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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Aufklären und laut sagen: Nein!

Sören Pellmann, Ko-Vorsitzender der Bundestagsgruppe der LINKEN

 

»Wir unterschreiben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten

dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!«

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Gäste, mit diesem Zitat von Max Reimann möchte ich mein Referat, das der Frage nachgeht, warum Die Linke Friedenspartei bleiben muss, beginnen.

Ich denke, wir sind aktuell in einer historischen Situation, in der die Worte des Genos­sen Reimann tragische Aktualität erhalten. Die weltweiten Kriege und Krisen haben die Gesellschaft fest im Griff. Die proklamierte Zeitenwende verbunden mit dem Versuch, die deutsche Bevölkerung wieder auf »Kriegstüchtigkeit« zu trimmen, stellt die Grundla­gen unserer Gesellschaft auf den Kopf. Hat die Regierung vollends die Präambel unse­res Grundgesetzes verdrängt?

In dieser steht: »Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.« Dieses Friedensgebot wird zunehmend ignoriert. Unsere Verfas­sung ist, so der Kolumnist Heribert Prantl, eine friedliebende Verfassung. Aber im Gegensatz zu dem Rechtsstaatsgebot und dem Sozialstaatsgebot ist das Friedensgebot nicht weiter konkretisiert worden.

Der Gehalt des Friedensgebotes ist unklar und bildet eine Fehlstelle – eine unverzeihli­che Fehlstelle in diesen unruhigen Zeiten. Das Einstehen für Frieden und das friedliche Miteinander ist vor den weltpolitischen Ereignissen im Gazastreifen, in Israel und in der Ukraine das Gebot der Stunde.

Die benannte Fehlstelle kann, da nicht juristisch ausbuchstabiert, nur politisch ausge­füllt werden, durch eine konkrete politische Praxis. Unsere Partei Die Linke ist diese Partei. Die Linke ist die Partei, die »dem Frieden der Welt«, wie im Grundgesetz geschrieben, dienen will. Die Linke ist die Friedenspartei und sie bleibt die Friedens­partei in unserem Land.

Liebe Genossinnen und Genossen, im Geiste von Max Reimann sind wir die Grund­gesetzpartei, da wir das Friedensgebot qua Parteiprogrammatik verteidigen: »Für Die Linke ist Krieg kein Mittel der Politik. Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.« So die Passage in unserem Programm – so die Grundfeste unseres politischen Miteinanders. Das ist unsere Antwort auf die Ausformu­lierung des Friedensgrundsatzes im Grundgesetz. Unsere Antwort auf die Parole der Kriegstüchtigkeit, die das Land erfasst hat. Unser Ruf nach Friedenstüchtigkeit, den ich im Folgenden weiter ausführen und begründen werde.

Aufrüstung und Krieg

»So stark sind wir noch nie gewachsen – Rheinmetall mit kräftigen Gewinnsprung«, titelte Springers »Welt« vor einigen Tagen. Der Umsatz ist um ein Drittel auf 3,8 Milliar­den gestiegen, das operative Ergebnis verdoppelt auf über 400 Millionen. Die wirt­schaftlichen Aussichten seien sehr positiv, die Auftragsbücher gut gefüllt, so die Geschäftsleitung. Wem kommt da nicht auch Rosa Luxemburgs Ausspruch »Die Divi­denden steigen, und die Proletarier fallen« in den Sinn?

So wahr es ist, dass Putins Angriffskrieg ein Verbrechen und völkerrechtswidrig ist, so wahr ist es auch, dass dieser Krieg, wie alle Kriege, nur einen Profiteur hat: das Kapital, insbesondere die Rüstungsindustrie.

Der französische Sozialistenführer Jean Jaurès sagte: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen«. Für diese Haltung wurde er kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs von einem Nationalisten erschossen. Jaurés hatte Recht. Wer über diesen Zusammenhang nicht reden will, der möge zum Thema Frieden zumindest weni­ger lautstark plärren.

Die Linke ist nicht nur in dieser Hinsicht die konsequente Friedenspartei. Es ist in unse­rer DNA und wir handeln danach. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Andere Parteien fordern Frieden mit Putin, weil sie ihn verehren oder sich wirtschaftliche Vorteile davon versprechen. Wir fordern, dass die Waffen schweigen, denn wir stehen immer auf der Seite des Friedens!

Die historische Verantwortung Deutschlands

Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus! Wir sind die antifaschistische Partei in diesem Land, denn wir tragen die Erinnerung an die dunkelsten Zeiten dieses Landes in unse­ren Herzen. Diese Geschichte ist uns ewige Mahnung.

Im Ersten, vor allem aber im Zweiten Weltkrieg wurde Russland bzw. die Sowjetunion das Opfer deutscher Großmachtambitionen, die in einem Nazi-Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion ihren grausamen Höhepunkt fanden.

Von Reue für die monströsen Verbrechen, von Scham findet sich hierzulande kaum mehr eine Spur. Vor allem in den alten Bundesländern fällt die Russophobie bei vielen Menschen auf fruchtbaren Boden. In kaum einer Schule, nur selten an Universitäten, in kaum einer Partei oder gesellschaftlichen Organisation wurde seit dem Kriegsende 1945 darüber gesprochen, was die deutsche Wehrmacht – traumatisierend bis in die Gegenwart wirkend – in der Sowjetunion anrichtete.

Nicht über die 27 Millionen sowjetischen Kriegstoten, nicht über die Blockade Lenin­grads und die allein dort verhungerten und erfrorenen eine Million Menschen, nicht über die weit mehr als 600 niedergebrannten Dörfer in Belorussland. In jedem einzel­nen fand ein Massaker an den Dorfbewohnern statt.

Nicht über die mehr als drei Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die in deutsch-faschistischen Stalags einen grausamen Tod fanden.

Nicht darüber, dass die Sowjetunion am 22. Juni 1941 von der Deutschen Wehrmacht überfallen wurde. Deutsche Soldaten traten dort zum Vernichtungskrieg an, wo heute NATO-Truppen Krieg in großem Maßstab üben und stationiert sind.

Wie hältst du es mit der NATO: Die neue Gretchenfrage?

Bis weit in linke oder sich links-fühlende Kreise hinein wird die NATO mittlerweile als Friedens- und Freiheitsbündnis betrachtet? Wie hältst du es mit der Nato? Ist das die neue Gretchenfrage in linken Parteien?

In jedem Studium der Politikwissenschaften wurde die Funktion der NATO mit den drei »R«s begründet: Amis rein, Russen raus, Deutsche runter.

Ich denke, wir sollten auch an die Taten der US-Armee in den letzten Jahren erinnern dürfen. Ich möchte an Mỹ Lai erinnern: In Mỹ Lai ermordeten vollkommen enthemmte GIs 1968 über 500 Dorfeinwohner – vor allem Frauen, Kinder und Greise.

Mỹ Lai steht in einer Reihe mit Butscha und zahlreichen weiteren Orten, in denen Kriegsverbrechen stattfanden. Krieg bedeutet, dass das Morden im Kriegsgebiet erlaubt, ja gewünscht ist. Irgendwann unterscheiden emotional und psychisch verrohte Soldaten nicht mehr zwischen militärischen Gegnern und Zivilisten.

Kein Krieg ist ohne Kriegsverbrechen denkbar, bis heute nicht. Das kann mit den ver­fügbaren Waffen und ihrer Zerstörungskraft in Gebieten, wo auch Zivilisten leben, nicht funktionieren. Es gibt keinen »sauberen Krieg«. Das gilt für alle kriegsführenden Mäch­te, egal ob sie demokratisch oder autoritär sind.

Es ist daher in einer Demokratie gerechtfertigt, ja nötig, die Logik des »Wenn du den Frieden willst, dann bereite den Krieg vor« kritisch zu hinterfragen. Wir als Linke stehen für diplomatische Lösungen. Wir sind gegen Aufrüstung und Waffenexporte. Wir bezwei­feln, dass die Logik des Militärischen zu einer friedlichen Zukunft und einem guten Zusammenleben für die Mehrheit der Menschen führen wird.

Der Rückfall in das Denken der Blockkonfrontation des Kalten Krieges wird unsere Sicherheit nicht erhöhen. Im Gegenteil: Die geplante Stationierung von Raketen in Deutschland, die Kanzler Scholz ohne jegliche öffentliche Debatte durchsetzen will, wird nur dazu führen, dass das Damoklesschwert der »gegenseitig gesicherten Vernich­tung« wieder über der gesamten Welt schwebt.

Die NATO ist schon jetzt militärisch haushoch überlegen. Es braucht nicht mehr »Abschreckung«, sondern mehr Mut für den Frieden. Es braucht auf beiden Seiten die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und Lösungen zu finden. Was es nicht braucht, ist das Bemänteln geostrategischer Interessen mit vermeintlich hehren Zielen und das Denken in Doppelstandards.

Leid, Tod und Elend sind gleich in der Ukraine, im Jemen, in Gaza oder im Sudan. Es spielt keine Rolle, ob militärische Aggressionen von Russland, Saudi-Arabien, der Hamas, Israel oder der USA ausgehen. Jeder, der meint, politische Ziele mit militäri­scher Gewalt zum Schaden Unschuldiger durchsetzen zu können, ist im Sinne eines humanistischen Weltbilds zu verurteilen. Das möchte ich hier unmissverständlich gesagt wissen.

Liebe Genossinnen und Genossen, warum erwähnte ich den Vietnamkrieg, warum den deutsch-faschistischen Vernichtungskrieg von 1941 bis 1945 in der Sowjetunion? Ich möchte auf die erkennbare Doppelmoral hinweisen, mit der wir in der Gegenwart kon­frontiert sind.

Was Russland im Falle des Ukraine-Krieges völlig gerechtfertigt zum Vorwurf gereicht, macht der westliche Imperialismus, seit er existiert – nicht zuletzt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vor nunmehr bald 80 Jahren. Korea, Vietnam, Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Libyen – überall dort und andernorts führten die USA, und mit ihr häufig die NATO, Kriege.

Von den CIA-basierten Putschen zum Beispiel in Guatemala und Chile oder auch in Indonesien ist da noch gar nicht die Rede. Allein in Indonesien wurden 1965-1966 bis zu drei Millionen Menschen ermordet und in Chile stand, drohend an dieses monströse Verbrechen erinnernd, schon vor dem Putsch 1973 an den Mauern »Djakarta«.

Liebe Genossinnen und Genossen, es ist immer wichtig, das Folgende zu klären, damit es zu keinen Missverständnissen kommt: Die Erinnerungen an die imperialistischen Kriege des Westens und die von ihm geförderten militärischen Konflikte und Putsche sollen den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands in der Ukraine nicht bestreiten. Den­noch soll dieses Erinnern verdeutlichen:

Die USA mit der NATO im Schlepptau haben ein sehr funktionales Verhältnis zur Moral. Statt über Moral sollten sie über Interessen reden. Diese Interessen hat Zbigniew Brze­ziński bereits 1997 – zum Beispiel bezogen auf den Stellenwert der Ukraine für das Bestreben der USA, »Einzige Weltmacht« zu bleiben – sehr präzise beschrieben.

Russland hat nicht zuletzt ausgehend von bitterer historischer Erfahrung sehr nachvoll­ziehbare legitime Sicherheitsinteressen. Aktuellen Daten zufolge stehen 3,2 Millionen Soldaten der NATO-Staaten 1,1 Millionen Soldaten Russlands gegenüber. Die NATO ver­fügt über 6.030 Kampfflugzeuge, Russland hat 1.377. Die NATO zählt 8.901 Kampfpan­zer, Russland 2.000. Bei der Artillerie ist das Verhältnis 21.879 zu 5.485 zugunsten der NATO. Bei U-Booten 143 zu 50 und bei großen Kriegsschiffen 274 zu 33.

Diese Zahlen demonstrieren komplett das Gegenteil dessen, was uns täglich suggeriert wird. Und das ist nicht erst seit Beginn des Ukraine-Krieges so, sondern schon seit Jahr­zehnten. Die russischen Sicherheitsinteressen wurden vom Westen weitgehend ignoriert.

Den sichtbarsten Ausdruck findet diese Ignoranz in der wortbrüchigen NATO-Osterwei­terung. Es dürfte das Sicherheitsempfinden auch nicht vertieft haben, dass die wich­tigsten Rüstungskontrollverträge gekündigt bzw. auf Eis gelegt wurden: Der INF-Vertrag von 1987, der KSE-Vertrag von 1990, der START-II-Vertrag von 1993, der New-Start-Ver­trag von 2010.

Es ist müßig, darüber zu sinnieren, ob es den Krieg in der Ukraine gäbe, wenn russische Sicherheitsinteressen vom Westen berücksichtigt worden wären.

Liebe Genossinnen und Genossen, nicht müßig ist die Feststellung, dass wir es unbe­streitbar mit einer außerordentlich schwierigen Gemengelage zu tun haben. Einerseits ist da ein völkerrechtswidriger Krieg, den Die Linke nicht gutheißen kann, andererseits ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO, dem Pakt, dessen Auflösung wir aus guten Gründen fordern.

Dieser Widerspruch schlägt sich in unserer Partei als scharfer Konflikt nieder. Aber ist das notwendig bzw. unüberbrückbar?

Die Linke in der »Zeitenwende«

Ich möchte in Erinnerung rufen: Wir haben gegen das 100-Milliarden-Aufrüstungspaket gestimmt, als alle anderen im Bundestag im Sturm der Zeitenwende umgekippt sind. Auch die AfD hat für die Aufrüstung gestimmt. Wir haben durch unseren Protest dazu beigetragen, dass Rheinmetall keine Rüstungsfabrik bei Großenhain baut. Wir sagen Ja zur Zivilklausel, dass an unseren Hochschulen nicht für militärische Zwecke geforscht werden soll. Unsere klugen Wissenschaftler sollen an Dingen arbeiten, die das Leben einfacher und besser machen, und sich nicht noch effizientere und perfidere Methoden des Tötens ausdenken.

Die Ukraine hat das Recht zur Selbstverteidigung. Aber die Menschen in der Ukraine haben auch das Recht auf Leben. Führen immer neue Waffenlieferungen wirklich dazu, das Töten zu beenden? Oder nicht eher dazu, dass sich die Spirale aus Zerstörung, Leid und Tod immer weiterdreht?

Solche Fragen kann und muss man stellen, ohne Putins imperialistische Aggression zu rechtfertigen. Es ist im dritten Kriegsjahr klar, dass keine Seite militärisch obsiegen wird. Umso wichtiger sind Verhandlungen. Länder, die Einfluss auf die Kriegsparteien haben, müssen diesen Einfluss ausüben, damit die Waffen endlich schweigen.

Wir müssen unseren Teil für eine friedliche Welt beitragen. Dazu gehört auf der Straße Gesicht zu zeigen und die Stimme für einen gerechten Frieden zu erheben.

Wir als Linke setzen uns zudem dafür ein,

- dass keine öffentlichen Forschungsgelder für die Entwicklung neuer Waffensysteme eingesetzt werden. Wir wollen, dass an Universitäten nur für zivile Zwecke geforscht wird.

- Standorte der Rüstungsindustrie lehnen wir ab, sie helfen auch nicht bei der Ent­wicklung strukturschwacher Regionen.

- Wir sind dagegen, dass die Bundeswehr an Schulen für Kriegseinsätze wirbt oder auf Stadtfesten Kriegsgerät zur Schau stellt.

- Wir wollen auch im vermeintlich Kleinen die internationale Zusammenarbeit fördern. Das kann auch dadurch gelingen, dass Bündnisse wie »Bürgermeister für den Frieden« angestrebt oder die Pflege und den Ausbau von Städtepartnerschaften gefördert wer­den.

- Und: Wir lehnen die Wehrpflicht ab, weil sie ungerecht und nicht mehr zeitgemäß ist. Wir schicken unsere Kinder nicht in den Krieg!

- Der griechische Geschichtsschreiber Herodot sagt schon vor 2.500 Jahren: »Niemand, der bei Verstand ist, zieht den Krieg dem Frieden vor. Denn in diesem begraben die Söhne ihre Väter, in jenem die Väter ihre Söhne.«

    Deswegen sagt Die Linke: Es ist höchste Zeit für mehr Diplomatie, und weg mit dieser elenden »Kriegstüchtigkeit«!

    Sozialabbau

    Liebe Genossinnen und Genossen, die Kriege und Aufrüstung haben konkrete Auswir­kungen auf unsere Bevölkerung. Am Bundeshaushalt lässt sich diese »Kanonen-statt-Butter-Politik« wie folgt festmachen:

    2014 betrugen die Ausgaben für Arbeit und Soziales – mit ca. 123 Milliarden Euro – 41,5 Prozent des Gesamthaushaltes, während die Ausgaben für das Militär bei 33,14 Milliarden Euro, also 11,2 Prozent des Gesamthaushaltes, lagen.

    Im Haushalt 2024 betragen die Ausgaben für Arbeit und Soziales ca. 176 Milliarden Euro und sanken somit auf 37 Prozent des Gesamthaushaltes.

    Die im Haushalt – auch offiziell an die NATO gemeldeten - verwendeten 52 Milliarden Euro für das Militär haben einen Anteil von 10,9 Prozent am Gesamthaushalt, zusätzlich zu den 20 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Für 2025 einigte sich die Ampel auf eine Erhöhung der Militärausgaben um weitere 1,2 Milliarden Euro.

    Pistorius forderte sogar einen Zusatzbedarf von 7 Millirden Euro, und ab 2028, dem Auslaufjahr des Sondervermögens, sieht er »zweistellige Milliardenbetragserhöhung für nötig« an. Gleichzeitig soll die Zahl der Bürgergeldempfänger sinken und somit die Sozialausgaben im Haushalt 2025 abgesenkt werden.

    So schreibt der Spiegel zu den Bürgergeldplänen der Ampel, »ein bisschen Zuckerbrot und ganz viel Peitsche«. Dafür lassen sich viele Belege finden.

    Unter der Überschrift »Wachstumsinitiative« finden sich neue Regelungen beim Bürger­geld, die ein unmittelbares Zurück zu Hartz IV darstellen. Ein bis zu drei Stunden dau­ernder Weg zur Arbeit soll künftig zumutbar sein. Das Ablehnen einer »zumutbaren Arbeit« wird mit erhöhten Leistungskürzungen geahndet werden. Künftig sollen bei Ver­stößen gegen Meldepflichten oder der Verweigerung einer zumutbaren Arbeit pauschal 30 Prozent des sogenannten Existenzminimums gestrichen werden und dies gleich für drei Monate. Zugleich sollen die Meldepflichten verschärft und die Grenzen der Zumut­barkeit ausgeweitet werden. Außerdem soll das Schonvermögen schon nach einem halben Jahr aufgebraucht werden und nicht, wie derzeit noch, nach einem ganzen Jahr. Von der im Koalitionsvertrag vereinbarten Kindergrundsicherung ist nicht mehr die Rede.

    Unerhört ist der Zynismus, mit dem diese asozialen Maßnahmen begründet werden. So kommentierte FDP-Bundesjustizminister Buschmann diese auf X mit den Worten: »Wer keine Lust hat zu arbeiten, obwohl er könnte, wird mit strengeren Regeln beim Bürger­geld konfrontiert. Das ist sozial gerecht und in Zeiten des Arbeitskräftemangels ökono­misch klug.«

    Es ist ehrenwert, aber bei der Verkommenheit der Regierenden wirkungslos, wenn der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich in der Süddeutschen Zeitung vorrechnete, dass allein für die militärische und finanzielle Unterstützung Kiews in zwei Jahren 30 Milliarden Euro aufgebracht worden seien, die bei Investitionen anderswo fehlten.

    Wir können hinschauen, wohin wir wollen: Bei der Grundsicherung, die Rentnerinnen und Rentner erhalten, die sonst unterhalb des Existenzminimums leben müssten, ist eine Null­runde angedacht. Und zugleich steigen die Pflegekosten erneut an. Pflegebedürftige müs­sen für das erste Aufenthaltsjahr derzeit durchschnittlich 2.871 Euro pro Monat selbst bezahlen; das ist monatlich ein Plus von 211 Euro. Das 49-Euro-Ticket, sozial und umwelt­schonend, weil den öffentlichen Nahverkehr stimulierend, soll teurer werden.

    Die Lebensmittelpreise steigen nach wie vor an. Das trifft vor allem Menschen mit klei­nem oder prekärem Einkommen. Immer mehr Rentner müssen aufstocken – also um Grundsicherung betteln. Die Rentenkasse schreibt rote Zahlen, die Krankenkassenbeiträ­ge werden weiter steigen. Bezahlbare Wohnungen sind kaum zu finden, die Infrastruktur verfällt trotz beträchtlicher Aufwendungen weiter. Mittlerweile stürzen in Deutschland einfach die Brücken ein. Und das alles trotz ständig höherer Staatsausgaben.

    Summa summarum: Der Kampf gegen die sich rasant entwickelnden sozialen Ver­schlechterungen für eine Bevölkerungsmehrheit muss mit dem Kampf gegen die Milita­risierung verbunden werden. Denn beides hängt ursächlich miteinander zusammen.

    »Gegen die Kanonen-statt-Butter-Politik« – das ist die Losung, unter der sich Gewerk­schaften, soziale Bewegungen, die Friedens- und Umweltbewegungen und weitere fort­schrittliche Strukturen versammeln können und müssen.

    Davon sind wir noch weit entfernt. Aber dazu beizutragen, dass sich dieser gemeinsa­me Kampf entwickelt, das ist die vornehmste Aufgabe unserer Partei.

    Und das bedeutet auch, das sei heute nur am Rande erwähnt, antifaschistischen Aktio­nen wieder stärker oder überhaupt wieder einen sozialen Gehalt zu geben. So unbestritten wichtig Antifa-Aktionen sind, so notwendig ist es auf Dauer, dass sie inhaltlich nicht unbestimmt bleiben.

    Die richtige Überzeugung, dass Migration nicht ursächlich für soziale Verwerfungen ver­antwortlich gemacht werden kann, verfehlt ihre Wirkung, wenn über die gesellschaftli­chen Ursachen für Sozialabbau nicht gesprochen wird.

    Dazu passt, dass – gemeinsam mit der FDP – sich 62 Prozent der AfD-Wähler gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer aussprechen.

    Und, dass sich europaweit rechte Parteien demagogisch als Antikriegskräfte inszenie­ren, wird dann nicht entlarvt werden, wenn wir nicht darüber sprechen, dass deren For­derungen nach dem Ende der Militärhilfen für die Ukraine einhergehen mit der Forde­rung nach einer umfassenden Aufrüstung der nationalen Streitkräfte.

    Was tun?!

    Das Thema Frieden interessiert die große Mehrheit der Menschen hierzulande nicht zuletzt deshalb, weil es um nicht mehr und nicht weniger geht als um unser aller Über­leben. Das ist doch unübersehbar. Deshalb ist es auch völlig inakzeptabel, zum Thema Frieden ein instrumentelles Verhältnis einzunehmen. Willy Brandts Worte, dass Frieden nicht alles, aber ohne Frieden alles nichts sei, gelten heute mehr denn je.

    Denken wir nur an die auf dem jüngsten NATO-Gipfel im Juli dieses Jahres bekundete Absicht, 2026 in Deutschland US-amerikanische Langstreckenwaffen zu stationieren, die weit nach Russland hineinreichen. So wird Deutschland zur Zielscheibe.

    Wie man auf die Idee kommen kann, dieses Thema interessiere nur ältere Ostdeutsche, ist nicht zu begreifen. Es sei denn, man unterstellte ein instrumentelles Verhältnis zum Thema. Ein solches wiederum mündet in der Vorstellung, die älteren Ostdeutschen sei­en immer noch in DDR-Ideologie gefangen und somit eher bemitleidenswert denn ernst zu nehmen.

    Es würde dieses Referat überfordern, hier einen Diskurs über das in der DDR herr­schende Friedensverständnis zu versuchen. Und das ist auch nicht nötig; denn es geht um etwas anderes.

    Es geht darum, die Notwendigkeit, in der Friedensfrage eindeutig zu sein, abzuwerten. Ja – diese möglichst sogar zu umgehen.

    Liebe Genossinnen und Genossen, das war ein schwerer Fehler unserer Partei im Euro­pawahlkampf, und wir haben die Quittung erhalten.

    Mit der Begründung, die Friedensfrage spalte die Partei und ihre potenzielle Wähler­schaft, während hingegen die soziale Frage alle einen würde, wurde das Friedensthema im Wahlkampf faktisch ausgespart.

    Das war aus mindestens drei Gründen falsch: Besonders deshalb, weil wir dadurch viele der Wählerinnen und Wähler verprellten, die uns in der Vergangenheit gerade wegen unserer friedenspolitischen Grundsätze die Stimme gaben. Zum anderen, weil es ein­fach unmöglich ist, in Anbetracht eines drohenden nuklearen Infernos die Position der bekannten drei Affen einzunehmen, und letztlich, weil gerade gegenwärtig die soziale Frage untrennbar mit den nicht zu übersehenden Kriegsvorbereitungen verknüpft ist.

    Rosa-Luxemburg-Stiftung: Eine Erklärung

    Liebe Genossinnen und Genossen, unlängst, am Weltfriedenstag, fand in diesem Haus eine internationale Friedenskonferenz statt, die mit einer Abschlussresolution beendet wurde. Es ist wichtig, dass wir diese Resolution in unsere politische Praxis überführen. Die Resolution [1] besagt:

    »Wir – politische Aktivistinnen und Aktivisten, Intellektuelle und Bürgerinnen und Bürger –, die diesen Aufruf für eine gemeinsame, universelle und internationale diplomatische Initiative für den Frieden in Europa und in der Welt unterzeichnet haben, sind von Folgendem überzeugt:

    Das Blutvergießen und die Zerstörung in der Ukraine müssen ein Ende haben. Wir stehen an der Seite der ukrainischen Bevölkerung und aller Opfer dieses Krieges, die so schnell wie möglich Frieden, Wiederaufbau und Freiheit verdienen. Doch eines ist klar: Ohne Verhandlungen wird es weder Frieden noch Wiederaufbau und Freiheit geben. Nur 20 Prozent aller zwischenstaatlichen Kriege enden mit einem klaren Sieg oder einer Niederlage, und selbst dann oft erst nach vielen Jahren. Die Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft müssen daher alle Anstrengungen unternehmen, um den Weg für einen Waffenstillstand und anschließende Gespräche für einen dauerhaften Frieden zu ebnen.

    Auch wenn die Verhandlungen schon früh während des Krieges abgebrochen wurden und weder die russische noch die ukrainische Regierung seither Verhandlungsbereitschaft gezeigt haben, die über Gefangenenaustausch, Agrarexporte und Ähnliches hinausgeht, können ein Ende der Gewalt und Friedensverhandlungen herbeiverhandelt werden. Es reicht nicht aus, darauf zu warten, dass die Regierungen in Kiew und Moskau von sich aus an den Verhandlungstisch kommen oder dass die Müdigkeit der von diesem blutigen Zermürbungskrieg Betroffenen sie dazu zwingt. Wir hier in Deutschland, in Europa und im Westen sind es leid, nur darüber zu diskutieren, welche Waffen als nächstes geliefert werden sollen – wir wollen Wege entwickeln, wie diese Regierungen dazu beitragen können, dass Friedensgespräche tatsächlich möglich werden.

    Es kommt darauf an, die diplomatischen Initiativen aus China, Brasilien, den afrikani­schen oder anderen Ländern aufzugreifen, um die Kriegsparteien zu einem Ende des Krieges zu bewegen. Wir müssen Druck auf die westlichen Regierungen ausüben, die derzeit mehr damit beschäftigt sind, den Weg für eine neue Blockkonfrontation mit Chi­na und Russland zu ebnen, als echte Solidarität mit den Menschen in der Ukraine zu zeigen.

    Wie wir alle wissen, gibt es in der internationalen Linken sehr unterschiedliche Sicht­weisen auf den aktuellen Krieg. Dennoch glauben wir, dass eine gemeinsame Position möglich ist: ein gemeinsamer Appell für Verhandlungen und Druck auf die westlichen Regierungen, nicht in Waffen, sondern in Diplomatie zu investieren – denn es geht um Frieden, Freiheit, unzählige Menschenleben und auch um die demokratischen Perspek­tiven der Ukraine und Russlands. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Frieden und Sicherheit in Europa ohne weitere Aufrüstung und ohne eine neue militaristische Men­talität des Kalten Krieges gewährleisten können. Im Interesse der Bewältigung der gro­ßen historischen Herausforderungen der Menschheit – soziale Gerechtigkeit, Klima­wandel und demokratische Teilhabe – müssen wir heute handeln und eine neue Block­konfrontation verhindern. Den Krieg in der Ukraine zu beenden und Frieden zu schaffen ist dafür der Ausgangspunkt.«

    Ich unterstütze diese Resolution und hoffe, dass sie in der Tradition des Internationalis­mus unserer Friedensbewegung neue Impulse verleiht. Auf internationale Krisen und Kriege kann die Linke nur entschlossene, geschlossene und internationale Antworten geben.

    Ausblick und Ende

    Liebe Genossinnen und Genossen! »Man sagt, die Freiheit entsteht dadurch, dass man sie sich nimmt. Nehmen wir uns also zuallererst die Freiheit, für den Frieden zu arbei­ten«. Diese Worte Bertolt Brechts sind heute aktueller denn je.

    Denn verzichteten wir auf die Freiheit, für den Frieden zu kämpfen, so verzichteten wir womöglich sehenden Auges auf die weitere Existenz der Zivilisation. Überall auf der Welt müssen Linke für den Erhalt des Lebens auf unserer Erde einstehen.

    Dafür muss mobilisiert werden – nicht zuletzt hierzulande. Die deutsche Geschichte verpflichtet uns in besonderem Maße, Kriegsertüchtigung und Völkerverhetzung entge­genzutreten.

    Das schließt ein, der Forderung Rosa Luxemburgs zu entsprechen und zu sagen was ist. Wir müssen über die Ursachen der heutigen Kriege aufklären und dürfen uns der NATO-Lesart nicht anpassen.

    »Nichts ist schwerer und nichts erfordert mehr Charakter«, so Kurt Tucholsky, »als sich in offenem Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein«.

    Lasst uns in diesem Engagement für den Frieden und das friedliche Zusammenleben nicht spalten – nur gemeinsam können wir unsere Ziele erreichen. Die Linke war, ist und bleibt die Friedenspartei in Deutschland. Dafür kämpfe ich, mit euch gemeinsam, liebe Genossinnen und Genossen.

     

    Anmerkung: 

    [1] Vgl. https://www.rosalux.de/fileadmin/images/Themen/Frieden_und_Sicherheit/Appell_f%C3%BCr_Frieden_in_der_Ukraine_31_8.pdf – Red.