Bericht des Bundessprecherrates an die 3. Tagung der 13. Bundeskonferenz
Jürgen Herold, Berlin (Berichterstatter)
Liebe Genossinnen und Genossen, am 7. November gedachten wohl weltweit Kommunistinnen und Kommunisten, und nicht nur sie, des 90. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Manche, sich durchaus links wähnende Historiker meinen, dass diese faktisch ein Putsch gewesen sei. Solch eine provinzielle Sicht auf Geschichte ist einfach nur peinlich. Anfang Juni veröffentlichten siebzehn namhafte russische Wissenschaftler und Autoren einen Aufruf zur Wiedereinführung des Feiertages zu Ehren der Oktoberrevolution, unter ihnen der international renommierte Dramatiker Schatrow. Obwohl die Unterzeichner politisch unterschiedlicher Auffassung sind, bewerten sie die Oktoberrevolution und die darauf folgende Entwicklungsphase des Sozialismus als historisch legitim. Das ist das so enorm Bedeutsame an dieser Erklärung. Auch unter Kommunisten hat das Papier Diskussionen ausgelöst. Manche teilen die positive Einschätzung der Chrustschow-Periode nicht. Viele haben Probleme mit dem lakonisch-unkritischen Verhältnis zur Perestroika Michael Gorbatschows. Allerdings: Es gäbe diese Erklärung nicht, stünde in ihr nicht Streitbares. Viel wichtiger sollte uns sein, was den Unterzeichnern als unstrittig gilt. Als unstrittig gilt ihnen, dass der Oktober des Jahres 1917 die Welt erschütterte, »indem er ihre ökonomischen, sozialen und kulturellen Grundlagen veränderte«. Unstrittig ist für sie die Rolle des Großen Vaterländischen Krieges, »der die Souveränität der UdSSR und die Errungenschaften des Oktober verteidigte«. Unstrittig ist den Autoren die historische Bedeutung des Oktober. Wörtlich heißt es: »Er ist nur schwer über zu bewerten. Seine positiven Folgen sind augenscheinlich. Ein Drittel der Menschheit zog einen Teil seines Weges auf den von ihm angelegten Magistralen. Zahlreiche Länder setzen diese Bewegung heute fort, wobei sie die Lehren aus den Niederlagen und Tragödien der Vergangenheit berücksichtigen. Der Oktober bewies, dass eine andere, gerechtere Welt möglich ist. Diese streben heute unterschiedliche soziale und politische Kräfte, Länder und Völker an. Davon zeugt die neue Welle revolutionärer Veränderungen, die sich besonders kraftvoll in einer Reihe von Ländern Lateinamerikas und Asiens entfalten«.
Liebe Genossinnen und Genossen, die Erklärung der Siebzehn ist ein Bekenntnis zu revolutionären geschichtlichen Veränderungen, ein Bekenntnis dazu, dass solche nicht ideal, nicht unumstritten verlaufen, aber eben auch das Bekenntnis, dass eine Geringschätzung der eigenen Ideale einen bitteren Preis hat. Und doch finden wir nirgendwo die Feststellung, die Sowjetunion sei zu Recht untergegangen. Nirgendwo gibt es den Vergleich zwischen der Stalin-Periode der Sowjetunion und der Hitlerbarbarei. Wie grauenerregend müssen die auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion mit dem Kapitalismus gemachten Erfahrungen sein, wenn Menschen mit so unterschiedlichen Auffassungen heute ein letztlich so eindeutiges Bekenntnis zur Oktoberrevolution und ihren Folgen ablegen; Menschen, die unter Gorbatschow, der dem Sozialismus letztlich abschwor, als führende intellektuelle Kräfte von Glasnost und Perestroika galten. Lenins Gedanken aus dem »Linken Radikalismus« bringen sich in Erinnerung. Propaganda allein, Agitation allein bewirke zu wenig. Es bedürfe der eigenen politischen Erfahrung der Massen. Diese, so Lenin, »hätten am eigenen Leibe die ganze Ohnmacht, die ganze Charakterlosigkeit, die ganze Hilflosigkeit, die ganze Liebedienerei gegenüber der Bourgeoisie, die ganze Gemeinheit einer aus Rittern der II. Internationale bestehenden Regierung, die ganze Unvermeidlichkeit der Diktatur der extremsten Reaktionäre (Kornilow in Russland, Kapp und Konsorten in Deutschland) erfahren müssen«, um sich entschieden den Bolschewiki zuzuwenden. Verstaubte Geschichtsbetrachtung – oder eher nicht? Wie viel Ohnmacht, wie viel Charakterlosigkeit, wie viel Hilflosigkeit und Liebedienerei gegenüber der Bourgeoisie, wie viel Gemeinheiten der Regierenden, wie viel äußere und innere Aggressionen der extremsten Reaktionäre (Bush in den USA, Schäuble und Konsorten in Deutschland) mussten wir in jüngerer Vergangenheit und müssen wir heute erfahren!
Liebe Genossinnen und Genossen, wir sind Materialisten und machen unsere Sicht auf Geschichtsprozesse nicht an einzelnen Personen fest. Dennoch wird sich die Erinnerung an Liebedienerei vor dem Kapital auf alle Zeiten mit dem Namen Gorbatschow verbinden. Wir sind wohl noch weit davon entfernt, dass sich größere Bevölkerungsteile wieder am Ideal der klassenlosen Gesellschaft orientieren. Aber die Zeit scheint zu Ende zu gehen, da der Kapitalismus vielen als erstrebenswerte Gesellschaft erschien und daher die totale Denunziation der nichtkapitalistischen Gesellschaft auch bei nicht wenigen funktionierte, die in ihr gelebt hatten. Die Erklärung der Siebzehn zeugt genau davon. Verlorene Illusionen enden bei ihnen nicht im Gejammer, wie dumm die Menschen seien, sondern im Bekenntnis zu dem historischen Prozess, der die Vermenschlichung des Menschen in den Mittelpunkt seiner Bestrebungen gestellt hatte und stellt – allen Feinden und allen eigenen Systemdefiziten zum Trotz. Das sind Ansatzpunkte, von denen wir heute als Kommunisten ausgehen müssen. Einerseits wird in Anbetracht des stetig zynischer werdenden Kapitalismus immer deutlicher, dass er nicht die letzte Antwort der Geschichte sein kann, wenn die Zivilisation überleben will. Andererseits forcieren gerade aus diesem Grund die die Kapitalherrschaft ideologisch tragenden Kräfte den Antikommunismus. Und sie tun dies nicht abstrakt, sondern durch einen Umgang mit unserer Geschichte, der in der Pseudoerkenntnis münden soll, nicht der Kapitalismus, sondern der Sozialismus führe in die Barbarei und sei daher ohne Einschränkungen abzulehnen. Denken wir nur an den Film »Die Frau vom Checkpoint Charlie«.
Der, auch von manchen sich links Verortenden mitgetragene Mainstream könnte nun durchbrochen sein. Denn mit der Erklärung der Siebzehn lässt sich nicht umgehen, wie man bisher mit jenen umging, die die Denunziation des gewesenen Sozialismus nicht mitzumachen bereit waren. Sie wurden als Orthodoxe, als Stalinisten, als Betonköpfe, als ewig Gestrige und sonst wie noch bezeichnet. Wer will einem Roy Medwedjew oder Michail Schatrow ähnliches vorwerfen? Die diesen Aufruf totschweigen, wissen, warum sie das tun. Der Jungen Welt ist zu danken, dass sie ihn am 23. August in voller Länge dokumentierte. Wir druckten ihn in den Septembermitteilungen nach. Wir müssen alles tun, um ihn in unserer Partei und darüber hinaus bekannt zu machen. (Gleiches gilt, geht man von der Buchbesprechung von Andreas Wehr in der Jungen Welt am 13.09.2007 aus, für Domenico Losurdos Buch »Kampf um die Geschichte«). Im Zusammenhang mit der Gründung der LINKEN haben wir als Kommunistinnen und Kommunisten in der Partei die Sozialismuspositionen fixiert, für die wir einstehen werden, nicht zuletzt in der bevorstehenden Programmdebatte.
Wir setzen uns für eine vorurteilsfreie Analyse des Sozialismus ein und unterstreichen unsere Position, dass dieser historisch legitim war und ist. Unsere Solidarität mit dem sozialistischen Cuba ist unverbrüchlich; diese demonstrierten wir auch anlässlich der Fiesta de Solidaridad am 28. Juli dieses Jahres. Ebenso tief ist unsere Sympathie für die Länder – so Venezuela –, die ihren eigenen Weg zum Sozialismus gehen.
Wir treten für eine Gesellschaftsordnung ein, in welcher die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft und der Mensch nicht länger ein »erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist ...« (Marx-Engels- Werke 1/385). Unser Ziel ist der Sozialismus, in dem die unerlässliche Demokratie ihre Basis in Eigentumsverhältnissen hat, die es gewährleisten, dass die Profitmaximierung nicht mehr das Maß aller Dinge ist.
Liebe Genossinnen und Genossen, auf Initiative des Brandenburger KPF-Landessprecherrates behandelte der Bundeskoordinierungsrat am 4. August 2007 ein maßgeblich von Genossen Klaus Blessing verfasstes Diskussionspapier »Warum braucht die Linke ein neues Sozialismuskonzept – und wie könnte es in den Grundzügen aussehen?« Alle Genossinnen und Genossen, die sich an der lebhaften Diskussion beteiligten, dankten den Brandenburger Genossen für ihre Initiative. Die Debatte machte die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit Vorstellungen über einen zukünftigen Sozialismus deutlich – nicht zuletzt in Anbetracht der Entwicklungen in Lateinamerika aber auch im Zusammenhang mit den Fragen zum Weg der Volksrepublik China. Ebenso deutlich wurde, dass das Thema nur in seiner Komplexität zu behandeln ist. Also im Kontext mit der Geschichte des Sozialismus und im Kontext mit den – sowohl heutige als auch zukünftige – sozialistische Entwicklungen betreffenden internationalen Rahmenbedingungen. Kaum angezweifelt wurde, dass gegenwärtig unter Linken keine einheitliche Position zur Geschichte des Sozialismus herzustellen ist; ebenso gab es im wesentlichen Konsens darüber, dass gegenwärtig wohl niemand in der Lage ist, ein unter marxistischen Linken allgemein anerkanntes Sozialismusbild zu entwickeln. Daraus ergäbe sich, so die Diskussionstendenz, dass die Notwendigkeit des Diskurses über einen zukünftigen Sozialismus nicht automatisch mit der Notwendigkeit gleichgesetzt werden könne, hierzu über ein ausgearbeitetes Konzept zu verfügen und diesem womöglich sogar Beschlusscharakter zu verleihen. Diese Position wurde in einem von den Brandenburger Genossen erbetenen und vom Bundessprecherrat organisierten Gespräch am 9. September 2007 mit Genossinnen und Genossen, die in der DDR politische Verantwortung trugen, unterstrichen. An dem Gespräch nahmen neben dem Bundessprecherrat, den Brandenburger Genossen Klaus Blessing und Konrad Hannemann die Genossen Egon Krenz und Helmut Müller, seinerzeit 2. Sekretär der Bezirksleitung der SED Berlin und Mitglied des ZK, teil. Mit dem überarbeiteten Diskussionspapier, welches Brandenburger Genossen heute vorlegen, ist der Beschluss des Bundeskoordinierungsrates realisiert, selbiges den Delegierten und Gästen unserer Bundeskonferenz mit der Bitte zu überreichen, die Diskussion darüber weiter zu führen. Gegebenenfalls sind Überlegungen hierzu der Brandenburger Redaktionsgruppe bis spätestens Ende Januar 2008 zuzusenden. Zugleich werden die Brandenburger Genossinnen und Genossen das überarbeitete Papier an Mitglieder des Marxistischen Forums mit der Bitte um Meinungsäußerung übermitteln. Der Bundeskoordinierungsrat wird sich im I. Quartal 2008 darüber verständigen, wie mit den Ergebnissen der Sozialismusdiskussion in der Programmdebatte der Partei DIE LINKE umgegangen wird. Ausgehend von der Beratung des Bundeskoordinierungsrates am 1. Oktober 2007 unterstreichen wir auf der heutigen Konferenz die Position, dass die Debatte über den Sozialismus im 21. Jahrhundert notwendig ist. Diese mit einem verbindlichen Dokument der Kommunistischen Plattform zu beenden hält der Bundeskoordinierungsrat allerdings gegenwärtig für nicht realisierbar.
Liebe Genossinnen und Genossen, unser Wirken dafür, dass sich unsere Partei aktiv an der Abwehr der immer brutaler werdenden Angriffe auf die Lebensqualität der Bevölkerungsmehrheit beteiligt, ist ebenso wichtig, wie unser Kampf gegen den Antikommunismus. Antikommunismus ist die wirksamste Waffe des Kapitals, um bereits jegliches Nachdenken darüber, ob eine andere Welt auf Basis der Vergesellschaftung der entscheidenden Produktionsmittel möglich ist, im Keim zu ersticken. Wir unterstützen Oskar Lafontaines Feststellung: »Die Linke muss die Systemfrage stellen«. Zugleich sind wir uns dessen bewusst, das diese Forderung verschiedene Auslegungen ermöglicht. Die Probe aufs Exempel ist das Verhältnis zum Kapitalismus und die daraus resultierende Praxis der Partei. Wir halten Kapitalismus letztlich für nicht reformierbar. Er entblößt sein asoziales, weil ausbeuterisches, aggressives und kulturfeindliches Wesen täglich mehr. Hier und heute geht es um die Abwehr der immer brutaler werdenden Angriffe auf die Lebensqualität der Bevölkerungsmehrheit. Besonders geht es um die Solidarität unter den sozial Schwachen und mit ihnen. Teil dieser Abwehrkämpfe ist das Ringen um politische Schritte, die auf soziale Verbesserungen zielen.
So gilt den streikenden Lokführern unsere feste Solidarität.
Die Möglichkeiten soziale Verbesserungen zu erstreiten sind mit der Vereinigung von Linkspartei.PDS und WASG gewachsen. Gewachsen sind allerdings zugleich die Gefahren, dass mit den sich erweiternden und ebenso erstrebenswerten Chancen, in die Parlamente einzuziehen auch zunehmend neue Karrieristen zur Partei stoßen werden. Probleme, die bisher vorwiegend im Osten sichtbar wurden, weil nur dort die Wahlergebnisse ausreichten, um in die Parlamente zu gelangen, zeigen sich jetzt auch in den alten Bundesländern. Unsere Genossen aus dem Westen berichteten darüber im Bundeskoordinierungsrat. Es ist daher doppelt wichtig, dass wir die Parteivereinigung dialektisch betrachten – also weder als Erfolgsgarantie für ehrliche linke Politik noch als ein von vornherein gescheitertes Projekt. (Wie schon so oft seit dem Sonderparteitag im Dezember 1989 sind wir in einer Situation, in der Chancen für linkes Handeln existieren, aber nicht minder Gefahren des Opportunismus).
Liebe Genossinnen und Genossen, genau in diesem Rahmen werden die Auseinandersetzungen um die zukünftigen friedenspolitischen Prinzipien der LINKEN mindestens eben so hart werden, wie das Ringen um den Umgang mit unserer Geschichte. Diese Auseinandersetzungen sind gerade in Anbetracht der Weltkriegsgefahr, die mit einem Irankrieg drohen würde, von absolut vorrangiger Bedeutung. Auf den ersten Blick scheint alles übersichtlich: Die LINKE mobilisierte zur Antikriegsdemonstration am 15. September und fordert unüberhörbar den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Das Abstimmungsverhalten auf der Plenarsitzung des Bundestages am 12. Oktober war eindeutig. Das alles kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ein unverzeihlicher Fehler allerdings wäre es, davon auszugehen, dass die von der Führung und Fraktion der LINKEN eingenommene Haltung zum Krieg in Afghanistan fürs Ganze steht. Die Ablehnung dieses Krieges geht mittlerweile weit ins bürgerliche Lager hinein – auch durch unsere Partei mit bewirkt. Möglicherweise entwickeln sich gerade in dieser Frage sogar heute noch nicht für möglich gehaltene Koalitionen. Die aber werden nicht die NATO – und militärischen EU-Verpflichtungen zur Disposition stellen. Das aber ist die Crux. Wer von Regierungsbeteiligung im Bund träumt, muss bereit sein, letztlich den Weg der Grünen zu gehen. Und es gibt in der LINKEN einflussreiche Kräfte, die davor nicht zurückscheuen. Die Auseinandersetzungen um die Eckpunkte haben das erneut unter Beweis gestellt.
Die in der Partei geltenden friedenspolitischen Grundsätze, beschlossen in Münster und bekräftigt in den Eckpunkten, sind gefährdet. Gefährdet durch jene, die sie um erträumter zukünftiger Koalitionen willen opfern wollen. Bei der Verteidigung von Münster wäre es sträflich, nicht den größtmöglichen gemeinsamen Nenner all jener zu suchen, für die Militäreinsätze nach Kapitel VII der UN-Charta ausgeschlossen sind. Dieser gemeinsame Nenner ist pazifistischer Natur, wenngleich die Verteidiger von Münster durchaus unterschiedliche Motive für Pazifismus in unserer Zeit haben. Ohne diesen gemeinsamen Nenner hätte es Münster so nie gegeben und die dort bekräftigten friedenspolitischen Prinzipien wären nicht mehr zu verteidigen, weil längst aufgekündigt. (Wir könnten dann – wo auch immer – theoretisch fehlerfreie Seminare über den Zusammenhang von Kapitalismus und Krieg abhalten, und zugleich würde sich die aus der PDS kommende Partei im Bundestag womöglich schon seit längerem so verhalten, wie die Grünen seit dem Überfall auf Jugoslawien; vorausgesetzt, wir wären dann noch im Bundestag und vorausgesetzt, wir existierten noch).
Gewännen jene in der Partei die Oberhand, die die Revision von Münster fordern, so würden sich wesentliche Hoffnungen zerschlagen, die dem Parteibildungsprozess Anziehungskraft verliehen und der neuen Partei Attraktivität verleihen. Nur, wenn die Partei DIE LINKE eine glaubhafte und nicht zuletzt auf Bündnisse mit außerparlamentarischen Bewegungen gerichtete Friedenspolitik verficht – Kern einer zu entwickelnden und zu realisierenden Oppositionsstrategie – wird sie die millionenfachen – über Deutschland hinaus reichenden – Hoffnungen nicht enttäuschen, die sich gegenwärtig mit ihr verbinden.
Noch eine aktuelle Anmerkung in Punkto Friedenspolitik:
Im September 1987 erklärten Erich Honecker und Helmut Kohl gemeinsam, dass nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen darf.
Seit dem Anschluss der DDR an die BRD 1990 wurde diese Erklärung sukzessive in den Orkus der Geschichte verbannt. Über sogenannte humanitäre Einsätze der Bundeswehr zu Beginn der neunziger Jahre wurde die Bevölkerung schrittweise daran gewöhnt, dass Deutschland entsprechend seiner ökonomischen Stärke auch mit militärischen Mitteln auf der ganzen Welt eingreift. Vorläufiger Höhepunkt war der völkerrechtswidrige Krieg gegen Jugoslawien 1999. Es war eine rot-grüne Regierungskoalition, die den ersten Kriegseinsatz deutscher Soldaten nach dem 2. Weltkrieg befohlen hat. Ca. 500 Einsätze flog die deutsche Luftwaffe gegen Jugoslawien. Wie viele Menschen dabei umkamen, findet sich offiziell nirgendwo.
Seit 2003 befindet sich Deutschland im sogenannten »Krieg gegen den Terror«.
Auf der Onlineseite der Bundeswehr liest sich das so: »Vom Balkan über Djibouti bis Afghanistan, von der Beobachtermission bis zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus: In Krisenregionen auf drei Kontinenten stehen derzeit ca. 7.140 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz«.
Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung ist gegen diese Einsätze.
Auch wenn es gegenwärtig noch nicht so viele sind, die ihren Protest gegen Krieg, Demokratie- und Sozialabbau auf die Straße tragen: Die Herrschenden rüsten sich. Deshalb die Versuche, die Strafgesetze zu verschärfen, deshalb das Drängen auf Bundeswehreinsätze im Innern des Landes und nicht zuletzt deshalb die Verketzerung der DDR. Solange sie existierte, ging von deutschem Boden tatsächlich kein Krieg aus.
Liebe Genossinnen und Genossen, nach getrennten Tagungen am 15. Juni 2007 wurde am 16. Juni 2007 in Berlin auf einem gemeinsamen Parteitag von WASG und Linkspartei. PDS die Fusion beider zur neuen Partei DIE LINKE mit nur einer Gegenstimme besiegelt. Damit fand ein über zwei Jahre andauernder, von großen Hoffnungen auf die Einheit der Linken getragener Vereinigungsprozess sein strukturelles Ende. Die Kommunistische Plattform hat den Fusionsprozess aktiv begleitet, ohne, wie bereits erwähnt, die Augen vor möglichen Problemen zu verschließen.
Die Auswirkungen des in die Geschichte eingehenden Fusionsereignisses auf die politische Landschaft der Bundesrepublik Deutschland sind nicht zu übersehen. CDU/CSU und FDP reagieren reflexartig antikommunistisch. Vertreter der NPD und andere Nazis versuchen es mit »Querfront«-Demagogie. Davon bleiben auch wir nicht verschont. Anfang September teilte uns ein gewisser Baron Axel Freiherr zu Krumau de Vere Peratoner mit, er erkläre seinen Beitritt zur Kommunistischen Plattform innerhalb der Partei DIE LINKE. Der Partei sei er kürzlich bereits beigetreten. Wir brachten in Erfahrung, dass dieser Herr seinerzeit die Solidaritätserklärung mit dem Antisemiten Hohmann unterzeichnet und dass er rassistisch gegen Kurden gehetzt hatte. Der Bundessprecherrat teilte ihm unverzüglich mit, dass wir auf seine Zugehörigkeit zur KPF verzichten. (Parallel informierten wir unsere Genossen in Niedersachsen und den Bundesgeschäftsführer über unsere Reaktion. Das Schreiben an den Freiherrn ist in den Oktober-Mitteilungen dokumentiert). Wir müssen zu jeder Zeit und allerorts mit Naziprovokationen rechnen, ob sie nun von Nazisympathisanten, von – wem auch immer dienenden – V-Leuten oder von originären Nazis ausgehen. Blauäugigkeit kann hier sehr viel Schaden anrichten und schnelles Reagieren ist angebracht.
In diesem Kontext noch einige Bemerkungen zum Thema Antifaschismus. In Ungarn haben Faschisten offiziell begonnen, sich zu bewaffnen. Parallel dazu werden Kommunisten juristisch belangt. In den Oktobermitteilungen ver@¶ffentlichten wir ein Solidaritätsschreiben an die Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei.
»Es soll«, so schrieben wir, »öffentliche Verleumdung sein, dass Ihr einen Richterspruch als politisches Urteil bezeichnet habt, nachdem das Stadtgericht von Budapest sich unmittelbar in Richtungsauseinandersetzungen der UKAP eingeschaltet hatte. ... Wir sehen – wie Ihr – in der laufenden Justizkampagne den Versuch, Euch mit juristischen Mitteln auszuschalten.
Dies ist um so schändlicher, als europaweit Humanisten ob des gespenstischen Ereignisses entsetzt sind, welches am 25. August 2007 auf der Budaer Burg stattfand: Die Gründung der paramilitärischen Ungarischen Garde. Für sich spricht die an SS-Uniformen erinnernde Bekleidung, ›geschmückt‹ mit dem Symbol der sogenannten Hungaristen, der ungarischen Nazis. ... Wir wissen, dass dies die Spitze des Eisberges ist; nicht nur in Ungarn.
In dieser Frage übt der Zeitgeist Toleranz. Es passt zusammen: Faschisten marschieren und Kommunisten kommen vor Gericht.«
Soweit aus unserem Solidaritätsschreiben. Einer, der das vergangene Jahrhundert und als Widerstandskämpfer den Faschismus durchlebte, Genosse Hans Schwert, wurde anlässlich seines hundertsten Geburtstages am 17. September von der Jungen Welt interviewt: »Aus meiner Erfahrung« so Hans Schwert, »sage ich: Wir sind dem Faschismus wieder nah. Es geht Schritt für Schritt vorwärts, dann bricht es auf einmal wie eine Flut herab. Perspektivlose junge Menschen schlossen sich einst den Braunen an. Wie Kinder, die am Berg spielen und den Abgrund nicht sehen, glaubten sie, eine Alternative zu sehen. Damals tobten organisierte SA- und SS-Horden durch die Straßen und terrorisierten die Menschen. Heute sind es unorganisierte Glatzköpfe, die keine Moral haben und keine Zukunft sehen. Sie hetzen andersfarbige und Andersgläubige«.
Es sind nicht nur die Nazistrukturen, die sich über entsprechende Parteien, Kameradschaften, eine faschistische Musikszene und anderweitig verbreitern und festigen. Es ist nicht nur die über eine faktische Gleichsetzung von Roten und Braunen erfolgende Relativierung des mörderischen Faschismus. Es ist nicht nur der über diesen Weg pausenlos hoffähiger werdende Geschichtsrevisionismus und Revanchismus. Es ist nicht nur der alltägliche Rassismus, der Sündenböcke produziert; also die vermeintlich Verantwortlichen für Arbeitslosigkeit und Lohndumping. Dies alles ist seit Jahr und Tag üblich geworden, in deutschen Landen; Tendenz steigend. Doch in jüngster Zeit wird es offenkundig opportun – eben nicht nur im Suff an Stammtischen – die Nazizeit wie etwas gesellschaftlich Gewöhnliches zu behandeln. In der gewöhnlichen Gesellschaft gibt es Gutes und Schlechtes, Bewahrenswertes und Abzulehnendes, Zweckmäßiges und Unzweckmäßiges. Der Holocaust war unzweckmäßig. Aber – der Krieg gegen die Sowjetunion? Das Fehlen bürgerlicher Freiheiten war schlecht – aber das Pflichtjahr für Arbeitslose? Die Sterilisierung von erblich Kranken ist abzulehnen – aber die Familienpolitik? Die war nicht nur schlecht, meint Eva Hermann. Ein Ausrutscher? »Es tut mir leid, wenn meine Äußerungen Anlass zu Missverständnissen gegeben haben. Wenn ich damit die Gefühle von Menschen – insbesondere Opfern der Nazi-Diktatur oder ihren Angehörigen – verletzt haben sollte, dann möchte ich mich dafür entschuldigen«, sagt Eva Hermann. Das ist O-Ton Oettinger. Das hatte der auch gesagt, nachdem er Filbinger zum Nazi-Gegner gemacht hatte. Im Gegensatz zu Herrmann behielt Oettinger seinen Job. Dafür erntet Herrmann Mitgefühl und öffentliche Zustimmung. 3,5 Millionen Bildzeitungen werden täglich gedruckt. 11,5 Millionen Menschen lesen sie. Das sind 17,7% der Gesamtbevölkerung ab dem vierzehnten Lebensjahr. All diese Bildleser konnten zur Kenntnis nehmen, dass die Äußerung von Frau Herrmann zwar unglücklich gewählt war, aber – so ein Leserbriefschreiber aus Schleswig-Holstein: »Würde jemand den Familienzusammenhalt der Afrikaner während der Schreckensherrschaft ihrer Diktatoren loben, würde keiner sagen, dass hier mit Massenmördern und Kriegsverbrechern sympathisiert wird«. Ähnlich lichtvoll sind Leserbriefe aus Bayern, Hannover, Niedersachsen und NRW. So wird Volksverdummung betrieben. Oder besser – Volksverhetzung? Das Gerede über Hermanns Ausrutscher ist noch nicht abgeklungen, da spricht ein Kardinal Meißner von entarteter Kultur. Auch nur ein Ausrutscher? Diese Gewöhnung an faschistisches Vokabular – spätestens seit Klemperers LTI sollte klar sein, was es damit auf sich hat – soll Gedanken daran befördern, dass es eine Option geben könnte, die jenseits der bürgerlichen Demokratie liegt. Tabubrüche erfolgen nie absichtslos. »Wenn das Schule macht«, so der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland Kramer, »darf sich keiner wundern, wenn der braune Ungeist in Deutschland weiter salonfähig wird.« Recht hat er. Wir wundern uns nicht. Und wir gehen einen Schritt weiter: Ob Schäuble und Co. dies wollen, oder nicht – ihre, die Innenpolitik betreffenden Vorstöße bedienen nicht nur ideologisch diese Tabubrüche; sie sind passfähig. Denken wir nur an die Folterdebatte; in Deutschland ist Folter noch Diskussionsgegenstand – in den USA längst Praxis. Und in CIA-Foltergefänfnissen sind weltweit schlimmste Torturen erlaubt, während tagtäglich Hunderten im früheren Knast Hohenschönhausen erzählt wird, dort sei unter Ägide des MfS zwar nicht körperlich, sehr wohl aber psychisch gefoltert worden. Es ist dieses, die Gesellschaft vergiftende Gemisch von sozialen Verwerfungen, zunehmend aufkommender Naziideologie, der Totalitarismusdoktrin, des alltäglichen Rassismus und der immer häufiger werdenden rechtsextremen Sprüche aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft; es ist dieses Gift, dass die bereits Infizierten zu Schlägern und Mördern macht und auch von sehr vielen geschluckt wird, die bis heute keine Nazis sind, aber es morgen schon sein können. Genau das ist die Gefahr, die Hans Schwert beschreibt.
Liebe Genossinnen und Genossen, die Verteidigung der verbliebenen bürgerlichen Freiheiten und die Auseinandersetzung mit dem Kernstück des Antikommunismus, der Totalitarismusdoktrin, gehören untrennbar zusammen. Es gibt zwei Steilvorlagen für Nazis: Zum einen, sie mit dem bürgerlichen Staat gleichzustellen und somit eine Bündnisbreite der antifaschistischen Aktion zu verstellen und zum anderen, Braun gleich Rot zu setzen, um Faschismus zu verharmlosen und Kommunisten zumindest faschistoide Züge anzuhängen. Auch so soll die Linke nicht zuletzt im antifaschistischen Bündnis gespalten werden. Zu antifaschistischer Bündnisarbeit beizutragen, ist ein wesentlicher Schwerpunkt unserer politischen Arbeit. Dabei sehen wir unsere Aufgabe wesentlich darin, an der Aufklärung darüber mitzuwirken, unter welchen Bedingungen Faschismus entsteht und gesellschaftlich relevant werden kann. Wir lehnen jede Form von Nationalismus und Rassismus ab. Unsere Abscheu gilt der Stigmatisierung von Muslimen ebenso, wie dem wieder erstarkenden Antisemitismus. Wir wirken aktiv an der Seite der VVN-BdA und anderer antifaschistischer Kräfte für ein Verbot der NPD mitsamt ihren Gliederungen, Neben- und Nachfolgeorganisationen. Das bekundeten wir auch durch unsere Aktivitäten zum Tag der Mahnung und Erinnerung am 9. September 2007.
Liebe Genossinnen und Genossen, so wie wir Nationalismus strikt ablehnen ist uns der Internationalismus ein hohes Gut. Internationalismus ist mehr als Solidarität mit Menschen in anderen Ländern. Er beginnt vor der eigenen Haustür. Die Arbeit von Kommunistinnen und Kommunisten in Flüchtlingsräten, antirassistischen Initiativen, Bewegungen gegen Abschiebehaft und ähnlichen Gruppierungen ist eine Verpflichtung. Wir haben in den Mitteilungen der vergangenen Monate mehrfach über die Auseinandersetzungen um die Flüchtlingsunterkunft in der Motardstraße, Berlin Spandau berichtet, auch über die Ergebnisse. Diese können noch nicht befriedigen aber: Es hat sich etwas bewegt. So – und wohl nur so – entstehen auch neue Bündnisbeziehungen. Nur im Bündnis funktioniert unsere praktische Solidarität mit Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern.
Liebe Genossinnen und Genossen, zurück zu den Reaktionen etablierter Parteien auf die Gründung der Partei DIE LINKE: Die SPD fürchtet elementare politische Konkurrenz. Davon zeugte ihr Hamburger Parteitag. In der SPD – wie unter Teilen der Grünen – ist die Auseinandersetzung entbrannt, ob man mit der LINKEN gemeinsame Sache in Altbundesländern und auch im Bund machen könne, oder nicht. Von jenen in der SPD, die dies befürworten, wird die rot-rote Koalition in Berlin als exemplarisches Beispiel angeführt.
Die Entwicklungen in Berlin dürften auf die der neuen Partei erheblichen Einfluss haben. Nicht zuletzt um diesen Einfluss zu verstärken und ihn innerparteilich zu institutionalisieren hat sich das Forum demokratischer Sozialisten (fds) konstituiert, ein in Größenordnungen aus Hauptamtlichen bestehender Zusammenschluss. Derzeit existieren 9 Landeszusammenschlüsse, so auch in Berlin. Udo Wolf charakterisierte das fds Berlin wie folgt: »Auch wenn wir in Berlin wohl aktuell nicht in der Gefahr stehen als demokratische SozialistInnen in der neuen Partei in die Minderheit zu geraten, so ist es doch sinnvoll, sich einen organisierten Rahmen zu schaffen um in der Programmdebatte effektiv intervenieren zu können.« Wolf bestätigt so die Richtigkeit der in der Erklärung des Bundeskoordinierungsrates vom 4. August 2007 »Kommunistische Identität bewahren – Bündnisse praktizieren« enthaltenen Analyse: »Das fds ist eine bundesweite Konzentration von Parteimitgliedern, die auch ohne ihre Zugehörigkeit zu einem Netzwerk oder einem eventuell zukünftigen Zusammenschluss bestimmenden Einfluss auf die politische Linie und Praxis der Partei ausüben. Das Netzwerk ermöglicht es ihnen, ihre innerhalb der Partei einmalig kompakten logistischen Möglichkeiten programmatisch und politisch-ideologisch länderübergreifend einzusetzen, unabhängig von zukünftigen Wahlergebnissen. Denn der überwiegende Teil der Fraktionsstrukturen und des hauptamtlichen Apparates wird dem fds immer wieder zur Verfügung stehen.« Mit anderen Worten: Das fds wird –sowohl mit Blick auf die Alltagspolitik der Partei DIE LINKE als auch im Rahmen der Programmdebatte –alle Anstrengungen darauf richten, die politische bzw. programmatische Linie der Partei zu dominieren.
Liebe Genossinnen und Genossen, anknüpfend an die Bremer Wahlergebnisse wird jeder Erfolg bei den in den nächsten zwei Jahren bevorstehenden Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen, Hamburg, Bayern, im Saarland, in Brandenburg, Sachsen und Thüringen vom fds dazu benutzt werden, für eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene zu werben.
Dass dies nicht ohne Auseinandersetzungen vonstatten gehen wird, zeigen die Wahlvorbereitungen in Hessen. Die Vorgänge dort sind höchst interessant. Wir wollen keine Legenden stricken. Wozu auch? Die Chronologie des Geschehenen spricht für sich. Auf dem Ende August stattgefundenen Hessischen Landesparteitag wurde Peter Metz als Spitzenkandidat gewählt. Der gerade in die Partei DIE LINKE eingetretene ehemalige DGB-Landesvorsitzende Dieter Hooge unterlag. Pit Metz ist Fraktionsvorsitzender der LINKEN in Marburg und war bis 1996 Mitglied der DKP. 2005 trat er der Linkspartei bei. In einem junge Welt-Interview nach politischen Unterschieden zu Hooge, der dafür plädiere, eine Koalition mit SPD und Grünen nicht auszuschließen, befragt, antwortete Metz: »Wachsweiche Koalitionskommentare wird es mit mir nicht geben. Wir, Die LINKE, sind ein Produkt der Kritik an sozialdemokratischer Politik«. Zur Systemfrage merkte er an: »Es zeichnet sich doch ab, dass der Kapitalismus die gesellschaftlichen und sozialen Probleme nicht zu lösen in der Lage ist«. Kaum war Pit Metz gewählt, da begann die Schmutzkampagne. Die antikommunistisch ausgerichteten Medien erhielten die Munition von den Antikommunisten in der hessischen LINKEN, symptomatisch war ein Schreiben des Kreisverbandes Odenwald. Anderthalb Wochen nach seiner Nominierung verzichtete Metz auf seinen Listenplatz. Er habe unterschätzt, wie sehr seine Person und seine Vergangenheit innerhalb der Partei polarisiere.
Liebe Genossinnen und Genossen, wer immer etwas auf sich hielt unterstrich die Feststellung von Pit Metz, er sei ohne irgendeinen Druck zurückgetreten. Das mag ja so sein. Aber – als er unter Druck stand, gab es scheinbar nicht viele, die ihm solidarisch zur Seite standen. Die hätten ihm doch wohl sagen müssen: Es gibt ein Wahlergebnis. Demokratisch zustande gekommen. Nicht auf Täuschungen beruhend sondern auf Vertrauen zu Pit Metz. Es kann nicht sein, dass uns feindlich gesonnene Medien sowie Minderheiten in der Partei dazu zwingen, die innerparteiliche Demokratie über den Haufen zu werfen. Hat Pit Metz jemand öffentlich solches geraten? Uns zumindest ist derlei nicht bekannt. Auf dem Dresdener Parteitag im Dezember 2005 reichten ein paar saudumme Anfragen an den danach dennoch gewählten Schatzmeister, der IM gewesen war, um das Wahlergebnis stehenden Fußes faktisch außer Kraft zu setzen. Auch hier wurde auf den Gewählten in der Pause vermutlich keinerlei Druck ausgeübt. Mittlerweile reicht es schon aus, vor zehn Jahren Mitglied der DKP gewesen zu sein. Oder war es doch eher die mangelnde Koalitionsbereitschaft von Metz, wie es Tom Strohschneider im ND vom 7. September in dankenswerter Offenheit formulierte: »Dabei waren es keineswegs die DKP-Vergangenheit von Metz oder seine Äußerungen zum DDR-Schießbefehl (Tom S. meint die Schusswaffengebrauchsbestimmung, der Bundessprecherrat), die einige soweit brachten, ein ordentliches Wahlergebnis in einen Betriebsunfall umzudeuten. Der Konflikt, dessen Opfer Metz letztlich geworden ist, dreht sich nicht um die Vergangenheit – sondern um die Zukunft. Auf der einen Seite eine absolut auf Opposition festgelegte Basis, die Metz mit einer straff auf Contra gebürsteten Rede hinter sich brachte. Auf der anderen Seite jene, die mehr als eine kleine Oppositionspartei im Sinn haben und im Fall des Falles auch die rot-rot-grüne Bündniskarte ziehen würden.« Soweit Tom Strohschneider. Wie auch immer: Unsere politischen Gegner brauchen nur auf der Klaviatur der Vergangenheit herumzuklimpern und schon fallen Teile der Partei devot auf die Knie. Vielleicht fallen sie auch nicht, sondern organisieren sich notfalls den Tritt in die Kniekehlen selbst. Nicht nur die Kirche liebt vor allen die reuigen Sünder! Wohin soll das noch führen? Wie lange soll das noch so weiter gehen? Vielleicht reicht irgendwann eine langjährige Aktivität in der ehemals westdeutschen, von der DDR bekanntlich solidarisch begleiteten Friedensbewegung? Es ist würdelos, was da reflexartig funktioniert.
Kommen wir noch einmal auf die hessischen Vorgänge zurück. »Sehr geehrter Herr Metz«, schrieb der Vorsitzende des Odenwaldkreises, »wir möchten vorausschicken, dass wir niemandem seine politische Vergangenheit vorwerfen und auch mit Ihrer langjährigen DKP-Zugehörigkeit keine Probleme gehabt hätten. Doch nun gehören Sie unserer Partei DIE LINKE an und deshalb sind Ihre Äußerungen, die sie im Zusammenhang mit Ihrer Wahl zum Spitzenkandidaten gegenüber den Medien gemacht haben, für uns nic
- Sie betrachten sich immer noch als Kommunisten
- Sie streben einen ›Systemwechsel‹ an
- Sie stellen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan auf die gleiche Ebene wie ehemalige DDR-Grenzsoldaten, die auf wehrlose Menschen (auch Frauen und Kinder) befehlsgemäß schießen sollten und auch geschossen haben
- Sie nehmen in bestem Parteichinesisch zur DDR eine ›solidarisch-kritische Position‹ ein
Warum tun Sie dies? Ist es fehlender politischer Instinkt, Dummheit oder sogar absichtliche politische Sabotage, um unserer Sache, für die wir seit Jahren engagiert arbeiten, zu schaden?«
Liebe Genossinnen und Genossen, wie schnell doch selbst die Besten unter unseren Antistalinisten beim Sabotagevorwurf landen. Und wo Sabotage droht, da muss auf Demokratie verzichtet werden. Das ist eine systemübergreifende politische Weisheit. Wo kämen wir denn hin, würden sich welche von uns als Kommunisten bekennen und die Systemfrage stellen. Apropos Systemfrage: Auch linke Sozialdemokraten sollten sich besser vor solcherart Odenwald-Sozialisten in Acht nehmen. Ironie beiseite. Metz wurde mit offenem Antikommunismus und kapitalismusbejahenden Aussagen zum Rücktritt veranlasst. Der Kreisverband Odenwald stellte »unmissverständlich fest: Wir sind keine Kommunisten und wollen mit denen nicht auf eine Stufe gestellt werden! Wir wollen keinen ›Systemwechsel‹, sondern soziale Veränderungen mit gerechteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen«. Es ist schon schlimm, dass es in einer sich als sozialistisch verstehenden Partei solch ausgeprägten Antikommunismus gibt. Mit den geltenden Eckpunkten ist das übrigens nicht vereinbar. Aber – dass solch antikommunistische Positionen demokratisch gefällte Entscheidungen zunichte machen können, das ist verheerend. Wir werden uns dagegen wehren, weil solche Vorgänge Steilvorlagen für militantesten Antikommunismus liefern. Und militanter Antikommunismus war und ist stets auch Steilvorlage für die äußerste Rechte. Die Sache mit der Grundtorheit des Antikommunismus gilt ungebrochen auch im 21. Jahrhundert, und sie gilt insonderheit für Linke.
Liebe Genossinnen und Genossen, um jedes Missverständnis auszuschließen: Wir wünschen dem neuen Spitzenkandidaten Willi van Ooyen in Hessen beste Erfolge und unseren hessischen Genossen ein glänzendes Wahlergebnis und den Einzug in den Landtag; ebenso den Linken weiterer Bundesländer, in denen Wahlen bevorstehen. Die der KPF angehörenden Genossinnen und Genossen werden überall ihren aktiven Anteil am Wahlkampf erbringen. Aber – wir werden zu Antikommunismus nicht schweigen.
Wer auch immer glaubt, Erfolge im Kampf um Reformen, im Ringen um mehr Frieden, in Aktionen gegen Nazis ließen sich auf Dauer erkaufen, indem man der öffentlichen Meinung nachgibt, der hätte womöglich auch Anfang der dreißiger Jahre die Auffassung vertreten, die braune Flut sei mit ein wenig Antisemitismus und genügend Antisowjetismus einzudämmen. Doch es bringt bekanntlich nichts, mit der Wurst nach der Speckseite zu werfen. Ob diese unsere Position von allen verstanden wird oder nicht, oder nur nicht gleich, ist uns zwar nicht egal aber kein Maßstab dafür, was wir tun oder lassen. Es war ist und wird ureigenste Sache der Kommunistischen Plattform bleiben, Antikommunismus auch Antikommunismus zu nennen und ihn anzugreifen. Genau aus diesem Grund hat der Bundeskoordinierungsrat in der bereits erwähnten Erklärung vom 4.August unterstrichen, dass wir unsere kommunistische Identität auch zukünftig bewahren werden. Wir bitten die Delegierten unserer Bundeskonferenz, heute diese Erklärung zu bestätigen.
Wir kämpfen, heißt es in diesem Papier u.a., aus gutem Grund nunmehr siebzehneinhalb Jahre um unsere Existenz und ideologische Eigenständigkeit. Was hat man uns nicht alles vorgeworfen: Die Rechten erklärten uns zu Stalinisten. Mal waren wir in Verfassungsschutzberichten Tausende und dann kaum noch erwähnenswert. Die Basis verdächtigte uns zunächst, wir wollten die Partei spalten. Dann erklärten uns linke Genossen zu »Ihrer Majestät loyaler Opposition«. Während der Auseinandersetzungen um das 2003er Programm bildeten sich nacheinander, mit fast gleichem personellen Stamm, drei verschiedene Zusammenschlüsse. Diese erklärten sich – im Vergleich mit der KPF und dem MF – jeweils zur wahrhaft konsequenten Linken. Und sie forderten, als hätten sie nicht eben erst eine neue Struktur ausgerufen, die Einheit aller Linken, um sogleich der KPF, die sich bekanntlich im Dezember 1989 konstituierte, vorzuwerfen, sie torpediere mit dem Beharren auf eigenen Grundsätzen den Kampf um die Hegemonie in der Partei. Das alles war weder angenehm noch unbedingt produktiv. Doch wir haben uns letztlich nie verführen lassen, dem Druck nachzugeben; nicht dem letztgenannten und schon gar nicht dem von rechts.
Wenn heute erneut die Forderung erhoben wird, wir sollten uns mit anderen Linken zu einer bedeutenderen Kraft zusammenschließen, so antworten wir darauf: Wir sind zu jedem Bündnis in Sachfragen bereit, bei klarer Bewahrung unserer kommunistischen Identität. Darüber hinaus werden wir keinen Etikettenschwindel begehen. Seit Oktober 2006 haben wir daran gearbeitet, die Bedingungen zu erfüllen, die zur Weiterexistenz der KPF in der neuen Partei DIE LINKE erforderlich sind. Jene, die in unserem Zusammenschluss aktiv sind bzw. sich mit uns solidarisch zeigen, erwarten von uns, dass wir bleiben, was wir waren und sind: in der LINKEN organisierte Kommunistinnen und Kommunisten.
Liebe Genossinnen und Genossen, gemeinsam mit vielen Bürgerinnen und Bürgern wenden wir uns gegen eine immer unerträglicher werdende repressive Innenpolitik, wie sie im Vorfeld und während des G-8-Gipfels exemplarisch demonstriert wurde, und halten die Verteidigung der verbliebenen bürgerlichen Freiheiten für unverzichtbar. Die Erfahrungen des G-8-Gipfels berücksichtigend hat das Bündnis zur Vorbereitung der Demonstration im Rahmen der Luxemburg-Liebknecht-Ehrung mit den Vorbereitungen für den 13. Januar 2008 begonnen. Genossinnen und Genossen von DKP und KPF haben sich unmittelbar nach den Rostocker Ereignissen getroffen und Übereinstimmung in folgender Position erzielt: Am 2. Juni 2007 wurde den Sicherheitsorganen von jenen, die unbehelligt in einem Sonderzug von Hamburg nach Rostock reisen konnten, die Steilvorlage für das Wüten der darauffolgenden Tage geliefert. In dem betreffenden schwarzen Block hielten sich vermutlich genügend Agents Provocateurs auf. Schon Stunden nach den Vorkommnissen vom 2. Juni 07 befürworteten in Umfragen große Mehrheiten ein härteres Vorgehen der Polizei. Das tat die dann auch – und die Bundeswehr tat mit. Mindestens ein Mensch verlor bei einem völlig unmotivierten Wasserwerfereinsatz wesentlich an Sehkraft. Demonstranten wurden in Guantánamo-ähnlichen Overalls in Käfige gesperrt. Düsenjets der Bundeswehr überflogen Camps der Gipfelkritiker. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. All das muss geplant gewesen sein. Dass es auch wie geplant geübt werden konnte, wurde durch die Geschehnisse in Rostock erleichtert. Dies zu verschweigen sind wir nicht bereit. Zugleich geht die KPF nicht davon aus, dass die Ereignisse in Rostock Bündnisfragen berühren. Seit 1992 gestalten wir im Zusammenwirken mit Linken unterschiedlicher Strömungen die Demonstration im Rahmen der LL-Ehrung mit. Stets haben wir den Anspruch auf einen friedlichen Verlauf der Demonstration erhoben, nicht nur einmal verbunden mit prinzipiellen Auseinandersetzungen im Bündnis. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir es nicht für besonders revolutionär halten, der Polizei Vorwände zu liefern, auf Demonstranten einzuprügeln, oder gar die Demo zu sprengen. Aber zu keinem Zeitpunkt haben wir gefordert, dass Bündnispartner, die diesbezüglich anderen Positionen nahe sind, das Bündnis verlassen. Und was zu bereden war, haben wir nicht vor den Kameras der Mainstream-Medien artikuliert. Unsere Lehre aus den Ereignissen am 2. Juni lautet: Wir werden alles tun, um im Sinne des seit dem 9. September öffentlichen Bündnisaufrufs eine im Inhalt kämpferische und in ihrem Verlauf friedliche Demonstration mitzugestalten. Wir bitten Euch, liebe Genossinnen und Genossen, größte Anstrengungen für die Mobilisierung zur Demonstration und Ehrung zu unternehmen.
Liebe Genossinnen und Genossen, am 24./25. Mai 2008 findet die erste Tagung des ersten Parteitages der LINKEN statt. Die KPF wird in Vorbereitung dieses Parteitages ihre Delegierten auf einer Bundeskonferenz, voraussichtlich im März oder April 2008, wählen. Nach dem Stand der Dinge werden wir sechs Delegiertenmandate beantragen. Zugleich setzen wir uns dafür ein, dass auch Zusammenschlüssen, die keine Chance haben, das Quorum zu erreichen, zumindest ein Mandat zur Verfügung gestellt wird – denken wir nur an das Antieiszeitkomitee oder auch die AG Behindertenpolitik. Vor einem Jahr hatten wir faktisch gezwungenermaßen damit begonnen, über die vorhandenen Landessprecherräte und den Bundeskoordinierungsrat hinausgehende Organisationsstrukturen aufzubauen. Denen, die uns das aufnötigten, gehört heute durchaus ein Dankeschön. Wir haben bundesweit die Erfahrung gemacht, dass uns die Solidarität vieler Genossinnen und Genossen gehört. Dies besonders verpflichtet uns, auch auf Länderebene durchgehend systematischer zu arbeiten. Darüber werden wir auf unseren Landeskonferenzen beraten, die zwischen Mitte November 2007 und Ende Februar 2008 stattfinden und auf denen die Delegierten zur Bundeskonferenz gewählt werden. Das Hauptinstrument unserer politisch-ideologischen Arbeit sind die Mitteilungen. Die Berliner KPF hat 64 Teilnehmer einer Aktivberatung darum gebeten, Fragen zu unserem Heft zu beantworten. 24 ließen dem Sprecherrat eine Antwort zukommen. Nur zwei von ihnen kannten die Mitteilung nicht – eine Bestellung erfolgte sofort. 20 Genossinnen und Genossen lesen die Mitteilungen regelmäßig, zwei nur hin und wieder. Etwa die Hälfte der Befragten geben das Heft weiter, einige an mehrere Interessenten. Über diesen Weg kamen Leser hinzu. Dennoch: Nur sieben Genossinnen und Genossen haben neue Leser gewonnen, zwei davon jeweils mehr als fünf. Bis auf einen Befragten erklärten sich alle in der Lage, für die Mitteilungen zu spenden und alle hielten die Spendenempfehlung von einem Euro für angemessen. Dem Inhalt der Mitteilungen wurde ausnahmslos Anerkennung zuteil. (Stichworte hierzu: marxistische Positionen, konsequent sozialistisch, sehr informativ, gute Mischung aus Aktuellem und Geschichte, aus Nationalem und Internationalem, Information über vieles in der Partei, was man sonst nie erfahren würde, gute politische Orientierung, wichtigstes politisches Werkzeug der KPF). Ein Genosse beantwortete die Frage »Was findest Du an den Mitteilungen gut?« mit dem Satz: »Ihre Existenz«. (Einzelne kritische Anmerkungen: theoretisch gut, politische Schlussfolgerungen fehlen, kein Artikel sollte länger als 1 DIN A4 Seite sein, es gibt eine gewisse Berlin-Lastigkeit.) Die Befragungsergebnisse wurden in der Redaktion und im Sprecherrat diskutiert. Welche prinzipiellen Schlussfolgerungen lassen sich ableiten? Das Niveau der Mitteilungen räumt uns die Möglichkeit ein, die Leserschaft zu verbreitern, wahrscheinlich sogar wesentlich. Nicht der Inhalt ist unser Problem, sondern die Organisation. Allein die Tatsache, dass nur etwa die Hälfte der Genossinnen und Genossen das Heft anschließend weitergibt oder verleiht macht deutlich, dass eben auch fünfzig Prozent diese unaufwendige Werbemöglichkeit ungenutzt lassen. Wenn nur jeder zweite Mitteilungsleser im nächsten halben Jahr einen Leser hinzugewinnen würde, so läge unser monatlicher Versand im Schnitt bei 2.200 Heften. Wenig genug. Wenn alle Bezieher der Mitteilungen tatsächlich 12 Euro im Jahr spendeten, kämen wir – vom momentanen Ist-Zustand ausgegangen – auf ein Spendenergebnis von 16.800 Euro. Das wären 6.000 bis 7.000 Euro mehr, als es im Schnitt der letzten Jahre der Fall war.
Liebe Genossinnen und Genossen, lasst uns diese die Mitteilungen betreffenden Minimalforderungen zum Kampfprogramm aller Landessprecherräte machen. Das wäre eine reale Erhöhung unserer politischen Wirksamkeit. Auch das ist nicht viel. Aber es ist mehr als das, was wir heute haben. Und für uns gilt nun einmal ganz besonders der Spruch: Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Noch eine Bitte: Wir haben im August eine Aktion gestartet, den Vertrieb des von Genossen Werner Wüste herausgegeben Buches über Michael Benjamin konkreter zu unterstützen. Dazu liegt Euch heute ein entsprechender Brief vor.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben die wichtigsten Aufgaben für die uns bevorstehende Arbeitsperiode im Euch vorliegenden Beschlussantrag zusammengefasst und bitten um Eure Zustimmung.