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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Die AfD ist keine Friedenspartei

Tobias Pflüger, Tübingen

 

Tobias Pflüger ist Mitglied der Partei Die Linke, er war von 2017 bis 2021 Mitglied im Verteidigungsausschuss und verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

IMI     Welchen Eindruck hatten Sie von den AfD-Abgeordneten im Verteidigungsausschuss? Haben die Friedenspolitik gemacht?

Tobias Pflüger     Nein, Friedenspolitik haben die nie gemacht. Die meisten der AfD-Abgeordneten im Verteidigungsausschuss hatte einen »Militärhintergrund«, heißt, sie waren zumeist jahre- oder jahrzehntelang bei der Bundeswehr. So gibt der Sprecher und Obmann Rüdiger Lucassen an: »34 Jahre Bundeswehr/Heer, Hubschrauberpilot, Referent bei der NATO und im Bundesministerium der Verteidigung, Oberst im Generalstab«, andere Abgeordnete waren z.B. Zeit-Soldaten. Seit 2021 sitzt auch der Bundesvorsitzende der »Jungen Alternative« (JA), die selbst vom »Verfassungsschutz« als gesichert rechtsextrem geführt wird, im Verteidigungsausschuss. Die anderen Fraktionen kritisieren dies zwar, aber die AfD belässt Gnauck ganz bewusst im Verteidigungsausschuss. Gnauck hat als »Soldat auf Zeit« ein – auch in seiner Bundestagsbiographie benanntes – Rückkehrrecht (zur Bundeswehr). Die AfD hat ihn zudem als Mitglied in den Untersuchungsausschuss zu den Bundeswehr-Afghanistan-Einsätzen entsandt.

Das Agieren der AfD-Abgeordneten im Verteidigungsausschuss ist »unauffällig«, zu meiner Zeit spielten sie bei den wichtigsten politischen Kontroversen keine »auffällige« Rolle. Eine negative Ausnahme bildete die sich die ganze Legislaturperiode durchziehende Debatte zu rechten Netzwerken in der Bundeswehr und speziell beim Kommando Spezialkräfte (KSK), hier fielen die AfDler durch Verharmlosung und Leugnung des Problems auf. Der Abgeordnete Jan Nolte, auch er trägt als Berufsbezeichnung »Soldat«, beschäftigte eine Zeitlang Maximilian T., gegen den die Bundesanwaltschaft ermittelte im Zusammenhang mit Franco Albrecht. Es ist also zu vermuten, dass auf diesem Wege Informationen aus dem Verteidigungsausschuss zu rechten Netzwerken in der Bundeswehr auch in Kreise gelangten, gegen die wegen rechtsextremistischer Aktivitäten ermittelt wurde.

Interessant ist, dass eine Nähe zu Rüstungsfirmen bei den AfD-Abgeordneten, ebenso gegeben ist, wie es etwa bei einigen Abgeordneten von CDU und CSU-, SPD- oder FDP-Abgeordneten aufgrund ihres Wohnsitzes und ihres Agierens im Verteidigungsausschuss offensichtlich war. Rüdiger Lucassen, hatte bis zu seinem Mandat eine Firma namens pro-ades, die »sich auf die Konzeption von Ausbildungseinrichtungen nationaler und internationaler Sicherheitsorganisationen« spezialisierte. Konkret nachgewiesen sind z.B. Verbindungen zu Armeen in den Vereinten Arabischen Emiraten. Gerold Otten war Vertriebsleiter bei »Airbus Defence and Space, Ottobrunn«, einem der größten Profiteure von Aufträgen des Verteidigungsministeriums.

Insgesamt war die AfD im Verteidigungsausschuss spezieller Teil des »Militärblocks«, der von Grünen über die FDP und SPD zu CDU/CSU und AfD reichte.

IMI     Im Verteidigungsausschuss werden alle Rüstungsprojekte, die den Haushalt mit mehr als 25 Millionen Euro belasten, im Verteidigungsausschuss einzeln abgestimmt. Wie hat die AfD sich da in der Regel verhalten?

Tobias Pflüger     Bei den meisten 25 Mio. Vorlagen, also bei den meisten Rüstungsprojekten stimmte die AfD zu, es gab einzelne Ausnahmen. In der Regel hat die AfD die Vorlagen aus dem Verteidigungsministerium z.B. zu Auslandseinsätzen oder Rüstungsprojekten unterstützt. Manchmal wurden Anmerkungen zu Rüstungsprojekten gemacht, deren Quelle offensichtlich aus der Bundeswehr stammten. Da die Abstimmungen in der Regel nach Fraktionen erfolgten, war die damalige große Koalition nicht darauf angewiesen zu überprüfen, wie die AfD abstimmen wollte. Bei den Auslandseinsätzen gab es welche, die die AfD nicht mitgetragen hat, das dann aber zumeist aus rassistischen oder nationalistischen Gründen.

Meine damalige Kollegin Christine Buchholz beschreibt das sehr gut: »Die AfD lehnt Auslandseinsätze nicht generell ab, gibt der ›Landesverteidigung‹ aber Vorrang. Maßstab für sie sind die eng definierten nationalen Interessen Deutschlands, wogegen sie multilaterale Ansätze ablehnt. Der Logik folgend, dass ›innere und äußere Sicherheit‹ verschwimmen, will sie die Bundeswehr im Ausland zur ›Gefahrenabwehr und Strafverfolgung‹ auch gegen den Willen anderer Staaten einsetzen. Das Motto: Je ›robuster‹ das Vorgehen, desto größer die Abschreckung. Am Beispiel Mali wird das deutlich. Zwar stimmt die AfD regelmäßig gegen die Verlängerung der Bundeswehr-Mandate in Mali. Für den AfD-Nationalkonservativen Lucassen steht der Einsatz der Bundeswehr in keinem ›angemessenen Verhältnis zum Ergebnis‹. Er will einen ›robusten Einsatz gegen Terror, gegen Kriminalität und gegen irreguläre Migration‹, da sonst unnötig Kräfte gebunden würden. Das Abstimmungsverhalten darf also nicht mit Zurückhaltung bei Auslandseinsätzen verwechselt werden.«

Bei den Rüstungsprojekten waren es da schon weniger, die die AfD nicht mittragen wollte. Auch und gerade die (Milliarden Euro) teuren Großprojekte wurden von der AfD in der Regel mitgetragen.

Die Positionen der AfD wurden als Teil der »Logik« der dortigen Abstimmungen verstanden, im Gegensatz z.B. zum Abstimmungsverhalten der LINKEN (zu meiner Zeit haben wir als LINKE gegen alle Kriegswaffenprojekte gestimmt). Die AfD befand sich innerhalb der militärischen (Un)-Logik.

IMI     Welche Einschätzung haben Sie zur Selbstdarstellung der AfD als Friedenspartei vor diesem Hintergrund?

Tobias Pflüger     Die AfD ist keine Friedenspartei. Konflikte werden bei der AfD gerne so diskutiert, dass Militäreinsätze »normal« sind. Es gibt zwar nicht, wie bei FDP oder Grünen viele Abgeordnete, die eher militärfern »Krieger*innen mit heißen Herzen« sind, die gerne sofort und überall die Bundeswehr einsetzen wollen, oder Waffen liefern wollen in alle Welt, besonders in Krisen- und Kriegsgebiete; bei der AfD sitzen eher Militärs und Rüstungsleute direkt am Tisch. Es besteht eine sehr hohe Militäraffinität bei der AfD, in gewisser Weise ist die AFD eine Militärpartei. Nicht wenige Abgeordneten haben Bezüge zur oder von der Bundeswehr oder zur oder von der Rüstungsindustrie, auch von den Abgeordneten, die nicht im Verteidigungsausschuss gelandet sind. Krieg als Mittel der Politik ist auch AfD Programm. Die AfD ist damit de facto Teil des Militärisch-industriell-politischen Komplexes dieses Landes, eben der offen nationalistisch-rassistische Teil davon. Friedenspolitik ist das nicht.

Eine gekürzte Fassung des Interviews ist veröffentlicht in der Studie: Alexander Kleiss, Merle Weber: »Warum die AfD keine Friedenspartei ist«. Herausgeber: Informationsstelle Militarisierung (IMI) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

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