Bundes-Kriminellen-Amt - Frühgeschichte des BKA nun amtlich offengelegt
Ludwig Elm, aus "antifa"
"Das Bundeskriminalamt (BKA) ist in seiner Aufbauzeit und noch bis zum Ende der sechziger Jahre maßgeblich von früheren SS-Angehörigen geprägt worden, von Personal aus dem Reichssicherheitshauptamt, der Organisationszentrale des Holocaust, sowie von Leuten, die Polizeikarriere im Dienste von Massenmord-Kommandos und bei der Geheimen Feldpolizei im Zweiten Weltkrieg gemacht hatten." Mit diesen Worten leitete die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 22. September 2007 ihren Spitzenartikel auf der ersten Seite ein, der überschrieben war: "Das BKA deckt seine düstere Vergangenheit auf". Anlaß war ein vom BKA in Wiesbaden veranstaltetes Kolloquium zur 1951 erfolgten Gründung und zur Frühgeschichte dieses Amtes. Das Blatt teilte weitere Untersuchungsergebnisse mit und stellte fest: "Frühere Versuche, die Geschichte des Amtes aufzuhellen und beispielsweise Akten an Historiker herauszugeben, wurden beim Bundeskriminalamt ähnlich wie beim Bundesnachrichtendienst, bei dem Verfassungsschutz und auch dem Auswärtigen Amt bis in die jüngste Zeit systematisch behindert."
Zur neuesten Wahrheitsliebe der Zeitung und zahlreicher Medien ist anzumerken, daß sie selbst über Jahrzehnte und bis in die Gegenwart die Lügen und Verdrängungen unterstützt oder zumindest hingenommen sowie frühere Ansätze zur Aufklärung grob wie subtil behindert haben. Das betraf beispielsweise auch das weitgehende Stillschweigen bei der Einstellung der Verfahren gegen Angehörige des Reichssicherheitshauptamtes Ende der 20er Jahre oder den politisch-publizistischen Umgang mit den Nachkriegskarrieren schwerbelasteter SS-Täter wie Werner Best und Professor Reinhard Höhn in der Wirtschaft, aber auch weiterer vergleichbarer Personengruppen in Bundeswehr und Sicherheitsorganen, Justiz, Verwaltung, Politik, Gesundheits- und Bildungswesen und Wissenschaft.
Das einschlägige zeitgeschichtliche Bild wurde inzwischen weiter vervollständigt. Eine grafische Übersicht des BKA von 1954 weist namentlich aus, daß 25 von 36 leitenden Mitarbeitern SS-Dienstgrade innegehabt hatten. Sie waren fast alle in Bereichen der Vorbereitung und Ausführung von Massenvernichtung aktiv gewesen, darunter sechs in Einsatzgruppen in Polen und der Sowjetunion, zehn in Himmlers Reichssicherheitshauptamt, Gestapo und Feldpolizei sowie acht an der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg. Alle diese Leute übernahmen im Bundeskriminalamt leitende Funktionen, bildeten junge Leute aus, prägten das Amt und seine kriminalistische Auffassung bis weit in die 60er Jahre hinein.
Der ehemalige SS-Untersturmführer und SD-Mann Paul Dickopf war nach der Tätigkeit im Bundesinnenministerium (1950/51) zunächst Vizepräsident und von 1965-1971 Präsident des BKA. Bundesinnenminister Hermann Höcherl (CSU) übernahm bei der Amtseinführung im Februar 1965 Dickopfs Lüge, daß er nie mit dem Nationalsozialismus paktiert habe. Filbinger, Globke, Lübke und viele andere lassen grüßen. Die Beamten des SS-, SD- und BKA-Karrierepfads bildeten verschworene Seilschaften und verkörperten die Spitze des Eisbergs allein in dieser Behörde. Globkes Wirken im Bundeskanzleramt trug in der Personalpolitik im Einvernehmen mit Bundeskanzler Adenauer und dessen Mitte-Rechts-Koalition Früchte.
Dieter Schenk, von 1980 bis 1989 als Kriminaldirektor im BKA tätig und auf eigenen Wunsch aus dem Dienst ausgeschieden, hatte 2001 die erste umfassende Darstellung der "braunen Wurzeln des BKA" vorgelegt. Bis August 2001 wurden ihm Archivalien für diese überfälligen Forschungen verweigert. Es habe ihn im Verlauf seiner Recherchen überrascht und bestürzt, "daß fast die Hälfte der BKA-Vorgesetzten der 50er und 60er Jahre auf schlimme Weise unmittelbar in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt war"; der ehemalige SS-Führer und Doppelagent Dickopf habe "das BKA zu einer Versorgungsanstalt für alte Nazis und Verbrecher" gemacht: "Er konnte diese Rolle aber nur spielen, weil er als CIA-Agent die Rückendeckung der amerikanischen Besatzungsmacht besaß und die Schlüsselpositionen in der Ministerialbürokratie des Bundesinnenministeriums zugleich von NS-Gesinnungsgenossen durchsetzt waren."
Aus: "antifa" – Magazin der VVN-BdA für antifaschistische Politik und Kultur, Januar/Februar 2008, S. 23