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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Der Iran und die Islamische Revolution

Lilo Lottermoser, Hamburg

Am 16. Januar 1979 floh Shah Reza Pahlavi aus dem Iran, zunächst in die USA, dann nach Kairo. Der Schiitenführer Ruhollah Khomeini kehrte am 1. Februar desselben Jahres mit Zustimmung der USA aus dem Exil in Paris in den Iran zurück.

Am 1. April 1979 proklamierte er die "Islamische Republik Iran".

Kritische Berichte sagen, die ‚verdeckte’ Vorgeschichte dieser Geschehnisse, die Hilfe des Westens, vor allem der USA, die die Revolution erst möglich machten, würde weitgehend ignoriert; nicht zuletzt durch die iranische Regierung selbst.

In einer Veröffentlichung von Interpress Service heißt es (paraphrasiert):

Die Westmächte hatten erkannt, daß die iranische Gesellschaft am Ende der 70er Jahre an der Schwelle zu einem fundamentalen Wechsel stand. Nachdem sie die großen Differenzen zwischen den sehr unterschiedlichen Oppositionsgruppen erkannt hatten, verschafften sie ihnen Zugang zu Medien und weitere Öffentlichkeit. Dadurch beschleunigten sich die Veränderungen mit unerwarteter Geschwindigkeit. Im nächsten Stadium, und zwar, um die Sowjetunion daran zu hindern, die Situation zu ihren Gunsten zu verwenden, wählten sie aus allen existierenden Oppositionsgruppen die religiösen Kräfte aus, die ihrem Wesen nach antikommunistisch waren, aber gleichzeitig eher moderat, gebildet und relativ technokratisch. Diese Beziehung hielt bis zur fast anderthalbjährigen Besetzung der US-Botschaft in Teheran am 4. November 1979, die jedoch allein (zunächst gegen Khomeinis Willen) von radikalen religiösen Kräften durchgeführt wurde.

Zehn Jahre davor hatten die USA noch etwa 40.000 militärische und 20.000 zivile Berater im Iran. Darin liegt auch ein Grund für die überwältigende allgemeine Zustimmung zur Revolution gegen den Shah. Denn nachdem die CIA 1953 in der ‚Operation Ajax’ die Hauptrolle beim Putsch gegen die nationalistische, demokratisch gewählte Regierung von Mohammad Mossadeq (der u.a. die Ölquellen verstaatlichte) gespielt hatte und der Shah aus dem Exil zurückgekehrt war, dominierten die USA 25 Jahre lang die Politik und die Wirtschaftsform des Iran und akzeptierten problemlos die überaus autoritäre, vom Geheimdienst Savak gnadenlos durchgesetzte Herrschaft des Monarchen. Der besonders tiefsitzende und komplexe Antiamerikanismus, der das ganze politische Spektrum von der radikalen Linken bis zu Teilen der Monarchisten im Iran überspannt, hat hier seine Ursache. Die Religiösen bezeichnen die USA als "den Großen Satan".

Hinter der islamischen Revolution stand kein geeinter, laß allein monolithischer Block von schiitischen Gelehrten und ihren Anhängern. In einem kritischen iranischen Überblick über die ersten Revolutionsjahre heißt es noch für 1986: "Das Ayatollah-Khomeini-Regime fand sich den Herausforderungen verschiedener Oppositionsgruppen ausgesetzt, die Royalisten, Bürokraten der ‚Nationalen Front’, Intellektuelle und Professionelle, Kommunisten, Guerilla-Organisationen, Kurdische Rebellen und anerkannte mojtahids (Shia-Kleriker, deren hohe Gelehrsamkeit ihnen das Privileg verleiht, das Recht zu interpretieren) umfaßten."

Von ihnen operieren inzwischen viele aus dem Ausland, andere sind in Kämpfen getötet oder hingerichtet worden. Die Kommunisten fielen 1983 Säuberungen anheim, als die Führung der Tudeh-Partei fast vollständig eliminiert war.

Einer der von den USA als ‚passend’ Angesehenen, Mehdi Bazargan, wurde im Februar 1979 der erste Premierminister des revolutionären Regimes. Er und seine Regierung konnten aber ihre Ämter in der Praxis nicht nennenswert ausüben, da von großen Bevölkerungteilen keine Zentralgewalt anerkannt wurde. Es gab Hunderte von teilunabhängigen revolutionären Komitees, die im ganzen Land verschiedene Funktionen in größeren Städten ohne zentrale Kontrolle ausübten. Fabrikarbeiter, Beamte, Angestellte und Studenten übernahmen Ämter und wählten sich ihre eigenen Vorgesetzten. Die vom Premierminister eingesetzten Gouverneure, Militärkommandanten und andere Amtspersonen wurden häufig von den Subalternen oder der Bevölkerung abgelehnt. Eine Riege politischer Gruppen, von radikal links bis radikal rechts, von säkular bis ultra-islamisch konkurrierten um politische Macht, forderten die Durchsetzung ihrer Programme ein und schnelles Handeln vom Premierminister. Ayatollah Mohammad Beheshti (der später bei einem schweren Bombenanschlag auf das Hauptquartier der IRP ums Leben kam) gründete die "Islamische Republikanische Partei" (IRP), die bis zu ihrem Verbot einige Jahre später die Partei der Kleriker um Ayatollah Khomeini wurde.

Daneben gab es auch innerhalb der Regierung mehrere Leitungsgremien. Als Oberster Führer sah Khomeini sich nicht an Regierungsentscheidungen gebunden. Er gab politische Richtlinien aus, ernannte Leiter von wichtigen Regierungsorganisationen, gründete neue Institutionen und verkündete Entscheidungen, ohne den Premierminister zu fragen. Dieser mußte die Macht mit dem Revolutionsrat teilen, den Khomeini im Januar 1979 geschaffen hatte und der ursprünglich aus Khomeini-nahen Klerikern, säkularen politischen Führern, die Bazargan nahestanden, und zwei Repräsentanten der Streitkräfte bestehen sollte.

Als die provisorische Regierung geschaffen wurde, schieden Bazargan und seine Kollegen aus dem Rat aus und bildeten das Kabinett. Dieses sollte die Exekutive, der (nicht gewählte) Revolutionsrat die oberste Entscheidungsinstanz und die Legislative bilden. Das in dieser Entscheidung angelegte Konfliktpotential wirkte sich bald aus. Während die Regierung eine schnelle Rückkehr zur ‚Normalität’ einer starken Zentralregierung wollte, setzte der Revolutionsrat stärker auf Popularität und die islamistische Stimmung der Massen und favorisierte radikalere ökonomische und soziale Maßnahmen.

Gelöst ist das Grundproblem der Machtteilung bis heute nicht.

Im Bereich der Gerichtsbarkeit wurde und wird der Konflikt besonders deutlich. Zwar wurde das islamische Strafgesetz, die Sharia, erst 1982 in Kraft gesetzt, die Revolutionären Gerichte aber wurden mit Khomeinis Erlaubnis unmittelbar nach der Revolution eingerichtet und blieben Gegenstand heftiger Kontroversen.

Weil der Bazargan-Regierung keine öffentlichen Sicherheitskräfte zur Verfügung standen, konnte die Kontrolle auf den Straßen leicht in die Hände der Kleriker des Revolutionsrats und der IRP, der die Revolutionsgerichte unterstanden, übergehen und ihr Einfluß auf die Revolutionären Komitees, die Schlägertruppen der "Partisanen der Partei Gottes" (Hesbollahis) und die furchtbaren Pasdaran für ihre Zwecke genutzt werden.

Khomeini hatte die Pasdaran (Islamisches Revolutionäres Gardecorps oder Revolutionsgarde) im Mai 1979 als eine militärische Streitmacht und Gegengewicht zur regulären Armee gegründet. Sie sollten gegenüber der Revolution und den führenden Klerikern loyal sein und im Kampf gegen die linke Guerilla und Streitereien zwischen ethnischen Minderheiten eingesetzt werden. Im Ausland wurden sie vor allem durch ihre gnadenlose Willkür in der Ausübung ihres Amtes als Sittenpolizei bekannt.

Mittels der Gründung zweier weiterer Organisationen, der "Stiftung für die Enterbten" und des "Jihad für Rekonstruktion" sicherte sich die Khomeini-Fraktion im Laufe der Zeit gewaltige Reichtümer durch die Übernahme der Pahlavi-Stiftung, nationalisierter und enteigneter Fabriken, Immobilien, Handelsfirmen und auch zwei Zeitungsketten. Durch diese Organisationen ließ sie – islamisch korrekt – Besitzlosen helfen und junge Leute in die Provinz schicken, um Schulen, Kliniken und Straßen zu bauen und, en passant, ihren Einfluß auf die Massen zu verstärken. Berichten zufolge soll zumindest ein großer Teil dieser Besitztümer inzwischen unter der Verwaltung der Nationalen Revolutionsgarde stehen.

Unter diesen konträren Machtverhältnissen, während sich im Land Dutzende von Faktionen bekämpften, Morde, parteiliche Todesurteile und extralegale Hinrichtungen an der Tagesordnung waren und 1980 der Krieg mit dem Iraq begann, war an die Instituierung einer Gerichtsbarkeit, die in der Lage gewesen wäre, national Recht und Gesetz durchzusetzen, nicht zu denken. Die "Versammlung der Experten" hatte zwar im Dezember 1979 eine Verfassung vorgelegt, die per Referendum angenommen wurde, aber sie blieb weitgehend wirkungslos. Die Regierungen und ihre Chefs wurden entsprechend den jeweiligen Kräfteverhältnissen ausgewechselt, auch durch Hinrichtung oder Verbannung, Wahlen wurden manipuliert, Parteien verboten, das Parlament eingeschüchtert. Von Kritikern wurde behauptet, daß es Wahlen im Iran nur gäbe, weil die unteren und unteren Mittelklassen konservativ religiös wählten und ihre große Anzahl den Klerikalen nützten.

Am 21. Juni 1981 konnte die klerikale Faktion die Absetzung des Präsidenten Bani Sadr als Symbol für ihren Triumph über alle ehemaligen Verbündeten verbuchen.

Ajatollah Ruhollah Khomeini starb am 3. Juni 1989.

Der bisherige Staatspräsident Ali Khamenei wurde am 4. Juni 1989 vom inzwischen so genannten Wächterrat zum neuen obersten Religionsführer bestimmt.

Der amtierende Parlamentspräsident Ali-Akbar Rafsandjani wurde Präsident und 1992 mit sehr hoher Stimmenzahl wiedergewählt. Ihm fielen durch eine Verfassungsänderung, durch die die Position des Ministerpräsidenten entfiel, größere exekutive Befugnisse zu. Ihm folgte 1997 bis 2004 Mohammed Khatami.

In Rafsandjanis Amtszeit gab es trotz vielfältigen Drucks von Seiten der alten Revolutionsgarde einige Fortschritte. Die Justiz wurde effizienter, und die Revolutionären Komitees wie auch die Pasdaran wurden stark reduziert und der Umfang ihrer Funktionen eingeschränkt. Der Präsident initiierte eine verbesserte Staatsverwaltung und investierte in vor allem naturwissenschaftliche Forschung, in Bildung und ökonomische Entwicklung, darin ähnlich den Pahlavis seit 1921. Wirtschaftlich war er in Bezug auf von ihm bevorzugte Privatisierungsvorhaben durch die alte Garde aus ideologischen Gründen eingeschränkt. Ihre merkantile Klientel, die Bazaaris (konservative Großhändlergruppen), sind noch immer einflußreich. Die Mittelklasse wuchs wieder.

Frauen befinden sich im postrevolutionären Iran in einer höchst widersprüchlichen Situation. Einerseits haben sie durch die Revolution viel an vorher gesetzlich geschützter Freiheit verloren. Schon der erste Shah verbot die Verschleierung (Männer durften keine traditionelle Kleidung tragen) und verlieh ihnen 1936 das Stimmrecht. Sie durften ohne Erlaubnis ihrer Männer reisen und vor allem auch studieren und erwerbstätig sein. Auch konnten sie eine Scheidung einreichen und das Sorgerecht für ihre Kinder erhalten.

Studieren, arbeiten und wählen dürfen sie auch jetzt noch, aber das Gesetz der sharia und der traditionelle Machismo bilden Hemmnisse, gegen die inzwischen immer mehr Frauen aufbegehren. Gleichzeitig erlauben mehr Männer als vor der Revolution Frauen eine Berufsausbildung, mit der Begründung, sie seien nun außer Haus sicher. An den Universitäten studieren inzwischen mehr Frauen als Männer; auch in technischen Fächern.

Präsident Khatami wurde als Reformer gewählt. Er forderte zum Jahrestag der Revolution 2004 Demokratie und politische Freiheiten und mehr soziale Gerechtigkeit, deren Einführung ihm aber durch den Wächterrat mittels Ausschluß von reformerischen Kandidaten zur vorangegangenen Parlamentswahl unmöglich gemacht worden war. Der ‚neue Konservatismus’ wollte vor allem eine Verbesserung der ökonomischen Bedingungen und einen starken, führenden Staat.

Als Mahmud Ahmadinejad 2005 zum Präsidenten gewählt wurde, hatte der Iran längst den Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen ratifiziert und 2004 aller Welt erklärt, daß er keine Atomwaffen bauen – das sei zudem unislamisch –, sondern nur Atomkraftwerke bauen und dafür Uran schwach anreichern wolle. Seitdem belegt der Westen, vor allem die USA, den Iran mit immer weiteren Sanktionen, die dessen Wirtschaft bedeutenden Schaden zufügen. Außerdem bedrohen Israel und die USA das Land mit Krieg und dessen Vorbereitung. Es gibt jedoch bis heute keine Beweise dafür, daß der Iran an der Herstellung von Atomwaffen arbeitet.

Ahmadinejad, der kein Kleriker ist und sich eher als Vertreter der unteren Klassen sieht, hat sich in seiner Amtszeit als stärker und selbstbewußter erwiesen, als die Religionswächter erwartet hatten. Wirksame Demagogie, Vernachlässigung traditioneller Diplomatie und eigenwillige Entscheidungen sind Kennzeichen seines Führungsstils. Mit seinen Reisen in die USA zur UNO und zu Gesprächen mit US-amerikanischen Diplomaten hat er ein bedeutendes Tabu im Bereich der iranisch-amerikanischen Beziehungen gebrochen. All das hat ihm die Kritik sämtlicher Fraktionen im Iran eingebracht, auch seiner eigenen. Religionsführer Khamenei läßt ihm offensichtlich erheblich mehr Spielraum als seinen Vorgängern. Sozial-ökonomisch hat er gleichwohl wenig erreicht. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden 2009 statt.

Der Iran hat auf Grund seiner Größe und seines historischen kulturellen und politischen Einflusses eine unbezweifelbare Bedeutung in der Region. Die fundamentalistischen Shia-feindlichen saudischen Wahabis, algerische Salafis und pakistanische Deobandis, die al-Qaida unterstützen, suchen immer deutlicher nach Wegen, den Iran als Zentrum der Shia zugunsten sunnitischer Oberhoheit zu schwächen. Die US-amerikanische hegemoniale Geopolitik, wie sie wesentlich von Zbigniew Brzezinski, der auch einer der außenpolitischen Berater Barack Obamas ist, formuliert wurde, verlangt die Hegemonie speziell über den Iran nicht nur wegen des Öls (auch des kaspischen), sondern wegen der Einkreisungsabsicht gegenüber Rußland und dessen schließlicher Zerstückelung.

Die iranische Zusammenarbeit mit Rußland und China und der Gaststatus in der Shanghai-Kooperation sollen dieser Bedrohung entgegenwirken.

Angesichts der deutlicher werdenden Differenzen innerhalb des führenden Klerus und lauter werdender demokratischer Forderungen im Iran und der vorläufig noch sehr unklaren außenpolitischen Pläne der zukünftigen US-amerikanischen Administration bleiben die politischen Zukunftsaussichten beider Gegner undeutlich.