Der Klimawandel und die G8
Marko Ferst, Gosen
Der G8-Gipfel symbolisiert in prominenter Weise das aktuelle Weltwirtschaftssystem und die zahlreichen Umweltsünden, die sich aus ihm ergeben, sind Teil dieser Entwicklungsrichtung. Nicht zuletzt diese acht einflußreichen Länder treiben das neoliberale Modell voran, sorgen für eine zunehmend größere Spaltung zwischen Arm und Reich. In Zusammenarbeit mit Weltbank, IWF und WTO führen sie die weltweite Privatisierung und gleichzeitige Deregulierung voran, und müssen zunächst die Logik ihrer Politik grundlegend korrigieren, bevor man Ihnen in irgendeiner Weise Vertrauen schenken könnte.
Ohne wirksamen Klimaschutz und Umweltvorsorge in allen Bereichen der Gesellschaft, wird der Grundstein für extreme soziale Verwerfungen gelegt, die uns schon mittelfristig bevorstehen könnten. Die Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels stehlen sich aus der Verantwortung, und es wird nicht reichen, wenn wir aus Heiligendamm im Juni 2007 Lippenbekenntnisse ohne weitgehende praktische Folgen zu hören bekommen. Das CO2-Reduktionsziel der EU von 20% ist völlig unzureichend. Dies wird auf der Ausgangsbasis von 1990 berechnet. Damit ist der größte Teil dieses Ziels längst erreicht durch die drastischen Rückgänge in Osteuropa.
Aus der Pressemitteilung des Bundesumweltministeriums zum Umweltministertreffen im März 2007 in Potsdam liest sich heraus, wie schwierig Veränderungen in den G8-Ländern sind: für einen echten Durchbruch muß die Bandbreite internationaler Umweltverhandlungen vergrößert werden. Die Erklärung zur biologischen Vielfalt enthält dringend überfällige Forderungen. Der illegale Handel mit seltenen Arten muß ausgetrocknet werden, illegaler Holzeinschlag besonders in den Regenwäldern unterbunden, invasive Arten, die die heimische Artenvielfalt bedrohen, sind zu stoppen.
In den letzten 15 Jahren verschwand eine Regenwaldfläche dreimal so groß wie Deutschland. Bisher ist nicht erkennbar, daß die Weltgemeinschaft ernsthaft diesen Aderlaß stoppt oder deutlich verlangsamt. Mit dem rasanten Verschwinden der Regenwälder und immer mehr durch den Klimawandel ausgebleichten Korallenriffen verlieren wir die beiden artenreichsten Refugien des Planeten und damit die „Kinderstuben“ der Evolution. Prof. Wolfgang Engelhart errechnete allein anhand der Vernichtungsrate des Regenwaldes bei angenommen 10 Millionen Arten insgesamt eine tägliche Aussterberate von 370 Tier- und Pflanzenarten.
Der G8-Gipfel in Heiligendamm sollte ein Klimakrisengipfel werden, auf dem ernsthafte Bemühungen zur Klimagasreduktion in allen beteiligten Ländern beraten werden. Für Deutschland hieße dies z.B., daß man gegenüber 1990 mindestens 40% der Treibhausgase bis 2020 einspart, so wie dies die Umweltverbände fordern. Schritt für Schritt muß eine Lebens- und Arbeitsweise vorbereitet werden, die frei von klimarelevanten Emissionen ist. Global gesehen sind aber die Kohlendioxidemissionen von 2000 bis 2007 um nahezu 20% gestiegen.
Solange man eine Perspektive anstrebt, wie im Kommunique des Gleneagler G8-Gipfels zu „Klimawandel, sauberer Energie und nachhaltiger Entwicklung“ nachzulesen, die auf ein „starkes Wirtschaftswachstum“ setzt und man mit einem globalen Energiebedarf rechnet, der bis 2030 noch einmal um 60% steigen würde, wird am Ende der Untergang der heutigen Zivilisation stehen. Energieeffizienz und erneuerbare Energien, schadstoffarme Fahrzeuge u.a. werden im dazugehörigen Aktionsplan zwar erörtert, doch konkret meßbare Vorgaben und Ziele fehlen. Zudem – auf einer endlichen Erde bei begrenzten Rohstoffvorräten ist ein andauerndes Wirtschaftswachstum schlicht unmöglich. Als erstes wird es uns beim Öl treffen. Das Angebot wird unter die steigende Nachfrage sinken und damit samt spekulativen Effekten Erdöl unaufhörlich teurer werden lassen. Je nach Steigerungsrate beim Verbrauch reichen die Vorräte nur noch 30-40 Jahre, sind aber schon zwischen 2010 und 2020 nicht mehr in der gewünschtem Menge verfügbar. Die militärische Sicherung des Ölnachschubs für einige Industriestaaten, G8-Staaten sind daran maßgeblich beteiligt, schafft auf destruktive Weise immer neue Konfliktzonen. Kraftstoffe, die aus Pflanzen hergestellt werden, treten mit der Ausweitung der Anbauflächen in Konkurrenz zu Nahrungspflanzen und sorgen damit für eine zunehmende Knappheit bei bestimmten Lebensmitteln, die für die Ärmsten in vielen Ländern der Erde immer schwerer erschwinglich werden.
Die G8 müßten auf eine solare Energiewende hinarbeiten. Mehr Energiesicherheit ist nur mit einem konsequenten Kurs auf 100% erneuerbare Energien zu erreichen bei energischen Anstrengungen, Energie effizienter zu nutzen bzw. einzusparen. Dort heißt die Richtung Faktor Zehn an Einsparpotential. Erdöl und Erdgas, Kohle und Uran müssen bei etlichen Ländern der G8 für teure Finanzen eingeführt werden – Wind, Biomasse, Sonne, Wasser und geothermische Kräfte haben diesen Nachteil nicht. Atomenergie kann bei schweren Unfällen ganze Staaten durch den radioaktiven Niederschlag in den Ruin treiben und ein AKW-Neubau ist unter den heutigen Marktbedingungen ökonomisch unrentabel. Die Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll, der über etliche Millionen Jahre abgeschirmt von der Biosphäre gelagert werden muß, stellt ein Himmelfahrtskommando dar.
Wir bräuchten eine grundlegende Verkehrswende. Nicht nur das 3-Liter-Auto und künftig noch weniger Kraftstoffverbräuche wären anzustreben, sondern der Güterverkehr muß auf die Schiene. Viele Produkte wären wieder in der Region selbst herzustellen und gehören nicht über Tausende Kilometer hin- und hertransportiert. Der öffentliche Verkehr darf nicht immer weiter ausgedünnt werden, sondern gehört ausgebaut.
Die Trägheitskräfte sind geschichtlich beispiellos und das Abwarten und Verzögern, daß die G8-Staaten vorführen, die USA haben nicht mal das Kyotoabkommen unterzeichnet, wird seinen Preis haben. Immer deutlicher zeichnet sich ab, der Klimawandel vollzieht sich viel schneller als Politik und Gesellschaft zu handeln bereit sind. Viele Effekte sind schon längst unvermeidlich geworden, weil 20 Jahre lang mit offenen Augen geschlafen wurde. Es ist notwendig, den nicht mehr abwendbaren Anteil der Erderwärmung in politische Folgerungen zu übersetzen. Alle Maßnahmen bei Infrastruktur, Raumordnung, Stadtentwicklung, Küstenschutz und in der Landschaftspflege etc. sind zu überprüfen. Sie müssen so angelegt sein, daß durch sie in den kommenden Klimaveränderungen keine zusätzlichen Nachteile entstehen, und dies könnte man durch Anhörungsverfahren versuchen umzusetzen.
Die schlimmsten Folgen des Klimawandels werden aber weniger die G8-Staaten zu tragen haben, sondern die Menschen in den ärmeren Staaten. Die zunehmende Dürre in Afrika zwingt immer mehr Menschen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Das sich verändernde Klima raubt ihnen die Existenzgrundlagen. In Entwicklungsländern weiten sich extreme Unwetter viel schneller zu Katastrophen aus. Für Europa geht gerade einer der wärmsten Winter zu Ende, und es beginnt der Sommer im Frühling. Damit endlich die Zeichen auf Grün gestellt werden für nachhaltigen Klimaschutz, dafür müssen auch die Protestler und Protestlerinnen bei ihren Kundgebungen und Workshops gegen den G8-Gipfel vollen Einsatz zeigen.