Der Dreimächtepakt – Bündnis für den Krieg
Ronald Friedmann, Berlin
Vor 70 Jahren, am 27. September 1940, unterzeichneten der faschistische deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop, sein italienischer Amtskollege Graf Galeazzo Ciano und der japanische Botschafter in Deutschland, Saburu Kurusu, in Berlin den sogenannten Dreimächtepakt. In den folgenden Wochen und Monaten schlossen sich dem Bündnis weitere Staaten an, die sich bereits zuvor durch bilaterale Verträge und andere Vereinbarungen an das faschistische Deutschland gebunden hatten. Zwischen dem 20. und dem 24. November 1940 waren das zunächst Ungarn, Rumänien und die Slowakei, dann folgte am 1. März 1941 Bulgarien. Am 25. März 1941 schließlich trat das Königreich Jugoslawien dem Abkommen bei, seine Mitgliedschaft im Dreimächtepakte dauerte allerdings nur zwölf Tage: In Berlin waren nach einem pro-britischen Staatsstreichversuch Zweifel an der Bündnistreue Belgrads aufgetaucht, die deutsche Wehrmacht marschierte deshalb kurzfristig in Jugoslawien ein und besetzte das Land. Im Ergebnis der Invasion wurde Jugoslawien innerhalb weniger Wochen als eigenständiges Völkerrechtssubjekt zerschlagen, obwohl Ribbentrop noch am Tage des jugoslawischen Beitritts zum Dreimächtepakt in einer diplomatischen Note offiziell versichert hatte: "Aus Anlaß des am heutigen Tage erfolgten Beitritts Jugoslawiens zum Dreimächtepakt bestätigt die deutsche Regierung ihren Entschluß, die Souveränität und die territoriale Integrität Jugoslawiens jederzeit zu respektieren." Am 10. April 1941 konstituierte sich in einem Teil des besetzten jugoslawischen Territoriums der von der faschistischen Ustascha geführte sogenannte Unabhängige Staat Kroatien, der sich am 15. Juni 1941 dem Dreimächtepakt anschloß.
Nicht wenige Historiker heben in ihren Untersuchungen zur Vorgeschichte und Geschichte des Zweiten Weltkriegs hervor, daß der Dreimächtepakt im Grunde nur auf dem Papier existierte, daß er also kaum praktische Bedeutung erlangte. Denn der nachfolgende Kriegsverlauf, vor allem aber die widerstreitenden Interessen der Unterzeichnerstaaten, hätten seine Umsetzung verhindert. Das ist durchaus zutreffend, doch für eine angemessene Bewertung des Dreimächtepaktes ist es notwendig, dieses Abkommen nicht isoliert zu betrachten, sondern es in den größeren historischen Zusammenhang einzuordnen, in dem es zustande kam: Der Dreimächtepakt war wesentlicher Bestandteil eines ganzen Komplexes von bilateralen und multilateralen Verträgen und Vereinbarungen, die zwischen 1936 und 1940 von den faschistischen und anderen bellizistischen Staaten in den verschiedenen Teilen der Welt abgeschlossen wurden und die in ihrer Gesamtheit der Vorbereitung und Führung des Zweiten Weltkrieges dienen sollten.
Bereits am 25. November 1936 hatten Deutschland und Japan den sogenannten Antikominternpakt unterzeichnet, der sich, für einen Vertrag zwischen zwei Staaten ein rechtsgeschichtliches Novum, nicht gegen einen dritten Staat, sondern gegen eine internationale Organisation, eben die Komintern, also die Kommunistische Internationale mit Sitz in Moskau, richtete. Ein Jahr später, am 6. November 1937, trat Italien dem Antikominternpakt bei. Nach den Vorstellungen Hitlerdeutschlands sollte aus der "Achse Berlin-Rom-Tokio", wie das Vertragsgebilde nun allgemein genannt wurde, ein "Weltpolitisches Dreieck" entstehen. Doch das gegenseitige Mißtrauen der "Achsenmächte", so ein weiteres Synonym für die "Bündnispartner" im Antikominternpakt, war so groß, daß Italien nicht einmal über die Existenz eines geheimen Zusatzabkommens informiert wurde, mit dem sich Deutschland und Japan verpflichteten, keine völkerrechtlichen Verträge mit der Sowjetunion abzuschließen, die dem "Geist" des Paktes widersprechen würden.
Am 22. Mai 1939 schlossen Deutschland und Italien in Berlin den sogenannten Stahlpakt, der eine enge militärische Zusammenarbeit und unbedingte gegenseitige Unterstützung im Fall eines Krieges – auch eines Angriffskrieges – vorsah. Eine Teilnahme Japans wurde in diesem Falle nicht angestrebt.
Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. (24.) August 1939, von bürgerlichen Historikern in Verfälschung der historischen Umstände auch als Hitler-Stalin-Pakt bezeichnet, belastete die Beziehungen Hitlerdeutschlands zu Italien und vor allem zu Japan. Beide Staaten waren im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung nicht informiert worden, und insbesondere Japan kritisierte auf inoffiziellen diplomatischen Kanälen, daß der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag ganz offensichtlich im Widerspruch zu den Bestimmungen des Antikominternpaktes stand.
Die Krise des Vertrags- und Paktsystems zwischen Deutschland, Italien und Japan wurde endgültig offensichtlich, als sich Italien im September 1939 – entgegen den Festlegungen des Stahlpaktes – weigerte, sich an der deutschen Aggression gegen Polen zu beteiligen. Statt dessen erklärte man in Rom den Zustand der sogenannten Nonbelligeranza, also der "Nicht-Kriegführung", ein rabulistischer Trick, um den – aus hitlerdeutscher Sicht – offensichtlichen Vertragsbruch zu kaschieren.
Der Dreimächtepakt vom September 1940 muß deshalb in erster Linie als Versuch der Hitlerregierung gesehen werden, ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in Europa das de facto gescheiterte Bündnissystem der Vorkriegszeit wiederzubeleben und gleichzeitig Signale an die tatsächlichen und potentiellen Kriegsgegner hinsichtlich der weiteren Kriegsziele der "Achsenmächte" auszusenden.
Beweismittel im Nürnberger Prozeß
So kann es kaum verwundern, daß der Dreimächtepakt während des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher eine wichtige Rolle spielte und von den Anklägern sehr früh einer genauen Analyse unterzogen und insbesondere hinsichtlich des zweiten Anklagepunktes "Verbrechen gegen den Frieden" in die Beweisaufnahme eingeschlossen wurde. Bereits am 16. Verhandlungstag, das war der 10. Dezember 1945, äußerte sich Sidney S. Alderman, Beigeordneter Ankläger für die Vereinigten Staaten von Amerika, vor dem Internationalen Gerichtshof: "Am 27. September 1940, ungefähr vier Jahre nach Unterzeichnung des Antikominternpaktes und ein Jahr nach Beginn des Krieges in Europa, unterschrieben die Regierungen Deutschlands, Italiens und Japans einen weiteren Pakt in Berlin, und zwar ein militärisch-wirtschaftliches Bündnis auf zehn Jahre. [...] Der Dreimächte-Pakt verpflichtete Deutschland, Italien und Japan zur gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit bei der Schaffung einer 'Neuen Ordnung' in Europa und Ostasien. Ich möchte Teile dieses weitreichenden Abkommens für das Verhandlungsprotokoll verlesen. ‚Die Regierungen von Deutschland, Italien und Japan sehen es als eine Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden an, daß jede Nation der Welt den ihr gebührenden Raum erhält. Sie haben deshalb beschlossen, bei ihren Bestrebungen im großostasiatischen Raum und in den europäischen Gebieten Seite an Seite zu stehen und zusammenzuarbeiten, wobei es ihr vornehmstes Ziel ist, eine neue Ordnung der Dinge zu schaffen und aufrechtzuerhalten, die geeignet ist, Gedeihen und Wohlfahrt der dortigen Völker zu fördern. Es ist ferner der Wunsch der drei Regierungen, die Zusammenarbeit auf solche Nationen in anderen Teilen der Welt auszudehnen, die geneigt sind, ihren Bemühungen eine ähnliche Richtung wie sie selbst zu geben, damit so ihre auf den Weltfrieden als Endziel gerichteten Bestrebungen verwirklicht werden können. Dementsprechend haben die Regierungen von Deutschland, Italien und Japan folgendes vereinbart:
- Artikel 1: Japan anerkennt und respektiert die Führung Deutschlands und Italiens bei der Schaffung einer neuen Ordnung in Europa;
- Artikel 2: Deutschland und Italien anerkennen und respektieren die Führung Japans bei der Schaffung einer neuen Ordnung im großostasiatischen Raum;
- Artikel 3: Deutschland, Italien und Japan kommen überein, bei ihren Bemühungen auf der vorstehend angegebenen Grundlage zusammenzuarbeiten. Sie übernehmen ferner die Verpflichtung, sich mit allen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Mitteln gegenseitig zu unterstützen, falls einer der drei Vertragschließenden Teile von einer Macht angegriffen wird, die gegenwärtig nicht in den europäischen Krieg oder in den chinesisch-japanischen Konflikt verwickelt ist.' […]
Der Dreimächte-Pakt vom 27. September 1940 war daher eine kühne Ankündigung an die Welt, daß die faschistischen Führer Deutschlands, Japans und Italiens ein volles Militärbündnis geschlossen hatten, um die Weltherrschaft zu erreichen und um eine 'Neue Ordnung' einzurichten, die schon durch die japanische Invasion der Mandschurei im Jahre 1931, die erbarmungslose italienische Eroberung von Abessinien im Jahre 1935 und das Nazi-Überfluten nach Österreich im Frühjahr 1938 angekündigt war."
Allerdings fand während des Nürnberger Prozesses aus naheliegenden Gründen die Tatsache keine Erwähnung, daß die deutsche Seite ursprünglich beabsichtigt hatte – zumindest für eine Übergangszeit – fünf Mächte in den Pakt einzubeziehen: Die Überlegungen, die diesem Vorhaben zugrunde lagen, gingen von einer Teilung der Welt in fünf Großräume aus, die von Berlin, Rom, Tokio, Washington und Moskau aus beherrscht werden sollten. Tatsächlich war der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow am 12. November 1940 nach Berlin gekommen, um Gespräche über einen möglichen Beitritt der Sowjetunion zum Dreimächtepakt zu führen. Doch die Bedingungen, die Molotow namens der Sowjetregierung stellte, machten deutlich, daß die Sowjetunion an einem solchen Schritt nicht wirklich interessiert war. Daß das Scheitern dieser Berliner Gespräche den Anstoß für die unmittelbare Vorbereitung Hitlerdeutschlands auf den Krieg gegen die Sowjetunion gab, muß allerdings bezweifelt werden, auch wenn Hitler in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang am 18. Dezember 1940 die Weisung Nr. 21 für den "Fall Barbarossa", also den Überfall auf die Sowjetunion, erteilte: "Die deutsche Wehrmacht muß darauf vorbereitet sein, auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrußland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa). [...] Entscheidender Wert ist [...] darauf zu legen, daß die Absicht eines Angriffes nicht erkennbar wird." Denn bereits am 4. September 1936 hatte Hitler in einer streng geheimen Denkschrift zur Rüstungspolitik den Gedanken eines "unvermeidlichen" Krieges gegen die Sowjetunion in einem Regierungsdokument offiziell niedergelegt.
Die US-amerikanische Regierung hatte bereits unmittelbar nach der Unterzeichnung des Dreimächtepaktes in einer Erklärung von US-Außenminister Cordell Hull ihre Haltung deutlich gemacht: "Der gemeldete Abschluß eines Bündnisses ändert hinsichtlich der Regierung der Vereinigten Staaten nicht wesentlich eine Lage, die seit mehreren Jahren bestanden hat. Die Bekanntmachung des Bündnisses macht nur allen die Beziehungen klar, welche seit langem tatsächlich bestanden haben und auf die diese Regierung wiederholt aufmerksam gemacht hat. Daß ein solcher Vertragsabschluß im Gange war, ist seit einiger Zeit bekannt gewesen, und diese Tatsache wurde voll berücksichtigt von der Regierung der Vereinigten Staaten bei der Festsetzung der Politik dieses Landes."
Das Ende des Dreimächtepaktes
Trotz der vollmundigen Erklärungen Ribbentrops während der Unterzeichnungszeremonie in Berlin waren die Bündnisverpflichtungen der Mitgliedsstaaten des Dreimächtepaktes keineswegs so eindeutig geregelt, wie das von der Hitlerregierung gewünscht gewesen war. Deutlich wurde das spätestens im April 1941, als Japan und die Sowjetunion einen Neutralitätsvertrag abschlossen. Die Hoffnungen der deutschen Faschisten, Japan in den geplanten Krieg gegen die Sowjetunion hineinziehen zu können und damit die Rote Armee vom ersten Tag an in einen Zwei-Fronten-Krieg zu zwingen, hatten sich damit zerschlagen. Mehr noch, der japanische Überfall auf den US-amerikanischen Flottenstützpunkt Pearl Harbour im Dezember 1941 verwickelte auch Deutschland in den Krieg mit den USA, auch wenn US-amerikanische Truppen erst im Juli 1943 in Süditalien und im Juni 1944 in Frankreich landeten.
Das Ende des Dreimächtepaktes begann spätestens mit der Waffenstillstandsvereinbarung zwischen der italienischen Regierung unter Ministerpräsident Pietro Badoglio und den westalliierten Invasionstruppen im September 1943 und der nachfolgenden Kriegserklärung Italiens an Deutschland im Oktober 1943. Im Verlaufe des Jahres 1944 wechselten auch Rumänien und Bulgarien die Seiten und schlossen sich der weltweiten Anti-Hitler-Koalition an. In der Schlußphase des Zweiten Weltkriegs verschwand die damalige Slowakei, ohnehin nur ein Staatengebilde von Hitlers Gnaden, von der internationalen Bühne. Mit der bedingungslosen Kapitulation Hitlerdeutschlands am 8. Mai 1945 verblieb nur noch Japan als handlungsfähiger "Vertragspartner". Doch auch für Japan endete der Krieg mit einer bedingungslosen Kapitulation, die am 2. September 1945 auf dem US-amerikanischen Schlachtschiff "Missouri" in der Bucht von Tokio unterzeichnet wurde.
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