Der Programmentwurf
im Spiegel der Presse
Hamburger Abendblatt, 20. März 2010:
Olaf Scholz: "Die Partei Die Linke hat den Sprung über die Realitätsschwelle noch nicht geschafft." Das Programm sei "eine Mischung aus Verstaatlichungsfantasien und wilden Forderungen".
Frankfurter Rundschau, 22. März 2010:
In dem Moment, wo die Linke über Bündnisse innerhalb des Fünf-Parteien-Spektrums nachdenkt, rücken viele Grundsätze in den Hintergrund. Es geht dann nur noch um die Frage, an welcher Stelle die rote Linie gezogen wird. Der Programmentwurf ist da unmißverständlich. Ein Kampfeinsatz der Bundeswehr wird grundsätzlich abgelehnt, desgleichen Arbeitsplatzabbau. Nähme man letzteres für bare Münze, müßte die Linke die Koalitionen mit der SPD in Berlin und Brandenburg auf der Stelle kündigen. So kritisieren denn auch erste (Ost-)Linke den Programmentwurf gerade wegen der harten Bedingungen, die an eine Regierungsbeteiligung geknüpft werden.
Neue Osnabrücker Zeitung, 22. März 2010:
Die SPD sollte erkennen:. Je stärker sie mit der Linken als Koalitionspartner liebäugelt, desto schwerer wird der Weg zurück an die Macht. Denn Wahlen werden nicht an den politischen Rändern gewonnen. Die Gunst der Wechselwähler der Mitte ist entscheidend.
Bildzeitung, 22. März 2010:
Die DDR ist seit 20 Jahren tot, gescheitert an ihrer eigenen verlogenen Ideologie. Doch ihr Ungeist lebt im "neuen" Programm der Links-Partei wieder auf. Klassenkampf und Diffamierung der sozialen Marktwirtschaft als Kapitalismus – sie bilden den roten Faden.
Der Tagesspiegel, Berlin, 23. März 2010:
"Ein Grundsatzprogramm soll einige Jahre halten. Dort reinzuschreiben, was man in Regierungsverantwortung nicht tun wird, ist unpolitischer Unfug", sagte Sachsen-Anhalts Landeschef Matthias Höhn dem Tagesspiegel. Auch Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sagte, er sei kein Freund "roter Linien". Im Entwurf werden konkrete Ausschlußbedingungen für Regierungsbeteiligungen formuliert, die bei vielen ostdeutschen Linken Widerspruch provozieren: Danach soll die Partei nicht mitregieren, wenn es "Privatisierungen, Sozial- und Arbeitsplatzabbau" gebe. "Wenn man diesen Satz eins zu eins nimmt, dürfte die Linkspartei in Brandenburg oder Berlin nicht regieren", kritisiert der Bundestagsabgeordnete Jan Korte in der "Taz".
Mitteldeutsche Zeitung, 24. März 2010:
Gallert: (…) Einen Satz wie "Sozialismus oder Barbarei" kann ich in dieser Absolutheit nicht mittragen. Unsere Gesellschaft ist sehr viel differenzierter. Die Analyse ist nicht falsch, sie ist mir aber zu undifferenziert. Sie nimmt die Sicht auf die Entwicklungspotentiale dieser Gesellschaft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. März 2010:
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Oppermann, hat den Entwurf eines Parteiprogramms der Linkspartei heftig kritisiert. Oppermann sagte am Mittwoch, wenn dieses Programm so beschlossen werde, sei "auf lange Sicht" eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linkspartei im Bund nicht möglich . "Mit diesem Programm ist das undenkbar. "Der Entwurf zeige, daß die Linkspartei, die Oppermann mit dem Adjektiv "neokommunistisch" beschrieb, in Wirklichkeit nicht regieren wolle. Sie setze auf eine "Staatswirtschaft", die mit wenigen Privatelementen versehen sei. Das eröffne der SPD einen politischen Spielraum, den sie nutzen werde. Die Linkspartei, die noch einmal von den Vorstellungen Lafontaines beeinflußt worden sei, werde mit "diesem Entwurf" keine Regierungsfähigkeit entwickeln können.
Bayernkurier, 27. März 2010:
Das 25-seitige Papier ist eine Ansammlung von Klassenkampfparolen des Marxismus/Leninismus sowie von sozialutopistischen Träumereien: (…) Für die CSU stellte Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich klar: "Der heute vorgestellte Programmentwurf der Linken zeigt das wahre Gesicht der Sozialisten Die Partei will unseren freiheitlichen Staat und die demokratische Gesellschaft bekämpfen." Unverholen spreche die Linke von einem "Systemwechsel" und schrecke auch nicht vor einem Rechtsbruch zurück, wenn sie einen Generalstreik als politisches Kampfmittel fordere. Sogar SPD-Generalsekretärin Nahles, linker Utopien nicht immer unverdächtig, nennt den Entwurf "ein widersprüchliches Sammelsurium". Es reiche nicht, die Vergangenheit zum Programm zu erheben. "Mit DDR-Nostalgie und kleinbürgerlichen Allmachtsphantasien ist kein Staat zu machen." Angesichts des klaren Rot-Rot-Kurses der Bundes-SPD schwingt hier wohl auch die Sorge um den potentiellen Bündnispartner mit.
Der Spiegel, 29. März 2010:
Doch die ostdeutschen Landesverbände werden die ideologischen Vorgaben nicht akzeptieren. Sie sehen in dem Text vor allem eine Absage an eine rot-rotgrüne Machtoption im Bund.
Mitteldeutsche Zeitung, 20. April 2010:
Der eine oder andere schaute schon etwas bang, als Wulf Gallert mit ausgestrecktem Arm Richtung Saaltür fragte: "Wenn wir keine Demokratie haben – warum geht die Tür da jetzt nicht auf und ein Trupp Bereitschaftspolizisten stürmt herein, um uns alle in den Knast zu werfen? Wir wollen immerhin eine andere Gesellschaft, den Sozialismus."
Süddeutsche Zeitung, 7. Mai 2010:
(…) hat das Forum Demokratischer Sozialismus, das Sammelbecken der Reformer in der Partei, den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm einer nahezu vernichtenden Kritik unterzogen. Dem Entwurf, im März von den Noch-Parteichefs Oskar Lafontaine und Lothar Bisky gleichsam als politisches Vermächtnis vorgestellt, bescheinigen sie ein "im Grunde neokommunistisches Politikverständnis". In einem vierseitigen Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, bemängeln sie: "Der Programmentwurf skizziert geradezu ein Horrorszenario der Welt, in dem einige Konzerne herrschen, Demokratie verhindern, Staaten Kriege um Absatzmärkte führen."
Mitteldeutsche Zeitung, 22. Juli 2010:
Der Direktor der Stasi-Opfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zur Beobachtung des Linkspartei-Politikers Bodo Ramelow durch den Verfassungsschutz begrüßt. "Das Grundgesetz besagt, daß Bestrebungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufen, nicht zugelassen sind. Die Verfassungsschutzämter haben die Aufgabe, diese Bestrebungen ausfindig zu machen", sagte er in der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Donnerstag-Ausgabe). Im Entwurf für ein Grundsatzprogramm der Linkspartei sei die Überwindung des Kapitalismus als Ziel fixiert. Auch gebe es in ihr extremistische Gruppen. So lange diese frei agieren könnten, dürften Ramelow und andere sich nicht über Beobachtung wundern. "Das ist ein bißchen so, wie wenn sich die Betreiber einer Moschee darüber beklagen, daß sie beobachtet werden, wenn sich in ihrem Hinterzimmer fundamentalistische Extremisten versammeln und zu Anschlägen aufrufen."
Der Tagesspiegel, Berlin, 4. August 2010:
Birke Bull aus Sachsen-Anhalt sagte, die gesellschaftliche Analyse im Entwurf lese sich "eher wie die Illustration des Grauens", der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich machte ein "neokommunistisches Politikverständnis" aus. Bundestagvizepräsidentin Petra Pau sagte, der Entwurf sei ihr "zu schwarzweiß, zu widersprüchlich, zu beliebig".
Aus einer Dokumentation von Wulf Kleus