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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Berliner Ostermarsch

Uwe Hiksch, Berlin, im Interview mit den »Mitteilungen«

Die Berliner Friedenskoordination hat in den letzten Jahren dadurch Anklang gefunden, dass sie in Berlin ansässige Konzerne und Institutionen wegen deutscher Kriegsvorbereitung und Umweltzerstörung bei den Ostermärschen vor Ort attackierte. 2011, als sich die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl zum 25. Mal jährte, gingen Friedens- und Umweltfreunde – auch unter dem Eindruck des Fukushima-Desasters – gemeinsam auf die Straße. Damals standen vor allem die Energiekonzere (Vattenfall, EnBW, RWE und E.on) mit ihren Atomkraftwerken im Zentrum der Kritik. Wird es auch in diesem Jahr wieder ähnliche Aktionen geben?

In diesem Jahr wird der Berliner Ostermarsch unter dem Motto »Krieg wird gemacht – Wir stellen uns dagegen« stattfinden. Aufgrund der zugespitzen Situation werden vor allem friedenspolitische Themen wie Bundeswehreinsätze im Ausland, die unverantwortliche Geopolitik der imperialen Staaten und die Militarisierung nach innen und außen im Mittelpunkt der Politik stehen. Die Berliner Friedenskoordination wird die immer intensivere Militarisierung der Deutschen Außenpolitik angreifen und einen Stopp der exorbitanten Waffenexporte fordern.

Der Ostermarsch findet in einem Gedenkjahr statt, das eine Reihe von Jahrestagen beinhaltet: 100. Jahrestag des Beginns des 1. Weltkrieges, 75. Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges, 15. Jahrestag des völkerrechtswidrigen Überfalls der NATO auf Jugoslawien. Mit unserem Motto »Krieg wird gemacht« wollen wir die Menschen dafür sensibilisieren, dass das herrschende kapitalistische System Kriege immer wieder als Teil seiner geostrategischen Pläne einsetzt und dabei vor Gräueltaten und Massenmord nicht zurückschreckt. Kriege werden heute alltäglich geführt, ohne dass in den kriegsführenden Staaten davon noch direkt Notiz genommen wird. Deutschland befindet sich zum Beispiel im Krieg in Afghanistan. Dort werden von NATO-Soldatinnen und -Soldaten fast täglich Menschen ermordet. Trotzdem spielt die Diskussion über die Kriegsführung Deutschlands in den Medien nur eine untergeordnete Rolle. Auch der zunehmende Einsatz von Killerdrohnen, durch Länder wie USA, Israel, Frankreich oder Großbritannien, wird heute noch viel zu wenig thematisiert. Hier wollen die Ostermärsche auch aufklären und die Menschen aufrütteln. Killerdrohnen und Spezialkräfte der Militärs sind ein menschenverachtendes, völkerrechtswidriges Instrument, mit dem Menschen heimtückisch ermordet werden. Ohne Richterbeschluss, ohne Öffentlichkeit, nur auf Anordnung von Militärs und ihrer Oberbefehlshaber werden Menschen ermordet. Die Todesstrafe wird ohne Richterbeschluss verhängt und gnadenlos durch Militärs durchgesetzt.

Vor fast 25 Jahren habe ich ein Thesenpapier zur Zukunft des Antimilitarismus vorgelegt, in dem ich die bekannte Aussage von Max Horkheimer etwas verändert habe. Ich schrieb damals, »Wer von Frieden redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen«. Diese Aufgabe der antimilitaristischen Gruppen und Organisationen in der Friedensbewegung gilt heute noch genauso wie vor 20 Jahren. Denn wenn es nicht gelingt, dieses Bild von Jean Jaurès, »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen«, als Teil der Alltagsüberzeugung der friedensbewegten Menschen zu verankern, wird die Kriegsgefahr von vielen weiter unterschätzt werden.

Welche Stationen werden am 19. April in Berlin Ziele der Ostermarsch-Teilnehmer sein?

Der Ostermarsch wird am Bahnhof Friedrichstraße beginnen und am Lustgarten, direkt vor dem neu geplanten Berliner Stadtschloss, enden. Anders als in den letzten Jahren werden wir diesmal keine Zwischenstationen einbauen und uns vor allem auf die friedenspolitischen Themen konzentrieren. Mit dem Endplatz in der Nähe vom Berliner Schloss will die Friedenskoordination die koloniale Vergangenheit Deutschlands thematisieren und am Beispiel der historisch völlig unkritischen Planung des sogenannten Humboldtforums auf die Umdeutung von Geschichte hinweisen. Damit soll eine Brücke zur heutigen herrschenden geschichtsrevisionistischen Darstellung der Ursachen von Kriegen, aber auch das bewusste Verleugnen von Kriegsursachen und Völkerrechtsbrüchen in der jüngsten deutschen Geschichte thematisiert werden. In den Reden wird vor allem auch die aggressive außenpolitische Agenda der Regierung aus CDU/CSU/SPD kritisiert, die sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat, dass Deutschland »die globale Ordnung aktiv mitgestalten« soll. Ziel der Großen Koalition ist, angesichts sogenannter »neuen Risiken und Bedrohungen« die NATO und die EU militärisch weiter zu stärken und aufzurüsten. Ziel dieser Politik ist die Durchsetzung der Interessen des international agierenden, weltmarktorientierten Teils des Kapitals und die militärische Sicherung und Ausdehnung des Zugangs zu Rohstoffen und Märkten.

Haben solche Proteste zu Reaktionen von Seiten der Angesprochenen geführt?

Die Herrschenden nehmen zur Zeit wenig Rücksicht auf die Aktionen und Forderungen der Friedensbewegung. Seit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und dem Ende der Zusammenarbeit der RGW-Staaten sind die Herrschenden in den Staaten des globalen Nordens in einer vorher nicht dagewesenen Dominanzposition. Sie haben weitgehenden Einfluss auf Medien, öffentliche Meinung und auch im Deutschen Bundestag tragen nahezu 90 Prozent der Parlamentarierinnen und Parlamentarier diesen Kurs mit. Außer der Partei DIE LINKE, die sich gegen eine solche Politik engagiert, finden sich im parlamentarischen System keine relevanten Kräfte mehr, die Forderungen der Friedensbewegung aufnehmen und auch im Parlament zur Sprache bringen. Durch diese gesellschaftliche Realität ist auch die Friedensbewegung in der Defensive. Nur durch Aktionen und außerparlamentarischen Widerstand kann für eine grundlegende Veränderung der hegemonialen politischen Realitäten geworben werden.

Der Aufruf zum Berliner Ostermarsch nennt eine Vielzahl von Forderungen wie: Raus aus allen Auslandeinsätzen, raus mit der Bundeswehr aus den Schulen, raus aus der NATO! Indessen erreicht die deutsche Außenpolitik eine neue, aggressivere Qualität und die Militarisierung schreitet fort. Welche aktuellen Schwerpunkte werden sich daraus für die Osterproteste ergeben?

Bei den Ostermärschen wird natürlich die aktuelle Lage in der Ukraine, mit der aggressiven Politik von USA, EU und NATO eine Rolle spielen. Ein zweites wichtiges Thema wird die Militarisierung der Gesellschaft durch die zunehmende Präsenz von Militärs an Schulen und Hochschulen sein. Die Friedensbewegung fordert hier »Militär raus aus den Schulen«. Wir wollen eine Erziehung der Kinder und Jugendlichen zum Frieden und nicht zum Krieg. Die Bundeswehr nutzt jedoch ihre Möglichkeiten in den Schulen, um innerhalb der Bevölkerung für den Krieg und militärische Lösungen zu begeistern. Den Jugendlichen wird vorgegaukelt, dass es angeblich keine Alternativen zu militärischen Konfliktlösungsstrategien gäbe. Wir fordern deshalb verbindliche Zivilklauseln für Schulen, Hochschulen und für die Arbeitsagentur, in denen der Bundeswehr jeglicher Zugang zu den Einrichtungen untersagt wird. Die alltägliche Militarisierung nimmt von Jahr zu: Mit öffentlichen Gelöbnissen, Zapfenstreichen, Militärkapellen auf Volksfesten, in Kirchen und bei Benefiz-Veranstaltungen im Fernsehen wird Militär als vermeintliche Alltagskultur verankert. Bündnisse wie »Schule ohne Militär« oder »Schulfrei für die Bundeswehr« fordern deshalb: »Bundeswehr raus aus Schulen, Hochschulen und Kirchen! Weg von Jobbörsen und Volksfesten! Keine öffentlichen Gelöbnisse und Zapfenstreiche!«

Gemeinsam fordern die Friedensbewegten die Schließung aller US-Basen in Deutschland und Europa und eine sofortige Beendigung jeglicher Beihilfe für die gezielten Tötungen durch US-Drohnen. In diesem Jahr wird deshalb auch die Forderung nach dem Stopp der Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr eine wichtige Rolle spielen. Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Ostermärsche wieder bunt, vielseitig und vor allem konsequent für antimilitaristische und pazifistische Positionen werben werden.

Uwe Hiksch ist Mitglied der Friedenskoordination Berlin. Die Fragen stellte Volkmar Vogel.

Berliner Ostermarsch 2014: Sonnabend, 19. April 2014, 12:00 Uhr, Treffpunkt: Weidendammbrücke nahe Berliner Ensemble (Friedrichstr.) – Achtung! In der Printausgabe von Heft 4 der »Mitteilungen« wurde an dieser Stelle ein falscher Treffpunkt genannt.