nach Osten – bis in die Ukraine und Weißrussland – ausstrahlen. Der Geltungsbereich der deutsch-polnischen Aussöhnung wurde überdies dadurch etwas erweitert, dass man Polen bei wichtigen deutsch-französischen Gesprächen über die Zukunft Europas mit einbezog.« [7]

»Weder Frankreich noch Deutschland ist stark genug, um Europa nach seinen Vorstellungen zu bauen oder mit Russland die strittigen Probleme zu lösen, die eine Festlegung der geographischen Reichweite Europas zwangsläufig aufwirft. Dies erfordert ein energisches, konzentriertes und entschlossenes Einwirken Amerikas besonders auf die Deutschen, um die Ausdehnung Europas zu bestimmen und um mit – vor allem für Russland – derart heiklen Angelegenheiten wie dem etwaigen Status der baltischen Staaten und der Ukraine innerhalb des europäischen Staatenbundes fertigzuwerden.« [8]

»Unter den gegenwärtigen Umständen wird die NATO-Osterweiterung vermutlich bis spätestens 1999 aller Wahrscheinlichkeit nach Polen, die Tschechische Republik und Ungarn einbegreifen. Nach diesem ersten, aber bedeutsamen Schritt dürfte jede weitere Ausdehnung des Bündnisses entweder mit einer Erweiterung der EU zusammenfallen oder einer solchen folgen. Allerdings gestalten sowohl die Anzahl der Qualifizierungshürden als auch die Erfüllung der an eine Mitgliedschaft geknüpften Bedingungen das hierfür vorgesehene Prozedere wesentlich komplizierter […]. Daher ist mit den ersten Aufnahmen mitteleuropäischer Länder in die Europäische Union nicht vor dem Jahr 2002 zu rechnen. Dennoch werden sich sowohl die NATO als auch die EU, nachdem die ersten drei neuen NATO-Mitglieder auch der EU beigetreten sind, mit der Frage beschäftigen müssen, wie und wann die Mitgliedschaft auf die baltischen Republiken, Slowenien, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei und zuletzt vielleicht sogar auf die Ukraine ausgedehnt werden kann.« [9]

»Ein wirklich geeintes Europa ohne einen gemeinsamen Sicherheitspakt mit den USA ist in praxi schwer vorstellbar. Daraus folgt, dass Staaten, die Beitrittsgespräche mit der EU aufnehmen wollen, und dazu eingeladen werden, in Zukunft automatisch unter den Schutz der NATO gestellt werden sollten. Infolgedessen wird der Prozess der EU-Erweiterung und der Ausdehnung des transatlantischen Sicherheitssystems wahrscheinlich in wohlüberlegten Etappen voranschreiten. Unter der Voraussetzung, dass Amerika und Westeuropa an ihrem Engagement festhalten, könnte ein theoretischer aber vorsichtig realistischer Zeitplan für diese Etappen folgendermaßen aussehen:

1. Spätestens 1999 werden die ersten neuen Mitglieder aus Mitteleuropa in die NATO aufgenommen sein, wenn auch ihr Betritt zur EU vermutlich nicht vor 2002 oder 2003 erfolgen wird.

2. In der Zwischenzeit wird die EU Beitrittsverhandlungen mit den baltischen Republiken aufnehmen, und auch die NATO wird sich in der Frage einer Mitgliedschaft dieser Staaten sowie Rumäniens vorwärtsbewegen, deren Beitritt mutmaßlich 2005 abgeschlossen sein dürfte. Irgendwann in diesem Stadium werden wohl die anderen Balkanstaaten die für Beitrittskandidaten erforderlichen Voraussetzungen ebenfalls erfüllen.

3. Der Beitritt der baltischen Staaten könnte vielleicht auch Schweden und Finnland dazu bewegen, eine Mitgliedschaft in der NATO in Erwägung zu ziehen.

4. Irgendwann zwischen 2005 und 2010 sollte die Ukraine für ernsthafte Verhandlungen sowohl mit der EU als auch mit der NATO bereit sein, insbesondere wenn das Land in der Zwischenzeit bedeutende Fortschritte bei seinen innenpolitischen Reformen vorzuweisen und sich deutlicher als ein mitteleuropäischer Staat ausgewiesen hat.

[…] Angesichts des besonderen geopolitischen Interesses, das Deutschland und Polen an der Unabhängigkeit der Ukraine haben, ist auch durchaus denkbar, dass die Ukraine allmählich in das Sonderverhältnis zwischen Frankreich, Deutschland und Polen eingebunden wird. Bis zum Jahr 2010 könnte sich die 230 Millionen Menschen umfassende deutsch-französisch-polnisch-ukrainische Zusammenarbeit zu einer Partnerschaft entwickelt haben, die Europas geostrategische Tiefe verstärkt. […] Es kommt nun sehr darauf an, ob sich das oben skizzierte Szenario friedlich entwickeln kann oder in den Sog zunehmender Spannungen mit Russland gerät.« [10]

»Jenseits der Grenzen der früheren Sowjetunion bedeutete der Zusammenbruch des Warschauer Pakts, dass die früheren Satellitenstaaten Mitteleuropas, allen voran Polen, rasch zur NATO und Europäischen Union hinstrebten. Am beunruhigendsten war der Verlust der Ukraine. […] Der Wegfall der Ukraine wirkte auch als geopolitischer Katalysator. Politische Schritte der ukrainischen Führung – die ukrainische Unabhängigkeitserklärung im Dezember 1991, das Insistieren bei den kritischen Verhandlungen in Bela Vezha, dass die Sowjetunion durch eine losere Gemeinschaft unabhängiger Staaten ersetzt werden sollte, und vor allem die unerwartete, staatsstreichartige Unterstellung der auf ukrainischem Boden stationierten Einheiten der Sowjetarmee unter ukrainisches Kommando – verhinderten, dass sich unter dem neuem Namen GUS die alte UdSSR in etwas föderalerem Gewand verbarg.« [11]

»In der seit spätestens 1994 zunehmenden Tendenz der USA, den amerikanisch-ukrainischen Beziehungen höchste Priorität beizumessen und der Ukraine ihre neue nationale Freiheit bewahren zu helfen, erblickten viele in Moskau – sogar die sogenannten Westler – eine gegen das vitale russische Interesse gerichtete Politik […]« [12]

»Die Bedeutung der unabhängigen Ukraine ist für die Sicherheit und Stabilität von ganz Europa nicht zu überschätzen, und im September ging der deutsche Kanzler – ungeachtet seiner starken Unterstützung für Boris Jelzin — sogar noch weiter mit der Versicherung, dass der feste Platz der Ukraine in Europa von niemandem mehr in Frage gestellt werden kann, und dass niemand mehr der Ukraine ihre Unabhängigkeit und territoriale Integrität streitig machen darf. Auch amerikanische Politiker bezeichneten nun das amerikanisch-ukrainische Verhältnis als eine strategische Partnerschaft und bedienten sich dabei bewusst desselben Begriffs, mit dem sie die Beziehung der USA zu Russland beschrieben hatten.« [13]

»Ein wirklich kooperatives Verhältnis zur transatlantischen Gemeinschaft kann nicht auf der Vorstellung beruhen, dass jene demokratischen Staaten Europas, die daran teilnehmen möchten, ausgeschlossen werden, weil die Russen es so bestimmen. Die Erweiterung der Gemeinschaft braucht nicht überstürzt zu werden, und sie sollte wahrlich nicht durch einen antirussischen Unterton zustande kommen. Aber weder kann noch sollte sie durch einen politischen Machtspruch zum Stillstand gebracht werden, der eine längst überholte Vorstellung von europäischer Sicherheitsarchitektur widerspiegelt. Ein expandierendes und demokratisches Europa muss ein nach vorne offener historischer Prozess sein und darf keinen politisch willkürlichen geographischen Beschränkungen unterworfen werden.« [14]

»Am wichtigsten allerdings ist die Ukraine. Da die EU und die NATO sich nach Osten ausdehnen, wird die Ukraine schließlich vor der Wahl stehen, ob sie Teil einer dieser Organisationen werden möchte. Es ist davon auszugehen, dass sie, um ihre Eigenständigkeit zu stärken, beiden beitreten möchte, wenn deren Einzugsbereich einmal an ihr Territorium grenzt und sie die für eine Mitgliedschaft notwendigen inneren Reformen durchgeführt hat. Obwohl dies Zeit brauchen wird, kann der Westen – während er seine Sicherheits- und Wirtschaftskontakte mit Kiew weiter ausbaut –‚ schon jetzt das Jahrzehnt zwischen 2005 und 2015 als Zeitrahmen für eine sukzessive Eingliederung der Ukraine ins Auge fassen. Dadurch vermindert er das Risiko, dass die Ukrainer befürchten könnten, Europas Erweiterung werde an der polnisch-ukrainischen Grenze haltmachen.« [15]

»Die Staaten, die Amerikas stärkste geopolitische Unterstützung verdienen, sind Aserbaidschan, Usbekistan und (außerhalb dieser Region) die Ukraine, da alle drei geopolitische Dreh- und Angelpunkte darstellen. Die Rolle Kiews bestätigt fraglos die These, dass die Ukraine der kritische Punkt ist, wenn es um Russlands eigene künftige Entwicklung geht.« [16]

»Folgerichtig ist die politische und wirtschaftliche Unterstützung der neuen unabhängigen Schlüsselstaaten ein fester Bestandteil einer umfassenderen Strategie für Eurasien. Die Konsolidierung einer souveränen Ukraine, die sich inzwischen als mitteleuropäischer Staat versteht und sich an einer engeren Integration mit Mitteleuropa beteiligt, ist eine ganz wesentliche Komponente einer solchen Politik.« [17]

 

Anmerkungen:

[1] Zbigniew Brzezinski: »Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft.« Fischer-Verlag, ISBN 978-3596143580. 1. Auflage: 1997, zitiert nach der 6. Auflage (2002).

[2] Ebenda, Seite 67-68.

[3] Ebenda, Seite 74-75.

[4] Ebenda, Seite 80-81.

[5] Ebenda, Seite 90-91.

[6] Ebenda, Seite 105-106.

[7] Ebenda, Seite 106-107.

[8] Ebenda, Seite 110, Hervorhebungen im Original.

[9] Ebenda, Seite 124-125.

[10] Ebenda, Seite 127.

[11] Ebenda, Seite 136-137.

[12] Ebenda, Seite 152-153.

[13] Ebenda, Seite 166-167.

[14] Ebenda, Seite 175.

[15] Ebenda, Seite 176-177.

[16] Ebenda, Seite 216.

[17] Ebenda, Seite 289.