Auch wir finden die Rede von Sahra Wagenknecht gut
Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform, Erklärung vom 11. September 2022
Henriette Quade, Katharina König-Preuss und Juliane Nagel meinen in einem Offenen Brief an den Parteivorstand und die Fraktion der Partei DIE LINKE [1], sich zu Äußerungen von Sahra Wagenknecht erklären und ihr widersprechen zu müssen. Nun kann sich jede und jeder erklären und widersprechen. Auch dann, wenn das wohl in erster Linie vor allem das Interesse der Medienkonzerne und der Ampelregierung bedient.
Unsere Erfahrungen der letzten Tage besagen: Die Rede von Sahra im Bundestag [2] findet die Zustimmung ungezählt vieler Menschen, die aus den bekannten Gründen Angst vor der Zukunft haben. Sie wollen, dass Schluss ist mit den Sanktionen und mit der an Wahnsinn grenzenden Hochrüstung.
Wenn eine linke Politikerin über Sorgen und Nöte der Menschen im Land spricht und Abhilfe durch eine vernünftige Politik fordert, dann entspringt das keinem nationalistischen Denken, sondern sozialem Verantwortungsbewusstsein. Dass die Demagogen der AfD das zu instrumentalisieren versuchen, entspricht deren Interessenlage. Nicht zuletzt Sahra soll so diskreditiert werden.
Zurück zu Quade, König-Preuss und Nagel. Warum werden sie ausgerechnet kryptisch – also unklar oder uneindeutig in der Ausdrucksweise und daher schwer zu verstehen – wenn es um eine ihrer Kernaussagen geht. Die lautet: »Für uns war und ist klar: Kritik am Kapitalismus, Forderungen nach Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit müssen mehrdimensional in Verschränkung mit anderen (Un)gerechtigkeitskonflikten gedacht werden.« Warum nicht die schlichte, verständliche Sprache des Herrn Gauck, der vorschlägt, für die Freiheit zu frieren?
Warum haben die Verfasserinnen des Offenen Briefes keinen solchen an den Parteivorstand und die Fraktion geschrieben, als sich Katina Schubert als frischgewählte stellvertretende Parteivorsitzende unmittelbar nach Abschluss des Erfurter Parteitages für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach? Der Parteitag hatte das gerade abgelehnt. Offensichtlich ist das kein Problem, denn die Forderung nach Waffenlieferungen spielt ja niemandem in die Hände: Nicht der Bundesregierung und Rheinmetall, nicht der NATO und schon gar nicht US-amerikanischen Interessen.
Ganz anders ist das natürlich, wenn Sahra Wagenknecht den Wirtschaftskrieg gegen Russland ablehnt. Damit spielt sie natürlich Putin in die Hände. Verhandlungen mit Russland zu fordern, scheint mittlerweile zu den politischen Todsünden zu gehören.
Und noch etwas. Vielleicht sollten die drei einen weiteren Offenen Brief schreiben, der die Forderung enthält, nicht länger Gesellschafter der nd.Genossenschaft zu bleiben. Denn im nd vom 3./4. September 2022 schrieb Stephan Kaufmann: »Dass es sich um einen Wirtschaftskrieg des Westens handelt, kann allerdings kaum bestritten werden. Laut US-Präsident Joe Biden hat der Westen ›beispiellose Sanktionen‹ gegen Russland eingeführt, die ›in ihrer Gesamtheit die Potenz entfachen, Schäden zuzufügen, die der Anwendung militärischer Macht gleichkommen‹«. [3]
Warum darf Sahra, die den Krieg Russlands in der Ukraine von Anbeginn verurteilte, nicht sagen, was Biden auch äußerte? Es wird niemanden verwundern: Auch wir finden die Rede von Sahra Wagenknecht gut und haben die entsprechende Petition [4] mitgezeichnet. Die Aggressivität, mit der bestimmte Kräfte der Partei auf Spaltung setzen, ist erschreckend. Den Ausschluss von Sahra aus der Bundestagsfraktion zu fordern, ist eine unglaubliche Frechheit, und ebenso unverschämt ist es, den Rücktritt der Fraktionsvorsitzenden zu fordern.
Es ginge nicht um Parteistrafen und um ein Ende des Pluralismus, schreiben die Verfasserinnen des Offenen Briefes. So viel Witz hätten wir ihnen gar nicht zugetraut. Es geht um viel mehr als um Parteistrafen. Es geht um massenhafte Ausgrenzung. Wir möchten hier modifiziert an Brecht erinnern, ob es nicht doch einfacher wäre, die Verfasserinnen des Offenen Briefes lösten die Partei auf und wählten sich eine andere.
Die Kommunistische Plattform stellt sich Spaltungsbestrebungen prinzipiell entgegen. Eine Spaltung nutzte nur dem politischen Gegner.
Anmerkungen:
[1] Siehe: https://www.es-reicht.org.
[2] Siehe Plenarprotokoll 20/51 vom 08.09.2022, https://www.bundestag.de/protokolle.
[3] Stephan Kaufmann: »Sozialpolitik statt Geopolitik«, nd, 03.09.2022.
[4] Siehe: https://www.openpetition.de/petition/online/ich-finde-die-rede-von-sahra-wagenknecht-gut.