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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Das Projekt "Computer nach Kuba!" – solidarisch, nachhaltig und effektiv?

Volkmar Vogel, Berlin

Liebe Anwesende, warum ist gerade das Beispiel Kuba so interessant, wenn wir über ökosozialistische Perspektiven nachdenken? Ich beziehe mich auf ein Schaubild, verwendet vom Berliner Wissenschaftler Edgar Göll in einer Arbeit aus dem Jahr 2006 über die Umwelt und Nachhaltigkeitspolitik in Kuba(1). Es zeigt Kuba im internationalen Vergleich und basiert auf international anerkanntem Datenmaterial. Die senkrechte Achse veranschaulicht den sogenannten Human Development Index, mit dem die UN-Organisation für Entwicklung die Lebensqualität in ihren Mitgliedsländern einzuschätzen versucht. Im oberen Bereich ist das Entwicklungsniveau markiert, das gerade ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Horizontal abgetragen ist der dafür aufgewandte ökologische Fußabdruck – von sehr groß, links, bis sehr klein, rechts. Der Wert 1,8 ha ist gerade jene Fläche, die jedem Erdbewohner dauerhaft zur Verfügung steht.

 

Wir sehen, wie stark und in welcher Weise die Industriestaaten und die Entwicklungsländer fehlentwickelt sind, zum Beispiel die USA (linkes Dreieck), die EU-Länder (volle Kreise), Japan (mittleres volles Dreieck) und im rechten Bereich mit abnehmendem Niveau gewisse Länder aus Lateinamerika, Asien und Afrika. Kuba ist von den untersuchten Ländern das einzige, das sich innerhalb jenes markierten Quadranten (oben rechts) befindet, der für eine nachhaltige Entwicklung steht. Neuere Zahlen haben die getroffene Einordnung bestätigt.

Schon allein dieser oberflächliche Blick scheint zu rechtfertigen, daß Kuba gelegentlich als die "Insel der Nachhaltigkeit" bezeichnet wird. Diese Tatsache hat allerdings nicht nur etwas mit der relativen Armut des Landes und mit dem Embargo der USA zu tun, sondern besonders mit der Revolution und ihren Errungenschaften, zu denen – nicht erst seit 1990 – ressourcenschonendes Wirtschaften und vielfältige Umweltschutzmaßnahmen zählen.

In das erreichte Entwicklungsniveau fließen ein: Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit, Wohnungen, Leistungen des Katastrophenschutzes und vieles mehr. Wir müssen aber auch bedenken, welche internationalistischen Leistungen Kuba erbringt. Die liegen nicht nur auf dem Gebiet der Politik oder der Diplomatie, sondern sind auch materieller Art: Tausende von Lehrern und Ärzten waren und sind in anderen Ländern im Einsatz, teils auf wirtschaftlicher Basis (als Export), teils rein solidarisch. Ich denke, an dieser Stelle darf auch daran erinnert werden, daß Kuba sich in den 80er Jahren mit erheblichem Aufwand an den militärischen Anstrengungen beteiligt hat, die dazu geführt haben, das Apartheid-Regime im Süden Afrikas zu überwinden.

Insgesamt ist es beachtlich, welche großen antikapitalistischen Anstrengungen dieses Land – insbesondere pro Kopf bei nur etwa 11 Millionen Einwohnern – in der Geschichte erbracht hat. Alles, was Kuba an Solidarität empfängt, wird von ihm in höherem Maße an andere Länder weitergegeben.

Ich spreche hier als Redakteur der Zeitschrift "Mitteilungen der Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE" und zugleich als Vertreter des kleinen Projektes "Computer nach Kuba!", siehe Logo. Seit über 12 Jahren arbeitet in Berlin eine Gruppe von knapp 10 Leuten bei der Kommunistischen Plattform der Partei DIE LINKE, die sich das Ziel gestellt hat, eine kubanische Bildungseinrichtung, die in allen 15 Provinzen des Landes ihre Schulungszentren unterhält, mit der dafür benötigten Computertechnik zu versorgen.

Wie geschieht das? Wir arbeiten ohne finanziellen Einsatz für Geräte und Material (damit fehlt die marktwirtschaftliche Komponente unserer Arbeit schon einmal fast völlig), sondern auf der Basis von Sachspenden, und wir bitten unsere Spender um Geräte, Ersatzteile und Verpackungen. Die für das Projekt anfallenden Kosten teilen sich auf in eine günstige Miete für die Arbeitsräume, die wir zur Verfügung gestellt bekamen, und in die Versandkosten für die in Kartons verpackten und an die Zentrale in Havanna adressierten Geräte.

Wir sind sehr froh über die fruchtbare Zusammenarbeit mit Cuba Sí, und insbesondere über die Kooperation mit dem Verein KarEn e.V., durch den wir von der – auch finanziellen – Sorge befreit sind, wie wir die Geräte von Berlin nach Havanna transportiert bekommen. KarEn, gegründet 1992, ist ein Verein zur Förderung alternativer Energien in der Karibik, eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Berlin. Und im Rahmen der regelmäßigen Container-Transporte, die KarEn mehrmals im Jahr zu seinen verschiedenen Projekten nach Kuba unternimmt, sind sehr viele für die Energieprojekte benötigte Güter (Baumaterial, Ausrüstungsgegenstände wie Möbel und andere Sachspenden) zu transportieren. Und mit dem gleichen Transportmittel gelangen auch unsere Computer nach Havanna.

Wie sieht die Bilanz aus? Im Jahr 2008 haben wir 84 PC und 2009 mit 77 PC fast genau so viele versandfertig gemacht. Das heißt, grob überschlagen, Kuba brauchte in 10 Jahren über 500 Personalcomputer nicht zu importieren. Diese Rechner sind oftmals bereits 3 bis 5 Jahre alt, sie werden von uns geprüft, gewartet und aufgerüstet, und sie laufen dann in Kuba noch ein weiteres Mal 3 bis 5 Jahre, einige davon auch länger, weil sie den Anforderungen an eine qualifizierte Ausbildung vollauf genügen.

Wer sind unsere kubanischen Partner? Die Schulen der PCC, der kommunistischen Partei, haben 1977 bei einem Solidaritätseinsatz deutsche Genossen um Hilfe bei der Beschaffung mehrerer Rechner gebeten, um damit ihre Einrichtungen vernetzen zu können. Damit fing alles an. Aus ideologischen Gründen ist es in Kuba so, daß gerade die führende Partei die wenigsten materiellen Mittel zugeteilt bekommt. In vieler Hinsicht ist dort Selbstversorgung angesagt. Wie effektiv unsere spezielle Hilfe ist, wird deutlich, wenn man sich folgendes vor Augen führt: Unsere Partner befinden sich am Ende der Verteilungskette. Andere Bereiche der kubanischen Gesellschaft (denken wir an das öffentliche Bildungs- und Gesundheitssystem, an den Tourismus oder die Industrie) sind – bei ebenfalls knappen Ressourcen – schon deutlich besser gestellt. Einerseits gehört die Informatikausbildung in Kuba zum Pflichtprogramm für alle Lernenden, auch in der Erwachsenenbildung, und auch in den Kursen der Partei. Man sprach einmal davon, daß das Erlernen des Umganges mit dem Computer als eine "zweite Alphabetisierungskampagne" angesehen werden könne. Andererseits müßte diese Aufgabe ohne unsere Hilfe zu einem großen Teil als "Trockenübung" stattfinden.

Abschließen möchte ich mit drei Schlußfolgerungen.

1. Unser Projekt ist ein konkretes Beispiel dafür, wie man bereits heute, unter kapitalistischen Bedingungen, an der künftigen ökologisch und sozial verfaßten Gesellschaft mitarbeiten kann.

2. Die eingangs gestellte Frage, ob das Projekt solidarisch, nachhaltig und effektiv ist, kann, so hoffe ich nach diesen Darlegungen, mit Ja beantwortet werden. Unser Problem liegt in der Dimension: Wir könnten unsere Anstrengungen noch deutlich steigern, indem wir zum Beispiel mit den hier ausliegenden Visitenkarten noch intensiver werben, aber leider ist die frei verfügbare Zeit für ehrenamtliches Arbeiten in dieser Gesellschaft sehr knapp bemessen.

3. Dieselbe Tätigkeit könnte jederzeit auch innerhalb unseres eigenen Landes geleistet werden. Der Bedarf an langlebigen technischen Geräten ist überall dort hoch, wo es auf Grund fehlender Verteilungsgerechtigkeit, auch im hiesigen Bildungs- und Sozialbereich, Probleme mit der Ausstattung gibt.

Wir freuen uns sehr über jede Form der Unterstützung!

Vortrag auf der Konferenz für Ökologie und Sozialismus, am 13. und 14. März 2010 in Kassel von der Bildungsgemeinschaft SALZ e.V. in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung organisiert. Ein Bericht folgt im Heft 5/2010.

Anmerkung
Edgar Göll: Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik in Kuba: Überblick und kritische Würdigung eines Weges zur Zukunftsfähigkeit, WerkstattBericht Nr. 83, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin, Dezember 2006.