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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Antifaschistisches Gedenken hüben und drüben

Stephan Jegielka, Berlin

Vor sechzig Jahren, am 18. August 1954, wurde das Museum der Widerstandsbewegung in Buchenwald eröffnet. Ein Anlass, sich - ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit - daran zu erinnern, wie in den seinerzeit zwei deutschen Staaten der faschistischen Barbarei und des Widerstands dagegen gedacht wurde.

Selbst die bürgerliche Geschichtsschreibung musste nach 1990 konstatieren, dass das Gedenken an den antifaschistischen Widerstandskampf in der BRD »defizitär« und »beschämend« sei. Im Gegensatz zur DDR waren die Gedenkstätten klein und schlecht ausgestattet. Die Orte des faschistischen Terrors, die KZ-Lager, waren weitgehend oder ganz abgerissen und man pflegte ein »unspezifisches Totengedenken«, das den Unterschied zwischen Opfern und Tätern vielerorts einebnete. Eine graduelle Aufweichung dieses nivellierenden Gedenkens gelang durch Initiativen von antifaschistischen und gewerkschaftlichen Organisationen. Das war sehr verdienstvoll, konnte allerdings keine wesentlichen Änderungen in der vom Antikommunismus geprägten Erinnerungskultur der BRD bewirken. [1] In diesem Kontext entstanden in den 60ern die Gedenkstätten in Dachau, Bergen-Belsen und Neuengamme. Welcher Geist diese Auseinandersetzungen in der BRD prägte, zeigen folgende Vorgänge. Bis Mitte der 90er blieb es in Dachau bei einer »abwehrenden Gedenkstättenpolitik«. 1969 schrieb der Dachauer Volksbote an die Verfechter eines Gedenkens gerichtet: »Ihnen scheint nicht bekannt zu sein, daß wir Dachauer vom KZ nichts mehr hören können.« Bergen-Belsen blieb bis Anfang der 90er eine »Gedenkstätte ohne Personal und Sammlung«. Der Hamburger Senat lehnte in den 50ern eine Gedenkstätte für das KZ Neuengamme ab, da er sich nicht »für kommunistische Zwecke missbrauchen« lassen wolle. Ehemalige Häftlinge des KZ mussten in den folgenden Jahrzehnten in den Verhandlungen um die Errichtung einer Gedenkstätte die »entwürdigende Rolle von lästigen Bittstellern« einnehmen. [2] Auch in Westberlin existierten in den 50er Jahren mit dem Gedenkort im Zuchthaus Plötzensee und der Gedenkstätte des deutschen Widerstandes im ehemaligen Oberkommando des Heeres gerade einmal zwei Gedenkstätten.

Die Gedenkstättenpolitik der DDR hingegen war zentraler Bestandteil der Erinnerungskultur und von Anbeginn vom Antifaschismus geprägt. So wurde durch die DDR 1955 ein Kuratorium für nationale Mahn- und Gedenkstätten gegründet. [3] In den folgenden Jahrzehnten wurden mit großer finanzieller und organisatorischer Unterstützung des Staates u.a. Stätten der Ehrung und des Gedenkens in den Konzentrationslagern und Zuchthäusern Buchenwald, Ravensbrück, Sachsenhausen, Sachsenburg, Hohnstein, Dora Mittelbau in Nordhausen, Karlshagen und Brandenburg errichtet. Es entstanden die Gedenkstätten für die Opfer des Faschismus »Fürstenwalder Hof« in Fürstenberg, »Isenschnibber Scheune« bei Gardelegen und der »Georg Schumann-Bau« in der TU Dresden. 1988 beschloss die Regierung der DDR die Errichtung der Mahn- und Gedenkstätte in Brandenburg-Görden. [4]

Nach dem 3. Oktober 1990 gab es in der BRD eine »Neukonzeption« der großen Gedenkstätten sowie eine »zunehmende Professionalisierung und Institutionalisierung« der Gedenkkultur. Dies betraf in der Sache den Osten des Landes. Inhaltlich blieb man dem »unspezifisches Totengedenken« verpflichtet. So wurde aus der Neuen Wache in Berlin, die in der DDR den Opfern des Faschismus gewidmet war, eine Erinnerung an Opfer von Gewaltherrschaft. Mit solcher Konzeption, so z.B. auch in den ehemaligen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Buchenwald praktiziert, wurde die Totalitarismus-Doktrin bedient - die Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus. Dies ermöglichte die Errichtung von Orten antikommunistischer und antisowjetischer Propaganda gleich neben den KZs, wie eben in Sachsenhausen. Auf dem seinerzeit der DDR zugehörigen Gebiet ging man sogar zur Demontage kleinerer Gedenkstätten wie der Sachsenburg oder des Außenlagers Schwarzheide über. Ausstellungen wie das »Internationale Museum des antifaschistischen Kampfes der europäischen Völker« in Sachsenhausen wurden in faktischen Nacht-und-Nebel-Aktionen abgerissen. So wurden die Opfer des Faschismus ein »zweites Mal getötet«. [5]

Anmerkungen

[1] In diesem Kontext entstanden in den 60ern die Gedenkstätten in Neuengamme, Dachau und Bergen-Belsen. Knigge, Volkhard: Kultur und Ausgrenzung. Zur Geschichte des KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar, in: Koch, Gertrud: Bruchlinien, Tendenzen der Holocaustforschung, Köln 1999, S. 224.

[2] Knigge, Volkhard: Kultur und Ausgrenzung. Zur Geschichte des KZ Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar, in: Koch, Gertrud: Bruchlinien, Tendenzen der Holocaustforschung, Köln 1999, S. 224. König, Christian: Der Dokumentarfilm »KZ Dachau«. Entstehungsgeschichte - Filmanalyse - Geschichtsdeutung, München 2010, S.124. Schwenkem Kerstin: Dachauer Gedenkorte. Zwischen Vergessen und Erinnern, München 2012, S. 35-36. Rahe, Thomas: Bergen-Belsen - Stammlager in: Der Ort des Terrors, BD7, München 2008, S. 216. Klarmann, Johann: Die erneute Demütigung. Hamburgs Umgang mit dem ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme 1945 bis 1985, Berlin 2013, S. 53, S. 227.

[3] Sternfeld, Nora: Geschichtspolitische Entwicklungen postnazistischer Gedenkstätten, in: ARGE Schnittpunkt: Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis, Böhlau 2013, S. 65.

[4] Kulturpolitisches Wörterbuch, Berlin 1970, S. 391. Leo, Annette: Geschichte wird Erinnerung: zum 50. Jahrestag der Befreiung im Land Brandenburg, Potsdam 1995, S. 15.

[5] Zorn, Monika: Hitlers zweimal getötete Opfer. Westdeutsche Endlösung des Antifaschismus auf dem Gebiet der DDR, Freiburg 1994 , S. 10. Haustein, Petra: Geschichte im Dissens. Die Auseinandersetzungen um die Gedenkstätte Sachsenhausen nach dem Ende der DDR , Leipzig 2006, S. 111, Handbuch, S. 66.