China in der Welt
Wang Yi, Außenminister der Volksrepublik China
Rede auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz am 14. Februar 2025
Sehr geehrte Exzellenzen, sehr geehrter Herr Vorsitzender Christoph Heusgen, sehr geehrte Freunde und Kollegen!
Die Welt, in der wir leben, ist eine Welt im Wandel. Viele Menschen fragen sich, in welche Richtung sich die Welt bewegt, und wenn ich einmal das Motto des Münchener Sicherheitsberichtes entleihen darf, dann muss ich sagen, dass sich die Welt in eine Richtung der multipolaren Welt bewegt.
Die Vereinten Nation hatten vor 80 Jahren nur 51 Mitgliedsstaaten. Inzwischen sind es 193 Mitgliedsstaaten, die alle zusammen in einem Boot sitzen. Die multipolare Welt ist nicht nur eine historische Notwendigkeit, es ist auch eine Realität. Die Frage ist, ob diese multipolare Welt Chaos, Konflikt und Konfrontation mit sich bringen wird. Wird es zu einer Dominanz von großen Ländern führen? Und die Antwort Chinas ist, dass wir uns für eine gerechte und geordnete multipolare Welt einsetzen sollten. Das ist einer der Vorschläge von Präsident Xi Jinping, und das ist auch unsere Hoffnung für eine multipolare Welt. China wird in dieser multipolaren Welt ein Pol der Sicherheit und eine konstruktive Kraft in dieser sich verändernden Welt sein, und ich möchte zunächst einmal mich für die Gleichbehandlung einsetzen. Die Rivalität zwischen Großmächten hatin der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt, wie z.B. in den beiden Weltkriegen, aber auch in der jüngeren Vergangenheit, egal ob es der Kolonialismus war oder andere Rivalitäten, es hat häufig zum Niedergang geführt und Demokratie und internationale Beziehungen, gleiche Rechte, gleiche Chancen und gleiche Regeln sollten die grundlegenden Prinzipien einer multipolaren Welt werden, und in diesem Sinne unterstützt China eine Gleichheit zwischen unterschiedlichen Ländern unabhängig von ihrer Größe, und das gilt natürlich auch für die Integration von Entwicklungsländern im internationalen System.
Dies wird letztendlich zu einer positiven Entwicklung weltweit führen. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat mehr Länder aus dem globalen Süden in den letzten Jahren eingeladen und ich glaube, das ist eine richtige Entscheidung. Alle Länder sollten gehört werden und alle Länder sollten in dieser multipolaren Welt einen Platz haben.
Weiterhin ist es wichtig, dass internationale Gesetze respektiert werden, und wie ein altes chinesisches Sprichwort besagt, können Kreise und Quadrate nicht gezeichnet werden ohne einen Zirkel und ohne ein Lineal. Das heißt, es sind wichtige Eckpunkte für diese multipolare Welt. Wir sehen viel Chaos, viel Verwirrung in der heutigen Welt, und einer der Gründe ist, dass einige Länder sich dem Recht des Stärkeren verschrieben haben und ein Gesetz des Dschungels gilt. Es ist allerdings viel mehr so, dass alle Länder unabhängig ihrer Größe einen Platz im internationalen Recht haben.
Ohne Normen, ohne Standards kann es schnell passieren, dass man an einem Tag noch mit am Tisch sitzt und am nächsten Tag schon auf dem Teller landet. Das heißt also, der Respekt der internationalen Gesetze ist entscheidend. Es geht hier nicht um ein Nullsummenspiel, und in diesem Sinne respektiert China die internationalen Gesetze und das Völkerrecht und erfüllt seine Verpflichtungen. China ist Mitglied und Unterzeichner fast aller internationalen Organisationen und von über 600 internationalen Abkommen insgesamt. Das heißt, es geht hier nicht um ein Rosinenpicken unsererseits, es geht darum, dass man Sicherheit und Gewissheit in einer unsicheren Welt bietet. Es darf keine Doppelstandards geben, wenn es um den Respekt internationaler Gesetze geht.
Souveränität und territoriale Integrität müssen respektiert werden, und das bedeutet natürlich auch, dass dies für die chinesische Wiedervereinigung gelten muss. Angesichts zunehmender globaler Herausforderungen ist kein Land davon unbetroffen, und der »Wir zuerst«-Ansatz in den internationalen Beziehungen führt nur zu einem »Lose-lose«-Ergebnis.
Wir haben zudem gesehen, dass internationale Global Governance in den vergangenen Jahren vielen Ländern weitergeholfen und eine Grundsäule dargestellt hat. Zudem sollten wir unserer Verantwortung gerecht werden, wenn es darum geht, mit globalen Herausforderungen umzugehen, und wir sollten dies tun anstatt uns nur um unsere eigenen Interessen zu kümmern. Und vor diesem Hintergrund unterstützt China echten Multilateralismus und unterstützt eine Global Governance vor dem Hintergrund gemeinsamer Beiträge und auch einem gemeinsamen und gegenseitigen Vorteil davon.
Wir leisten einen Beitrag von über 20 Prozent zu dem UNO-Haushalt, wir setzen uns für den Kampf gegen den Klimawandel ein und fördern erneuerbare Energien. Zudem haben wir uns im Rahmen der Entwicklungs-, Sicherheits- und Zivilisationsinitiativen eingesetzt.
Es ist weiterhin entscheidend, dass wir Offenheit und ein Handeln zum gegenseitigen Vorteil verfolgen, eine multipolare Welt sollte eine Welt sein, in der sich alle Länder gemeinsam entwickeln, und Protektionismus ist kein Ausweg aus einer solchen Welt, und Zölle sind keine Lösung.
Es hat sich gezeigt, dass man sich letztendlich nur selbst einschränkt, wenn man diese Zäune um einen herum hochzieht, das heißt, eine multipolare Welt muss eine Welt einer wirtschaftlichen Globalisierung der Teilhabe und zum gegenseitigen Vorteil sein, und China verpflichtet sich dem Teilen von solchen Entwicklungsvorteilen mit anderen Ländern.
Fünf Prozent Wachstum des Bruttoinlandsproduktes hat China letztes Jahr erlebt. Das sind 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes. Das heißt, China ist schon lange ein Motor des globalen Wachstums. China ist bereit, Synergien zu nutzen, gerade auch im Rahmen der Belt-and-Road-Initiativen auch im Zusammenspiel mit der Global-Gateway-Strategie der Europäischen Union. Wir können uns damit gegenseitig unterstützen und letztendlich auch die Teilhabe anderer Nationen fördern. China hat Europa immer als einen wichtigen Pol in der multipolaren Welt betrachtet. Wir sind Partner, keine Rivalen. Wir feiern dieses Jahr 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen China und der EU, und wir sind bereit, die Zusammenarbeit mit der EU zu vertiefen und gemeinsam an einer Zukunft des Wohlstandes und des Friedens zu arbeiten. Vielen Dank.
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=knEseII2yz4, abgerufen am 17. Februar 2025 – Video mit Simultanübersetzung ins Deutsche. Siehe auch www.youtube.com/watch?v=Zq0i__If120.
Im sich anschließenden Gespräch mit Christoph Heusgen verwies Wang Yi – gefragt nach einer Möglichkeit, wirtschaftlichen Druck auf Russland als »Chinas Tankstelle« auszuüben – auf die Lehren, die aus den wechselvollen Beziehungen der beiden Nachbarländer gezogen wurden: »Auf der Grundlage unseres gegenseitigen Vertrauens haben wir eine umfassende strategische Partnerschaft aufgebaut. Der Austausch zwischen China und Russland ist also ein normaler Austausch zwischen Ländern.«»Wirtschafts- und Handelsfragen zu politisieren« könne China nicht zulassen. »Wir müssen Verantwortung gegenüber unserem Volk übernehmen.« Angesprochen auf die zukünftigen Beziehungen zu den USA: »Natürlich hoffen wir, dass die USA mit uns in die gleiche Richtung arbeiten werden. Wenn die USA dazu jedoch nicht bereit sind und darauf aus sind, China zu unterdrücken und einzudämmen, dann haben wir keine andere Wahl, als bis zum Ende mitzuspielen. Wir werden Chinas Souveränität, seine nationale Würde und unsere legitimen Entwicklungsrechte entschlossen verteidigen und auf die einseitigen Einschüchterungspraktiken der USA entschlossen reagieren. Wir tun dies auch, um internationale Fairness und Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten und die grundlegenden Normen internationaler Beziehungen zu wahren.«
(Siehe: www.youtube.com/watch?v=USTnbAMTUr8, 1:45:40 bis 2:02:15, abgerufen am 23. Februar 2025.)