Abu Ghraib – das ist das Gesicht der Folter, der Verachtung, der Entwürdigung
Wolfgang Gehrcke, MdB
Die Bilder des US-Folterquartiers Abu Ghraib im Irak sind um die Welt gegangen – aufwühlend, furchtbar und abstoßend. Was muss, so frage ich, in den Köpfen von Menschen vorgehen, die sich so primitiv zum Herrscher über anderer Menschen aufschwingen. Aber, reicht diese Frage, diese Erkenntnis? Muss nicht nach dem System gefragt werden? Was ist das für ein System, das Menschen zu Unmenschen abrichtet? Abu Ghraib war ein Gefängnis, eine Foltereinrichtung – andere Geheimgefängnisse hat die USA in aller Welt eingerichtet. Gefangene, Verschleppte, Entführte wurden mit Geheimflügen auch über Deutschland in die Höhlen des Verschwindens transportiert. Oder in Bagram (Afghanistan) und in Guantanamo wie Tiere gehalten. Ohne Gerichtsurteil, ohne Öffentlichkeit, ohne Rechte und ohne Hoffnung. Beschuldigte werden bei Verhören gefoltert, mit »Water-boarding« wird Ertrinken simuliert, Schläge und Scheinhinrichtungen sind an der Tagesordnung. Das weltweit größte Gefängnissystem, auch der Ausbeutung, des Rassismus, gibt es in den USA. Warum in einem Land, in dessen Verfassung festgeschrieben ist, dass »alle Menschen mit gleichen, unveräußerlichen Rechten geboren« sind?
Wenn ein System, und das ist mehr als »schlechte Menschen«, den Wert eines Menschen am Wert des Profites bemisst, dann werden Menschen schnell als unwert aussortiert. Wenn die Hautfarbe noch immer, obwohl ein Farbiger inzwischen Präsident des Landes werden konnte, über das Menschsein dominiert, wenn der Vorwurf des Terrorismus Terrorismus gebiert, verändern sich Gesellschaften – in den USA, in Europa, auch in Deutschland. Erinnert euch, der Krieg gegen den Terror wurde mit drei Argumenten begründet:
Die Gefahr von terroristischen Anschlägen sollte gebannt werden. Was aber ist heute? Ist die Gefahr von Anschlägen verschwunden? Nein, sie ist sogar größer geworden.
Abrüstung sollte erzwungen werden. Weltweit ist aber die Rüstung angestiegen.
Demokratie sollte durchgesetzt werden. Im Irak und in Afghanistan. Doch statt mehr Demokratie in diesen Ländern zu erreichen, wurden die westlichen Länder dem immer ähnlicher, was sie vorgaben, zu bekämpfen.
Abu Ghraib, das ist das Menetekel des Krieges gegen den Terror. Mene tekel – geschätzt, gewogen und zu leicht befunden. Ohne Umkehr, ohne Systemveränderung bleibt die Folter in der Welt. Der »American Way of Life« muss Folter ausschließen und nicht dulden.
Wolfgang Gehrcke ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Leiter des Arbeitskreises Außenpolitik und internationale Beziehungen.