Ausdruck der Verbundenheit mit unserer Partei
Antwort von Katja Kipping, Vorsitzende der Partei DIE LINKE
Liebe Genossinnen und Genossen, vielen Dank für Euer Schreiben. Die darin geäußerten Erwartungen an den Parteitag lese ich als Ausdruck der Verbundenheit mit unserer Partei und als Ausdruck des Anliegens, dass wir uns mit diesem Parteitag möglichst gut aufstellen.
Ich teile Eure Einschätzung, dass die gemeinsamen Diskussionen nach den enttäuschenden Märzwahlen in Debatten und Beschlüsse auf dem Parteitag münden sollten, die unserer Partei ein gutes Aufstellen auch für die Bundestagswahl 2017 ermöglichen.
Als Parteivorsitzende sehe ich meine Aufgabe sowohl darin, unnötige Konflikte zu vermeiden, aber auch darin, die Positionen der Partei sichtbar nach außen zu vertreten. Das sind wir den vielen, die an demokratischen Willensbildungsprozessen in unserer Partei mitwirken, schuldig.
In diesem Sinne haben Bernd und ich in den vergangenen vier Jahren mehrmals interveniert, meist geräuschlos und im Vorfeld. Und dies, sowohl als Gregor Gysi noch Fraktionsvorsitzender war z.B. in Fragen der Außenpolitik, als auch stets gegenüber Genossinnen und Genossen in den Ländern. Dieses geräuschlose Auffangen von Konflikten setzt aber voraus, dass wir im Vorfeld um mögliche Konflikte bzw. um deren geplante öffentliche Äußerung wissen.
Nicht nur deshalb haben wir seit längerem ein regelmäßiges Treffen - und zwar in jeder Sitzungswoche - zwischen Fraktions- und Parteivorsitzenden.
Bezüglich der Asyldebatten haben wir in entsprechenden Gremienbeschlüssen klargemacht, dass wir Obergrenzen ebenso ablehnen wie die Abschiebung von Geflüchteten.
In der Vergangenheit haben wir nicht nur einmal durch gemeinsame Pressemitteilungen von Fraktions und Parteispitze einen Konflikt eingefangen und damit die Position der Partei klargestellt.
Um dieses Signal auszusenden, haben wir wenige Tage nach den Märzwahlen eine gemeinsame Pressemitteilung von Fraktions- und Parteispitze angeschoben. Üblicherweise ist solch eine gemeinsame Pressemitteilung das Signal, dass man nun eine gemeinsame Formulierung hat und es keine weiteren öffentlichen Auseinandersetzungen gibt. In diesem Sinne habe ich danach auch in allen Interviews und vor jeder Kamera Folgendes gesagt: »Sahra und ich haben unterschiedliche Tonalitäten, aber im Handeln sind wir uns einig. Sie werden in der LINKEN niemanden finden, der für die Verstümmelung des Asylrechts gestimmt hat.«
Und auch Sahra hat in anderen Interviews, wenn auch mit anderen Worten, entsprechend agiert. Insofern sehe ich zwischen Fraktions- und Parteispitze nicht den Bedarf, dass wir uns nun einschließen, »bis weißer Rauch aufsteigt.«
Allerdings habe ich auch nach dieser Einigung erlebt, dass es von anderer Seite prominente Wortmeldungen gibt, die entweder Debatten anfachen, die uns im Außenbild schaden bzw. mich angreifen. Das ist misslich. Nur wird man diese nicht über eine Sitzung von Fraktions- und Parteivorstand einfangen können. Wenn überhaupt, kann hier nur im direkten Gespräch jenseits der angekündigten Gespräche eventuell etwas bewirkt werden.
Liebe Genossinnen und Genossen der KPF, da Ihr in Eurem Brief den Begriff »suspekt« verwendet, möchte ich Euren Brief auch zum Anlass nehmen, noch mal aus meiner Sicht über einen Sachverhalt aufzuklären. Wir sind gut beraten, mediale Spins und Zuschreibungen nicht einfach ungeprüft zu übernehmen. So haben beispielsweise einige bürgerliche Medien mir zugeschrieben, ich hätte Sahra »AFD light« unterstellt. Das entspricht nicht den Tatsachen. Davon kann man sich mit einem Klick überzeugen, denn die halbstündige Pressekonferenz steht in Gänze im Netz.
Die Frage einer Journalistin lautete sinngemäß: Die Wahlen in Sachsen-Anhalt haben gezeigt, dass die Protestkarawane weiterzieht. Was bedeutet das für die strategische Ausrichtung der Partei?
Nachdem Wulf diese Frage zu Sachsen-Anhalt beantwortet hat und darauf hingewiesen hat, dass Haseloff die CSU/AfD-Rhetorik übernahm, habe ich gesagt: Wenn wir jetzt wie andere auf AfD light gemacht hätten, dann hätten wir jetzt ganz andere Wahlergebnisse. Wenn wir wie andere Parteien jetzt stückweise Positionen der AfD übernehmen, dann ist das vor allem eins: Wahlkampf für die AfD.
Genau über diesen Zusammenhang habe ich auch persönlich die Fraktionsspitze informiert. Leider musste ich danach beobachten, dass nicht nur linke Zeitungen diesen Spin einfach abgeschrieben haben. In Runden, an denen ich nicht anwesend war, wurden zudem üble Gerüchte zu meiner Motivationslage verbreitet. Ich musste erleben, dass es auch nach der gemeinsamen Pressemitteilung Angriffe auf mich gab, mir »Denunziation« und »Entgleisung« unterstellt wurden und damit die Zuschreibung von AfD light noch mal verstärkt wurde, anstatt die Antwort zu nutzen, das richtigzustellen.
Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen bin ich Euch besonders dankbar, dass Ihr Euch direkt an mich gewandt habt. So war es mir möglich, direkt auf Eure Sorgen bzw. Eure Kritik einzugehen.
So ärgerlich die Wortmeldungen über Medien von der Seite sind, so sehr haben mich doch die Gespräche der letzten Wochen, wo ich landauf, landab unterwegs war, um über mögliche Schlussfolgerungen aus den Märzwahlen zu diskutieren, zuversichtlich gestimmt. Zuversichtlich dahingehend, dass es bei uns alles in allem ein gemeinsames Nachdenken gibt und wir als Partei vier Aspekte zusammenbringen können. Einerseits verlässlich ein Bollwerk gegen Rassismus zu sein, zudem als treibende und verbindende Kraft im Lager der Solidarität zu wirken, drittens Kapitalismuskritik zu verstärken und viertens als Kämpferin für soziale Gerechtigkeit die Empörung von links zu besetzen.
Arbeiten wir gemeinsam daran, dass der kommende Parteitag mit einem entsprechenden Aufbruch verbunden ist.
Solidarische Grüße
Katja Kipping