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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Anmerkungen zu den Kommunalwahlen

Friedrich Rabe, Altenweddingen (Sachsen-Anhalt)

 

Gemeinsam mit den Europawahlen hat sich die Hoffnung auf eine Stimulierung in der Wahlbeteiligung nicht erfüllt.

Zwischen etwa 30 und 50% lag die Zugkraft beider Veranstaltungen. Nur in Ausnahmefällen, in kleinen Dörfern, wurden 70% und mehr der Wahlberechtigten mobilisiert. Somit bestätigte sich einmal mehr, was allgemein mit dem Begriff der Wahlmüdigkeit benannt wird, wobei "Müdigkeit" den Sachverhalt nicht richtig umschreibt. Eher ist es die Erkenntnis, daß die Spielräume in der Kommunalpolitik sehr begrenzt sind und durch Bund und Land immer weiter eingeschränkt werden, je prekärer die Haushaltslagen in diesen politischen Ebenen werden. Diesem veränderten Verhältnis entsprechen die Bürger, indem sie den Urnen fernbleiben. Das ist aber nur die eine Seite. Zu den eigentlich ja öffentlichen Tagungen der Räte in den Dörfern und Städten kommen schon lange kaum noch Interessierte. Warum sollten sie auch, wenn sie durch die Geschäftsordnungen auf die Rolle der ausgesperrten Zaungäste verwiesen werden? Der Begriff der Wahlbeteiligung wird zunehmend mehr auf den Akt der Stimmabgabe reduziert. Der Gang zur Urne ist aber nur ein vorläufiger Schlußpunkt, der seinen Ursprung in der Wahrnehmung kommunaler Verantwortung hat und mindestens den gesamten Prozeß der Vorbereitung auf die Wahlen umfaßt. Hier wird sichtbar, wie kommerzialisiert das ganze Vorgehen bereits ist.

Bei uns war DIE LINKE die einzige bundesweit agierende Partei, die ihren Mitgliedern und Sympathisanten noch abverlangte, selbst Plakate aufzuhängen und Flugblätter (Flyer) in Briefkästen zu stecken. Dominiert wurde diese Seite des Wahlkampfes durch Werbematerialien, die gewerblich verteilt wurden. Auf eine kurze Formel gebracht könnte man sagen, Kommerz kauft Demokratie, wenn das dann noch Demokratie genannt werden kann, was sich so vollzieht.

Politische Opposition schlägt sich allerdings nicht nur in zunehmendem Wahlboykott nieder. Gerade auf kommunaler Ebene bilden sich immer mehr Wählervereinigungen, die allein durch ihr Agieren dem Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung näher zu stehen scheinen. In ihnen finden sich hauptsächlich kleinbürgerliche Kräfte zusammen (Bauern, Handwerker, Lehrer, Beamte und Angestellte), die über ihr unmittelbares Umfeld selbst entscheiden möchten, in den etablierten Kommunalstrukturen aber dafür kaum Spielräume sehen. Sie sind mit den bestehenden Gesamtverhältnissen zumeist einverstanden, sind jedoch der Überzeugung, allein durch ihr persönliches Wirken in der Lage zu sein, die bestehenden Widersprüche besser lösen zu können. Sie stehen für erfolgreiche Lebensgestaltung und treten zumeist als Opposition zu konkreten Erscheinungen auf. Damit kanalisieren sie auch Unzufriedenheit, die aus ganz anderen Quellen gespeist wird, deren Ursachen von ihnen weder behoben werden wollen noch können.

Diese Wählergemeinschaften jetzt schon auf eine politische Grundlinie festlegen zu wollen, scheint trotz ihrer sozialökonomischen Bedingtheit noch nicht im Einzelnen möglich.

In unserer Gemeinde, der "Einheitsgemeinde Sülzetal" ist sie stark geworden, weil sie sich gegen die Gemeindestrukturreform positionierte, die den Dörfern nahezu jede eigene Befugnis nahm und damit Entscheidungen möglich machte, die jeder Demokratie Hohn sprachen. Mit unserem von allen Medien hoch gelobten Gewerbegebiet wurden riesige Flächen Bördebodens unwiederbringlich zerstört, obwohl 5-10 Minuten Fahrzeit weiter die Industriebrachen Magdeburgs vor sich hin rotten. Der für die Dörfer der Gemeinde erwartete Wohlstand blieb aus, weil die Erschließungskosten kreditfinanziert waren, Prestigeobjekte finanziert wurden, die Steuern der neu angesiedelten Betriebe aber zu großen Teilen in deren Stammsitze außerhalb Sachsen-Anhalts fließen. Heute drückt die Gemeinde mit großem Gewerbegebiet eine Schuldenlast von mindestens 4 Millionen € mit steigender Tendenz. Bereits das zweite Jahr arbeitet sie mit einem Haushalt, dessen Bestätigung durch die Finanzaufsicht wohl erst im zweiten Halbjahr oder als Zwangshaushalt erfolgt. Das war der Nährboden, auf dem "Freie Wähler" beachtliche Wahlerfolge erzielen konnten. In einem solchen politischen Umfeld bot sich die Kooperation der LINKEN mit den "Freien Wählern" an. Ähnliche Ansätze dürfte es auch in anderen Kommunen geben.

Warnen möchte ich jedoch vor einer Generalisierung der Übernahme solcher Kooperationsmodelle. Trotz oder gerade wegen ihres zunehmenden Erfolgs ist ihre soziale Zusammensetzung relativ stabil, ihr politisches Agieren allerdings kaum langfristig zu bestimmen. In anderen Konstellationen deutete sich bereits an, daß sie tief in das bürgerliche Lager abgleiten können.

Bleibt als Fazit:

  • Die Wahlverweigerung als aktiver und passiver Akt bleibt das dominante Ergebnis dieser Kommunalwahlen.
  • Kaum eine kommunale Vertretung wäre demokratisch legitimiert, gäbe es ein Quorum von mindestens 50% Wahlbeteiligung.
  • Wählergemeinschaften gewinnen an Bedeutung, drücken zunehmend kritische Haltungen aus und sind noch auf die kommunale Ebene festgelegt.
  • Unsere Partei leidet weiter an zu wenig Kandidaten im ehrenamtlichen Bereich. Für Kandidaturen mit finanzieller Absicherung stehen stets genügend Bewerber zur Verfügung.

Diesem Dilemma ist nach meiner Ansicht nur zu begegnen, indem die in den Parlamenten tätigen Mandatsträger und Mitarbeiter den Schwerpunkt ihrer Arbeit darauf richten, die organisatorische Arbeit in die Breite der Städte und Dörfer zu tragen. Nur wenn es uns gelingt, die weißen Flecke rot einzufärben, haben Bürger auch die praktische Chance, rot zu wählen.

 

Mehr von Friedrich Rabe in den »Mitteilungen«: 

2008-09: Rede 2008 zum Thälmanngedenken

2008-05: Bericht des Bundessprecherrates …

2007-10: Die Linke.Sachsen-Anhalt ist gegründet​​​​​​​