Der Gedanke des Friedens gehört einer Welt an, die Nazigehirnen unzugänglich ist
Thomas Mann, März 1945
Die Fortsetzung des Krieges durch Deutschland über die Niederlage hinaus bis zur Vernichtung hat nichts mit Heroismus zu tun, sondern ist in der Tat ein Verbrechen – begangen am deutschen Volk durch seine Führer. Der selbstmörderische Kampf des Volkes ist nicht freiwillig, sondern wird durch moralischen und physischen Terror von ihm erpresst –von Machthabern, die ihm vorspiegeln, es verblute für seine Ehre und Selbsterhaltung, während es in Wirklichkeit sein Letztes und mehr als sein Letztes an das Überleben der Schurken setzt, die es in diesen Krieg getrieben haben und die um keinen Preis abdanken wollen, auch nicht um den Preis des völligen Ruins Deutschlands. Im Gegenteil: sie ketten Deutschlands völligen Ruin, der keineswegs im Interesse Europas und der Welt liegt, an·ihren eigenen Untergang und wollen auf diese Weise die Sieger zwingen, mit ihnen Frieden zu machen …
Insbesondere sind es die westlichen, die angelsächsischen Völker, die sie damit zu erschüttern und zu ködern suchen, denn sie taufen den heillosen Zustand, in den sie Deutschland zu versetzen drohen, auf den Namen des »Bolschewismus« und suchen so den verlorenen Zweifrontenkrieg, den Deutschland·ihnen verdankt, in einen Krieg gegen Russland allein zu verwandeln. Am Rhein, lassen sie wissen, werden sie die Waffen niederlegen, wenn man sich mit ihnen verständigt, und alles, was ihnen an Kampfkraft bleibt, im Osten konzentrieren, um das ihnen so teuere Europa vor dem »Bolschewismus« zu bewahren. Kurzum, ihre Hoffnung ist, die demokratischen Mächte zum Verrat an ihrem sozialistischen Verbündeten bereden zu können – einen Verrat, für dessen Infamie ihnen jedes Verständnis abgeht und der ihnen ganz natürlich scheint.
Nun winkt ihr Rundfunk mit einem Waffenstillstand·im Westen, nun arbeitet ihr Ribbentrop in Schweden, ihr Massenmörder Himmler beim Vatikan … Sie haben nie begriffen und begreifen noch heute nicht, dass es mit ihnen, den hundertfach vertragsbrüchigen Kanaillen und Schindern der Christenheit, kein Verhandeln und keinen Frieden gibt, dass sie weltunmöglich sind und zu verschwinden haben … und sollte Hitler die Kühnheit haben, sich zu verheiraten, so wird man auch mit der Frau Führerin nicht Frieden schließen. Der Gedanke des Friedens gehört einer Welt an, die Nazigehirnen unzugänglich ist.
Aus einer Rundfunkrede von Thomas Mann, aufgenommen in den USA, vom Londoner Rundfunk (BBC) gesendet am 20. März 1945. – Quelle: Thomas Mann: »Deutsche Hörer! Fünfundzwanzig Radiosendungen nach Deutschland«, Leipzig 1970, S. 140 ff.