Berlinisch sollte es sein
Interview mit Dr. Roland Korn
»An das Einkaufszentrum Alexa könnte bald ein Hochhaus andocken. Laut Senatsdirektorin soll es 2018 fertig sein«, berichtet das ND vom 17. Juli 2014. In Anbetracht einer mehr als fragwürdigen Konzeption zur weiteren Ausgestaltung des Alexanderplatzes hat sich Roland Korn, von 1973 bis 1989 Chefarchitekt der DDR-Hauptstadt Berlin, mit einer »Vision Alexanderplatz 2014« zu Wort gemeldet. Dankenswerterweise erlaubte er uns nicht nur, die entsprechende Skizze zu dokumentieren, sondern war auch bereit, uns ein Interview zu geben.
Was macht die Besonderheiten des Alexanderplatzes aus?
Wohl kein anderer Platz in Berlin hat so eine baugeschichtlich bedeutende Entwicklung vollzogen wie der Alexanderplatz in Jahrhunderten. Nach dem II. Weltkrieg war er weitgehend zerstört. Schon Ende 1945 wurden der Öffentlichkeit neue Planungsgrundsätze für die Gestaltung als zukünftiger Verkehrs- und Handelsplatz unterbreitet. In den 60er und 70er Jahren entstand der neue Alexanderplatz. Die Randbebauung erfolgte in Anpassung an die Behrenshäuser mit neuem Kaufhaus und einem sogenannten Flachbau als Fortführung des Fensterbandes der Behrens-Häuser. Höhendominanten entsprachen der Höhe des Hauses des Lehrers - so das Haus des Reisens und das Haus des Berliner Verlages. Der Hotelhochkörper erhebt sich aus dem Flachbau als Erwiderung oder als Pendant zum neuen Berliner Wahrzeichen, dem Fernsehturm. Eine Bebauung an der Kreuzung Karl-Marx-Allee/Grunerstrasse in Verlängerung des Hotelflachbaus erfolgte nicht. An diesem Standort befindet sich ein mehrgeschossiger Tiefbunker, der mit tangierenden U-Bahnlinien einen großen Hohlraum im unterirdischen Bereich bildet. Wesentliches Merkmal für den neuen fußgängerfreundlichen Alexanderplatz war auch eine landschaftsarchitektonische Gestaltung. Beherrschende Elemente sind der Brunnen und die Weltzeituhr. Bis heute beliebte Treffpunkte. Spiralförmig gruppierten sich über den Platz rotblühende Kastanienbäume. Verbunden war diese Baumreihe mit einer langen Bank und jahreszeitlich blühenden Hochbeeten. Die Fläche war durch unterschiedlich edle Natursteinplatten gegliedert. Den Platz ergänzten Biergärten, Kaffee- und Eisbar-Freiterrassen. Es wurde ein Platz nicht nur zum eiligen Umsteigen, sondern auch der Begegnung und zum Verweilen.
Wie sieht es dort jetzt aus?
Nach 1990 verschwand eins nach dem anderen. Die Kastanienbäume wurden entfernt, die lange Bank mit den Hochbeeten verschwanden. Der Naturstein-Belag wurde durch graue Betonplatten ersetzt. Der Platz verödete gestalterisch. Ein neues Gesicht des Alex sollte geschaffen werden. Anfang der 90er Jahre wurde ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben Auf der Grundlage des preisgekrönten Entwurfes wurde ein Bebauungsplan erarbeitet und für eine Realisierung bestätigt. Dieser neue Plan sah den Bau von zwölf Hochhäusern mit Höhen von ca. 150 m vor. Voraussetzung war allerdings der Totalabriss von vorhandener Bausubstanz. Nicht wenige Bürger und auch Fachkollegen äußerten sich kritisch zu diesem absurden Plan für ein neues gigantisches Gesicht des Alexanderplatzes.
Was ist aus diesem Plan geworden?
20 Jahre nach Bestätigung des Bebauungsplanes wurde keines der vorgesehenen Hochhäuser verwirklicht. Im Gegenteil: Existierende Gebäude wurden sehr kostenaufwändig modernisiert und erneuert. So das Hotel und das Kaufhaus. Auch neue Bauten entstanden ohne Bezug auf die bestätigte Bebauungsplanung. Erwähnenswert wären der Neubau des Saturngebäudes mitten auf dem Alexanderplatz oder das architektonisch umstrittene Shop-Monstrum ALEXA.
Wie soll es weitergehen?
Nun soll neben dem Saturnbau das höchste Wohnhaus Berlins entstehen. Und genau dort hat - wie bereits erwähnt - der Baugrund unter dem geplanten Giganten einen genutzten Hohlraum durch U-Bahn und Tiefbunker. Die erforderliche Gebäudegründung wäre nicht nur sehr kompliziert, sondern auch sehr kostenintensiv. Sie könnte aber auch eventuell Ursache für eine spätere Baukatastrophe werden. Auch städtebaulich halte ich diesen Wolkenkratzer zwischen dem Haus des Lehrers und dem Hotel für völlig deplatziert. Solch solitäre Planung würde auch das gegenwärtige städtebauliche Gesicht des Alex nicht verbessern, sondern beschädigen. Das unrealistische Manhattan-Duplikat wäre nicht zu verantworten. Es wäre auch schädlich für die so geschätzte historische Stadtsilhouette der Berliner Mitte mit ihren Kuppeln, den Kirchentürmen, dem Rathaus, dem Fernsehturm und vielen maßstabgerechten Bauten. Ein neuer Bebauungsplan ist daher aktuell wie nie. Dieser müsste die erhaltbare Bausubstanz einbeziehen und neue Bauten sollten sich harmonisch mit dem Bestand verbinden.
Welches sind Deine Vorstellungen?
Ich könnte mir als »Vision Alex 2014« ein weiteres Hotel mit ca. 100 m Höhe neben dem jetzigen - sozusagen als städtebauliche Zwillinge - vorstellen. Ein oder auch zwei Hochhäuser in Höhe des Hauses des Lehrers wären auch auf dem ehemaligen Standort des Hauses der Statistik denkbar. Der fußgängerfreundliche Alexanderplatz bedarf auch dringend einer platzgestaltenden architektonischen Aufwertung. Er muss ein großstädtischer Platz der Begegnung und des Verweilens werden. Das zukünftige städtebauliche Gesicht sollte einfach berlinisch sein.
Die Fragen stellte Ellen Brombacher.