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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Brief an die Vorsitzenden der Partei DIE LINKE

BAG Betrieb und Gewerkschaft

Liebe Katja, lieber Bernd, mit Verwunderung haben wir den Brief der ostdeutschen Landes- und Fraktionsvorsitzenden an Euch zur Kenntnis genommen. Zum einen haben wir nach dem Göttinger Parteitag das Einverständnis der Partei gespürt, dass wir als gesamtdeutsche Partei streiten wollen, wir einen offenen und von den Mitgliedern getragene Streitkultur entwickeln wollen und damit das Briefeschreiben zur Geschichte gehört. Der Brief stimmt uns zum anderen nachdenklich, weil er aus unserer Sicht unterschiedliche Fragen miteinander vermengt und uns beim Zusammenwachsen und gegenseitigem Verstehen nicht weiterhilft.

Zu einigen Fragen aus unserer Arbeit:

  1. Die Bundesarbeitsgemeinschaft B&G arbeitet seit 1992 aktiv in der Partei. Sie bestand von Beginn an aus Mitgliedern aus Ost und West. Durch unsere enge Zusammenarbeit haben wir gemeinsam viel voneinander gelernt und gehen respektvoll miteinander um.
  2. Selbstverständlich haben wir gerade als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zur Kenntnis nehmen müssen, dass die ostdeutschen Länder zum Versuchsfeld der gesamten Bundesrepublik wurden. Das gilt insbesondere in Fragen der Tarifpolitik, dem Abbau der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, des Aufbaus eines gewaltigen Niedriglohnsektors, des Abbaus des öffentlichen Dienstes, um nur einige Themen anzusprechen. Diesen Fragen haben wir uns auch immer in der Debatte gestellt, mit dem Ergebnis z.B. einen gesetzlichen Mindestlohn einzufordern.
  3. Im Brief werden nun auch Fragen der Satzung angesprochen, die nun wirklich nichts mit dem Anliegen (wenn man den Brief positiv sehen will) zu tun haben. Dazu findet ihr im Folgenden aus unserer Sicht eine etwas längere Bewertung.

»DIE LINKE will demokratische Kontrolle und Mitbestimmung in der Wirtschaft und im Staat, in den Massenmedien, in Bildung, Wissenschaft und anderen Gesellschaftsbereichen ausbauen«, heißt es in unserem Parteiprogramm. Das bedeutet, dass – bezogen auf unsere Partei – wir für einen Ausbau und nicht für eine Einschränkung demokratischer Rechte der Mitglieder eintreten müssen.

Daher wundert es uns sehr, dass in dem Brief der ostdeutschen Landes- und Fraktionsvorsitzenden an Euch, das Recht der Zusammenschlüsse, Delegierte zum Bundesparteitag zu entsenden als »bleibendes Problem« und nicht als demokratische Errungenschaft bezeichnet wird.

Wir möchten daran erinnern, dass die Zusammenschlüsse und die Rechte, die sie haben, vom Osten, also von der PDS in die gemeinsame Partei eingebracht wurden und nicht etwa aus dem Westen. Die PDS hatte mit diesen Zusammenschlüssen schon jahrelang positive Erfahrungen gemacht. So hatten Delegierte aus Zusammenschlüssen bereits auf dem Chemnitzer Parteitag, wie z.B. die AG Seniorenpolitik, die AG selbstbestimmte Behindertenpolitik konstruktiv auf das dort beschlossene Programm der PDS eingewirkt. In den vielen Jahren der PDS wurde deren Wirken nicht als statuarisches Problem, sondern als Bereicherung empfunden. Uns war bewusst, dass es mit dieser Beteiligungsform ein Problem der höheren Stimmgewichte geben kann. Die PDS hatte aus ihrer Erfahrung gute Gründe, die Zusammenschlüsse als »Brücken in die Gesellschaft« zu schaffen, weil ihr aus der eigenen Geschichte bewusst war, das Apparate und Vorstände diese Brücke in die Gesellschaft nicht oder nicht ausreichend wahrnehmen können.

Auch heute, stellen Zusammenschlüsse wie die AG selbstbestimmte Behindertenpolitik, die AG Hartz IV, die AG Grundeinkommen bundesweit in den entsprechenden Initiativen, die AG SeniorInnenpolitik in den Sozialverbänden, die AG Linke UnternehmerInnen in OWUS sowie wir als AG betrieb & gewerkschaft in den Gewerkschaften diese Brücken in die Gesellschaft her und bringen die entsprechende Kompetenz in die Partei ein. Auf dem Programmparteitag der LINKEN. in Erfurt haben z.B. Delegierte der AG Grundeinkommen und der AG betrieb & gewerkschaft durch ihr Auftreten geholfen, das nunmehr gültige Parteiprogramm zu verbessern.

Damit soll nun gemäß dem Brief der Landes- und Fraktionsvorsitzenden aus dem Osten Schluss sein. Dem können wir und mit Sicherheit viele andere Zusammenschlüsse nicht zustimmen.

Die Mandate der Zusammenschlüsse sind bei 50 gedeckelt. Eine Übersicht der gegenwärtig wahrgenommenen Mandate beweist, dass bei einer Beseitigung dieser Mandate vor allem Mitglieder aus dem Osten betroffen wären. Hieraus wird deutlich, dass es sich hierbei überhaupt nicht um eine Ost-West-Problematik handelt (die wir in unserer AG schon zu PDS-Zeiten nicht hatten), sondern um eine Grundsatzfrage der Partei in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft bundesweit.

Alle Mitglieder sind eingeladen, in Zusammenschlüssen mitzuarbeiten, sie müssen es aber nicht. Somit haben auch alle die Möglichkeit, sich in diesen wählen zu lassen. Für nicht wenige stellen die Zusammenschlüsse ihre eigentliche Heimat in der Partei dar, in der sie ihre Kompetenz einbringen können, was in den regionalen Gliederungen nicht immer gegeben ist. Diese Kompetenz wollen sie dann aber auch transportiert und vertreten wissen. Es geht also vielmehr um folgende Frage: »Will DIE LINKE die Brücken in die Gesellschaft ausbauen oder beschneiden?«

In unserem Bereich weisen wir die KollegInnen von der AfA in der SPD gerne darauf hin, dass wir als GewerkschafterInnen direkt in unserer Partei Einfluss nehmen können. Damit wäre es nach der Ausrichtung des genannten Briefes vorbei. Mit Sicherheit können wir sagen, dass weniger Rechte für die Zusammenschlüsse in unserem Umfeld zu einer starken Demotivation führen würden bzw. zum Abwenden von der LINKEN. Wir denken, dass die Partei DIE LINKE. gerade im Jahr der Bundestagswahlen eher Signale des Aufbruchs senden sollte.

Mit solidarischen Grüßen,

Jochen Dürr, Gerald Kemski-Lilleike, Heidi Kloor, Gertrud Moll, Bernd Tenbensel, Harald Weinberg (MdB), Ursula Weisser-Roelle (MdL), Sabine Wils (MdEP) – BundessprecherInnen der AG Betrieb und Gewerkschaft; Barbara Borchardt (MdL), Nils Böhlke – Mitglieder des Bundesauschusses