Die Berliner Wasserbetriebe
Sahra Wagenknecht, Berlin
"Jeder Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist widerrechtlich. Insbesondere stellen alle auf Produktions- und Marktbeherrschung gerichteten privaten Monopolorganisationen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht dar und sind verboten." (Artikel 24 der Berliner Verfassung)
Seit über einem Jahrzehnt wird in Europa rüde und rücksichtslos liberalisiert. Elementare Leistungen wie die Versorgung mit Energie, weite Teile des Verkehrs, aber auch Bildung, Wohnungen und Krankenhäuser werden den Spielregeln von Markt und Profi t überantwortet. Teils direkt unter der Ägide von Brüsseler Liberalisierungsrichtlinien, teils unter dem Druck von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs, teils auch auf Eigeninitiative neoliberaler Regierungen.
Der Bereich Wasser gehört zu jenen, in denen es bisher keine ausdrückliche Liberalisierungsrichtlinie aus Brüssel gibt. Entsprechend groß ist der Druck, dies nachzuholen. Schließlich stammen sieben der zehn größten Wasserkonzerne der Welt aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien. Und das Geschäft mit dem elementaren Gut Wasser ist hochprofitabel. Zwar gibt es nach europäischem Recht auch im Gefolge sektoraler Liberalisierungsvorgaben – wie sie im Bereich Energie, Telekommunikation oder Bahn existieren – keine Pflicht zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben. Durch die von der EU vorgeschriebene Öffnung von Wirtschaftszweigen für den Wettbewerb werden jedoch auch öffentliche Unternehmen dazu genötigt, sich wie private Unternehmen zu verhalten. In den meisten Fällen ist die Liberalisierung der Märkte daher nur der erste Schritt, der eine vollständige Kommerzialisierung und Privatisierung öffentlicher Aufgaben nach sich zieht.
In weiten Teilen der Europäischen Union ist allerdings auch heute schon die Wasserversorgung dem Profitprinzip unterworfen. In Berlin wird die Wasserwirtschaft seit sieben Jahren von privaten Konzernen dominiert – obwohl sie formal nicht über die Mehrheit der Anteile verfügen. 49,9 Prozent der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben wurden im Jahr 1999 von der damaligen Großen Koalition aus SPD und CDU an die Wassermultis RWE und Veolia verkauft.
Wie die Studie von Alexis Passadakis zeigt, sind die Folgen dieser Kommerzialisierung der Berliner Wasserversorgung katastrophal: Seit 2004 sind die Wasserpreise um über 20 Prozent gestiegen und zählen nun zu den höchsten in ganz Deutschland. Im Interesse maximaler Profite wurden seit 1999 fast 2000 Stellen bei den Wasserbetrieben gestrichen und zahlreiche regulär bezahlte Arbeitskräfte durch Leiharbeiter ersetzt. Auch das Argument, daß Privatisierungen einen Beitrag zur Haushaltssanierung leisten können, erweist sich als neoliberales Märchen. Denn um den privaten Konzernen RWE und Veolia die garantierte Rendite bezahlen zu können, muß das Land Berlin über Jahrzehnte hinweg auf hohe Einnahmen verzichten.
Es ist daher höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe rückgängig gemacht und die Wasserversorgung der Berliner Bevölkerung einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden kann. Diesem Ziel dient auch die vorliegende Studie, die hoffentlich zu einer produktiven Diskussion über Strategien der Rekommunalisierung beiträgt.
Vorwort zur Broschüre von Alexis Passadakis: "Die Berliner Wasserbetriebe.
Von Kommerzialisierung und Teilprivatisierung zu einem öffentlich-demokratischen Wasserunternehmen", Berlin und Brüssel 10/2006, Studie im Auftrag der Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht, Kontakt: Europabüro Berlin, Sahra Wagenknecht, MdEP, Krossener Straße 9/10, 10245 Berlin, Tel.: (+ 49) (0)30 212 38998, europabuero.berlin@sahrawagenknecht.de