An den Nöten der Leute dran geblieben
Carsten Schulz, Berlin, Diskussionsrede auf dem Magdeburger Parteitag
Liebe Genossinnen und Genossen, spätestens die Landtagswahlen am 13. März haben gezeigt, dass wichtige Zielgruppen unserer Partei die AfD gewählt haben. Sie dürfen wir nicht aufgeben.
Dass kann natürlich nicht bedeuten, dass wir in der Auseinandersetzung mit den Rechten irgendwelche Zugeständnisse machen. Wir müssen den WählerInnen der AfD deutlich sagen, dass sie Brandstiftern hinterherlaufen und es dafür keine Rechtfertigungen gibt.
Vor allem aber müssen wir die Interessen der sozial Benachteiligten vertreten.
Ich möchte Euch ein Beispiel aus meinem Berliner Bezirksverband Tempelhof-Schöneberg geben: Seit Jahren setzen wir uns für Mieterinteressen im Neubaugebiet Marienfelde in Fragen der energetischen Sanierung und der damit auch verbundenen Verdrängung von Mietern mit geringem Einkommen ein.
Wir haben dort mit Rechtsanwälten, unserer kommunalen Abgeordneten Elisabeth Wissel und auch mit dem Mitglied unserer Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Uwe Döring mehrere Mieterversammlungen organisiert, auf denen auch VertreterInnen der Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo Rede und Antwort stehen mussten. So konnten wir einige Erleichterungen für Mieter wie Mietbegrenzungen oder die Beseitigung von Sanierungsmängeln durchsetzen.
In diesem Zusammenhang haben wir auch mit zwei älteren Mietervertretern der DeGeWo zusammengearbeitet. Am Rande der Veranstaltungen äußerten diese bereits Vorbehalte und Bedrohungsängste gegen den Zuzug von Geflüchteten im Stadtteil Marienfelde, denen wir in Diskussionen entgegentraten.
Wir machten schon damals deutlich, dass wir als linke Partei die Interessen aller Lohnabhängigen vertreten, egal ob sie zur länger hier ansässigen Bevölkerung gehören oder aktuell einen Fluchthintergrund haben.
Nach den Landtagswahlen im März kündigten zu unserer Überraschung diese beiden Vertreter die Zusammenarbeit mit uns auf: Wir würden wie die anderen Parteien der Kanzlerin Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik zujubeln und alle Flüchtlinge ins Land holen wollen, beschwerten sie sich am Telefon.
Sie könnten ja die Situation der einzelnen geflüchteten Familien verstehen, aber nun müssten sie als Rentner mit geringem Einkommen selber sehen, wo sie blieben. Auch könne man sich nicht mehr auf die Straße trauen …
Wir haben nicht locker gelassen und bei Briefkastenaktionen und Hausbesuchen in Marienfelde – auch bei den beiden besagten Mietervertretern – für eine von uns gemeinsam mit der Initiative »Reiches Deutschland – Arme RentnerInnen« organisierte Demonstration gegen Altersarmut geworben, die wir am 30. April vor dem Berliner Rathaus am Neptunbrunnen mit dem Hauptredner Bernd Riexinger durchführten.
Dies war zugegebenermaßen eine kleine Aktion, mit der wir immerhin mit einem Kurzbericht in die Regionalnachrichten kamen. Wichtig war jedoch auch die Wirkung im besagten Neubaugebiet Marienfelde: Hier sind wir mit dem Thema Altersarmut präsent. Nach unserer Aktion haben besagte MieterInnen wieder den Kontakt zu uns gesucht.
Wir sind an den Nöten der Leute dran geblieben, auch wenn oder gerade weil sie für die Parolen der Rechten durchaus anfällig sind.
Und wir werden in den nächsten Tagen auch in diesem Wohngebiet ein zweisprachiges kurz gehaltenes Flugblatt über die menschenfeindliche Politik und soziale Demagogie der AfD auf Deutsch und Russisch mit einer Auflage von 5.000 Exemplaren in die Briefkästen stecken.
So wird deutlich: Wir sind im Gegensatz zur asozialen AfD, aber auch im Gegensatz zu SPD und Grünen, die Partei der sozialen Gerechtigkeit.
Spekulationen zu Bündnissen mit neoliberalen Parteien auf Bundesebene sind in der Auseinandersetzung mit den Rechten völlig kontraproduktiv.
Dokumentiertes Flugblatt
Keine Alternative für Deutschland. Was die AfD verspricht, wie sie hetzt und warum sie keine Partei der Kleinen Leute ist
Die AfD stellt sich als Partei der Kleinen Leute vor – gegen die Herrschenden und das sogenannte Establishment. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen: Die AfD hat den Kleinen Leuten nichts anzubieten: sie fordert weniger statt mehr Steuern für Reiche und eine noch härtere Kürzungspolitik – in einer Zeit, wo jeder mit bloßem Auge sehen kann: Es muss in öffentliche Infrastruktur, Schulen, Kindergärten, Straßen investiert werden. Mindestlohn, Mietpreisbremse, kostenfreie Ausbildung, Energiewende, Armuts- oder Kindergrundsicherung – zu diesen wichtigen Themen hat die AfD nichts zu sagen.
Die AfD will angeblich »mit denen da oben« Klartext reden. Das Gegenteil ist richtig: Die Schwächsten sind Ziel ihres Hasses, Flüchtende werden gegen Arbeitslose, Rentnerinnen und Rentner und andere schwache Gruppen ausgespielt. Die Frage nach der gerechten Verteilung des Reichtums im Land stellt die AfD nicht, sondern macht Flüchtende zu Sündenböcken für Fehler der Politik. Das zynische Kalkül der AfD legt ihr stellvertretender Vorsitzender Gauland offen, wenn er die Fluchtkrise als »Geschenk für die AfD« bezeichnet. Vorschläge zur Bekämpfung der Fluchtursachen dagegen: Fehlanzeige.
Ihre menschenverachtende ldeologie haben die Vorsitzende Petry und ihre Stellvertreterin von Storch jüngst offenbart, als sie Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge forderten. »Auch auf Frauen und Kinder schießen?« fragte ein Kommentator auf Facebook. Ja, so die Antwort von Frau von Storch. Danach wiegelte sie ab: Auf Kinder solle nicht geschossen werden. Auf Frauen schon. So viel zur angeblichen Wertschätzung der AfD für die Familie.
AfD – das braucht kein Mensch. Wir setzen auf Miteinander statt Hetze und soziale Spaltung! Nein zur AfD!
DIE LINKE Tempelhof-Schöneberg. V.i.S.d.P.: Carsten Schulz, Feurigstr. 68, 10827 Berlin
Mehr von Carsten Schulz in den »Mitteilungen«:
2015-07: Gegen Konfrontationspolitik entschieden protestieren
2014-06: Aktionen praktischer Solidarität folgen lassen