Bruch des Potsdamer Abkommens - Zur Frühgeschichte der Bundeswehr
Werner Wild, Magdeburg
Aktuelle Meldungen wie die über die Forderung der Wiedereinführung des "Eisernen Kreuzes" als "Helden- und Tapferkeitsauszeichnung" für herausragende Leistungen in der Bundeswehr insbesondere im Auslandseinsatz oder über den Vorschlag von Generalen der Bundeswehr, einen Einsatzführungsstab (sprich Generalstab) vorwiegend für Kriegseinsätze im Ausland zu bilden – siehe "Neues Deutschland" vom 23. Januar 2008, Seite 1 – machen die Kontinuität der Militarisierung in der BRD deutlich. Das läßt einen Blick auf die wenig bekannten Anfänge der westdeutschen Remilitarisierung ratsam erscheinen.
2009 – nächstes Jahr besteht die BRD 60 Jahre. Das sind auch über 60 Jahre Militarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft. In der Entwicklung der drei Westzonen nach 1945 wurde in dieser Zeit bereits die Remilitarisierung begonnen.
Insbesondere Politiker, Konzernchefs und Militärs der drei Besatzungsmächte (vorwiegend jedoch England – Churchill, USA – Eisenhower, Clayton) waren dafür, Deutschland als Bollwerk und Rammbock gegen die UdSSR zu erhalten, auf- und auszubauen. Was scherte da das Waffenbündnis während des II. Weltkrieges im heldenhaften Kampf gegen das faschistische Deutschland und die Beschlüsse des Potsdamer Abkommens.
Zur Erinnerung: der II. Weltkrieg war noch gar nicht richtig zu Ende, da ließ Churchill Waffen für die Truppen der faschistischen Wehrmacht bereitlegen bzw. Truppenteile wurden gar nicht entwaffnet. Und die USA faßten einen Großteil der alten faschistischen Generalität in Gefangenenlagern und anderen Unterkünften in einer sogenannten "Historischen Abteilung" zusammen. Weiterhin begannen England und die USA sofort nach Kriegsende mit der Aufstellung von uniformierten und bewaffneten "Service organisations" bestehend aus ehemaligen Angehörigen der faschistischen Wehrmacht, die ihre militärischen Kenntnisse konservierten und auffrischten. Aus der Zeit vor Gründung der BRD ist aus Militärkreisen der USA zu hören: "Ein starkes Deutschland besitzt ein militärisches Potential, das viel größer ist als im übrigen Europa".
Der Prozeß der Remilitarisierung ging einher mit dem Wiedererstarken und Ausbau des deutschen Imperialismus sowie der weiteren Spaltung Deutschlands. In diesem Prozeß der Militarisierung wurden die westlichen Besatzungsmächte aktiv unterstützt von der CDU (Adenauer) und SPD (Schumacher). Es zeichnete sich in der politischen Landschaft ab, daß der USA-Imperialismus den deutschen Imperialismus zu seinem Hauptverbündeten in Europa ausersehen hat, um Westdeutschland zum Hauptaufmarschgebiet gegen den Osten auf- und auszubauen. Die weitere Remilitarisierung noch vor Gründung der BRD zeigte sich darin, daß immer mehr ehemalige Wehrmachtsgeneräle in öffentlichen und nicht öffentlichen Veranstaltungen, Versammlungen und anderen Zusammenkünften auftraten – oft als Organisatoren wirkten. Eine der wichtigsten Organisationen in dieser Zeit war die sogenannte "Bruderschaft", an deren Spitze ein "Innerer Ring", der sich aus faschistischen Generälen, SS-Oberen und ehemals hohen Funktionären der Nazipartei, stand.
Diese Bruderschaft hatte in allen großen Städten Zweigstellen. Der Innere Ring betrachtete sich als eine Art "Generalstab" einer künftigen deutschen Armee. An der Spitze stand der bekannte General Manteuffel.
Fast alle Generäle und Oberste im "Inneren Ring" gehörten der ehemaligen "Großdeutschland-Division" – eine faschistische Elite-Armeetruppe – an.
Aus dem Programm der "Bruderschaft" ist folgendes bekannt:
"Seit über 750 Jahren kennt unsere Geschichte das Wirken des 'Deutsch-Ritterordens'. Diese Tradition setzen wir fort."
"Das Hochziel ist die Union der Völker Europas zwischen Atlantik und Ural."
"Die Bildung des europäischen Großraums schließt notwendig Afrika als Ergänzungs- und Rohstoffbasis für Europa mit ein."
"Deutsche Soldaten werden an der Seite der USA stehen, wenn es gegen den Bolschewismus geht. Aber dazu müsse ihnen die Ehre wiedergegeben und die 'Schande von Nürnberg' ausgelöscht werden."
Außer der "Bruderschaft" hatten sich im Prozeß der Remilitarisierung vor der Gründung der BRD bereits militärische Traditionsverbände gebildet. So wurde eine militaristische Atmosphäre und die Kontinuität des Militarismus erhalten und gepflegt.
Anfangs bestanden rund 100 Traditionsverbände. Vertreten waren vorwiegend: Infanterie, Panzer, Luftwaffe, Marine, aber auch Waffen-SS. Einige Jahre nach Gründung der BRD zählte man schon über 1000 Traditionsverbände, so unter anderem:
Alte Armee – vor 1918: rund 135 Verbände
Reichswehr: 16
Wehrmacht (z. B. Infanterie): 291
Generalkommando: 8
Luft und Flak: 97
Panzertruppe: 86
Artillerie: 98
Marine: 34
Waffen-SS: 45
Ausländische Angehörige: 7
Kurz nach der Gründung der BRD werden von den großen Parteien die Traditionsverbände in Reden lobend erwähnt. So wurden Grüße vom damaligen SPD-Vorsitzenden Ollenhauer auf einer Tagung des Dachverbandes der Traditionsverbände überbracht: "Der demokratische Staat kennt den hohen Wert echten Soldatentums. Sie können stolz sein, daß sie sich Achtung und Anerkennung wieder erobert haben." Der bekannte General der USA Eisenhower gab in dieser Zeit ebenfalls erneut eine "Ehrenerklärung" ab: "Der Westen ist bereit, die Deutschen, speziell die Militärs, als ehrenhafte Waffenkameraden anzuerkennen bei der Aufgabe des Wiederaufbaus der europäischen militärischen Macht."
In öffentlichen Auftritten bei Soldatentreffen heißt es von Generalen der faschistischen Wehrmacht so:
General Konrad – Kommandeur der 1. Gebirgsjäger-Division: "In der neuen Schale müssen die gleichen Männer stecken. Eine neue Armee sollte so aussehenwie die 1. Gebirgsjäger-Division."
General Manteuffel: "Eine reine Verteidigung ist lächerlich. Die Verteidigung Europas kann nur mit einem Offensivkrieg durchgeführt werden."
Und Franz Joseph Strauß – CSU Bayern – haute in die gleiche Kerbe der Generäle: "Die deutschen Soldaten der Zukunft müssen die Traditionen der Soldaten des II.
Weltkrieges fortsetzen."
In der Folgezeit der BRD zeigten sich im Zuge der Militarisierung immer stärker die Revancheabsichten.
Grundlage der Schrift ist ein Rückblick von Jürgen Kuczynski auf 20 Jahre BRD – also vor 40 Jahren – mit dem Titel "So war es wirklich", Erscheinungsjahr 1969. Zitate stammen aus diesem Werk.