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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Buchenwald bleibt unvergessen!

Ralph Dobrawa, Gotha

 

Erinnerung an den 80. Jahrestag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers

 

Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 war absehbar, dass alsbald mit einer gezielten Verfolgung von Personengruppen gerechnet werden musste, die den Faschisten als unliebsam oder gefährlich galten. Diese teilten sie in verschie­dene Kategorien ein. Zu ihnen gehörten sogenannte Politische, Kriminelle, Juden, Homosexuelle, Arbeitsscheue und andere. Bestandteil der Ziele der Nazis war vor allem auch die »Ausrottung des Marxismus mit Stumpf und Stiel«, wie Hitler es bereits am 3. Februar 1933 formulierte. Als in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933 in Berlin der Reichstag brannte, stand für die Faschisten sofort fest, dass das nur die Kommunisten gewesen sein konnten. Nur wenige Stunden später wurde die »Verordnung des Reichs­präsidenten zum Schutz von Volk und Staat« erlassen, mit der eine Reihe von Grund­rechten, unter anderem das der Freiheit, das der freien Meinungsäußerung sowie das Versammlungsrecht außer Kraft gesetzt wurden. Einen knappen Monat später, am 24. März 1933, folgte das sogenannte Ermächtigungsgesetz, mit dem die Gesetzeskompe­tenz vom Parlament auf die Reichsregierung übertragen wurde. So ergingen alsbald Tausende von Schutzhaftbefehlen gegen den Nazis unliebsame Zeitgenossen. Sie gal­ten unbefristet und waren nicht an eine gerichtliche Entscheidung gebunden. Damit war der Willkür Tür und Tor geöffnet. Zunächst wurden einige der frühen Konzentrationsla­ger genutzt, in die die ersten Häftlinge verbracht wurden. Dabei griff man nicht selten auf bereits vorhandene Gefängnisse zurück, wie beispielsweise die Lichtenburg in Prettin, die schon immer zur Beherbergung unliebsamer Zeitgenossen diente, und nun zu einem der ersten Konzentrationslager wurde.

Organisierter Widerstand

Ab Mitte des Jahres 1937 wurde mit der Errichtung des Konzentrationslagers Buchen­wald auf dem Ettersberg nahe Weimar begonnen. Ende desselben Jahres zählte es bereits 2.561 Häftlinge. In den kommenden Jahren stieg diese Zahl erheblich an, darun­ter vor allem viele Menschen aus anderen Ländern. Am Ende kamen sie aus über 50 Nationen. Erfolgte bereits der Aufbau des Lagers unter unmenschlichen Bedingungen, so steigerte sich dies durch den späteren Einsatz von Häftlingen für die Rüstungs­produktion. Die Häftlinge wurden rücksichtslos ausgebeutet und die Nazis setzten auf das Prinzip »Vernichtung durch Arbeit«. Zusätzlich wurden viele von ihnen durch die SS ermordet, nicht selten aufgrund geringer Anlässe. Vor allem sowjetische Kriegsgefange­ne tötete man oft in der Genickschussanlage. Ab etwa 1942 führte man medizinische Versuche an einer Reihe von Häftlingen durch, die oft zu deren qualvollem Tod führten. Als sich abzeichnete, dass der faschistische Staat seinem Ende entgegen geht, ver­suchte die SS das Lager zu räumen. Mindestens 28.000 Häftlinge wurden auf Todes­märsche geschickt, ca. 21.000 Häftlinge verblieben in Buchenwald. Der Widerstand der Häftlinge wurde in jener Zeit immer stärker, je weiter sich die alliierten Truppen dem Lager näherten. Vor allem dem illegalen Lagerkomitee war es ab Sommer 1944 gelun­gen, der SS Waffen zu entwenden, die zunächst versteckt wurden. Die spätere Evakuie­rung des Lagers wurde durch die Widerstandsgruppe nach besten Kräften verzögert, um so dafür zu sorgen, dass möglichst viele der Häftlinge die Gräuel überlebten. Zu ihnen gehörten auch 46 Antifaschisten, die noch Anfang April 1945 zur Ermordung vor­gesehen waren. Sie alle überlebten. Als sich die amerikanischen Truppen in unmittelba­rer Nähe des Lagers befanden, wurden am 11. April 1945 Waffen an eine Reihe von Widerstandskämpfern ausgegeben. Die SS versuchte, das Gelände zu verlassen. Noch vorhandene und nicht geflohene Angehörige des SS-Wachpersonals konnten entwaff­net werden. Um 16:00 Uhr desselben Tages waren die noch verbliebenen etwa 21.000 Häftlinge des Lagers befreit. Das illegale Internationale Lagerkomitee (ILK) war Träger des Widerstandes. Seine Aufgaben waren: »1. mit allen zur Verfügung stehenden Mit­teln das Leben der Antifaschisten zu erhalten. 2. die bewussten antifaschistischen Kämpfer, alle ehrlichen, kampfbereiten Kräfte zusammenzuschließen. 3. alle Kräfte, alle einzelnen Organisationen auf das Kampfziel auszurichten. 4. systematisch und planmä­ßig die Kriegsproduktion zu stören. 5. die bewaffnete Auseinandersetzung mit der SS vorzubereiten.« [1]

Vorsitzender des Komitees war ab 1943 Walter Bartel, der nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus einige Jahre persönlicher Referent von Wilhelm Pieck werden sollte und späterhin als Hochschullehrer tätig gewesen ist. Durch Verzögerungstaktik gelang es dem ILK, dass »mehr als die Hälfte der jüdischen Häftlinge Buchenwalds … durch die Meuterei des Lagers vom 4./5. April 1945 gerettet werden« [2] konnten. Als am 8. April 1945 die Nazis wissen ließen, dass das Lager bis 12:00 Uhr geräumt werden soll, wur­de dem nachhaltiger Widerstand entgegengesetzt. Niemand von den Häftlingen trat auf dem Appellplatz an. Sämtliche Drohungen der Faschisten blieben nutzlos. Gewaltsam wurden in der Folge zunächst 9.600 Häftlinge aus dem Lager getrieben und späterhin weitere 4.800. Durch ein illegales Sendegerät wurde am 8. April 1945 ein Hilferuf an die amerikanischen Truppen abgesetzt. Am 9. April 1945 kam den noch verbliebenen Häftlingen ein langer Fliegeralarm zu Nutze, der wiederum verhinderte, dass das Lager vollständig geräumt werden konnte. Einen Tag später fanden die letzten Transporte statt mit etwa 10.000 Häftlingen. So verblieben die bereits erwähnten 21.000 Häftlinge noch im Lager, die überlebten. Die in Buchenwald bestandene illegale KPD-Organisation hatte zu diesem Zeitpunkt noch 629 Mitglieder.

Der Schwur

Die Überlebenden gedachten der Toten des Lagers anlässlich einer Kundgebung am 19. April 1945. Es erklang die »Internationale« und der in die Geschichte eingegangene »Schwur von Buchenwald« wurde in verschiedenen Sprachen verlesen. Hierin heißt es:

»Kameraden! Wir Buchenwalder Antifaschisten sind heute angetreten zu Ehren der in Buchenwald und seinen Außenkommandos von der Nazi-Bestie und ihren Helfershelfern ermordeten 51.000 Gefangenen! (Anmerkung: Diese Zahl war damals bekannt. – R.D.)

51.000 erschossen, gehängt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, verhungert, vergiftet, abgespritzt.

51.000 Väter, Brüder, Söhne starben einen qualvollen Tod, weil sie Kämpfer gegen das faschistische Mordregime waren.

51.000 Mütter und Frauen und Hunderttausende Kinder klagen an!

Wir lebend Gebliebenen, wir Zeugen der nazistischen Bestialität, sahen in ohnmächtiger Wut unsere Kameraden fallen. Wenn uns eins am Leben hielt, dann war es der Gedan­ke: es kommt der Tag der Rache!

Heute sind wir frei! Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt den Frieden und das Leben erkämpfen. …

Uns beseelt eine Idee: unsere Sache ist gerecht – der Sieg muss unser sein! …

Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens:

Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.«

Das Konzentrationslager Buchenwald hatte am Ende 139 Außenlager und es waren ins­gesamt 277.800 Häftlinge in den Jahren seiner Existenz dort inhaftiert. Darunter befan­den sich auch 30.000 Minderjährige. 56.000 Häftlinge wurden während der Lagerzeit ermordet. Der ehemalige Buchenwald-Häftling Bruno Apitz setzte mit seinem Roman »Nackt unter Wölfen« der Solidarität unter den Häftlingen und dem Widerstand gegen die Faschisten ein Denkmal. Er erschien 1958. Seine Verfilmung unter der Regie von Frank Beyer im Jahr 1963 sorgte zusätzlich für das Bekanntwerden des Schicksals des geretteten Kindes. Zu den prominenten Insassen des Lagers gehörten neben Bruno Apitz Dietrich Bonhoeffer, Emil Carlebach, Pierre Durand, Eva Pusztai, Eugen Kogon, Hans Litten und Herbert Sandberg. Ernst Thälmann, der nie Häftling in Buchenwald gewesen ist, wurde durch die Faschisten ausschließlich zum Zwecke seiner Ermordung in das Lager gebracht. Für diese Tat wurde trotz erdrückender Beweislage nie einer der Beteiligten zur Verantwortung gezogen. Von den etwa 9.000 SS-Bewachern wurden nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus nur 79 verurteilt.

 

Anmerkungen:

[1] Emil Carlebach u.a., »Buchenwald – Ein Konzentrationslager«, Bonn 2000, S. 118.

[2] Ebenda, S. 135.

 

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