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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

90 Jahre KPÖ und die Herausforderungen der Gegenwart

Franz Stephan Parteder, Graz

Im November 2008 feierten wir den 90. Geburtstag der KPÖ. Es ist nicht vielen Menschen vergönnt, dieses Alter zu erreichen, es gibt auch nicht viele politi­sche Bewegungen und Parteien in Österreich, die auf eine derart lange und un­unterbrochene Existenz zurückblicken können. Die Geschichte der KPÖ ist auf das Engste mit der Geschichte der Republik Österreich verbunden, die ebenfalls vor 90 Jahren, am 12. November 1918 auf revolutionäre Weise gegründet wurde, und sie ist mit der russischen Oktoberrevolution und der wechselvollen Geschichte der Sowjetunion und der kommunistischen Weltbewegung verbunden. So gab beispielsweise die Stimme des österreichischen Delegierten Karl Steinhardt auf dem ersten Weltkongreß im Jahr 1919 den Ausschlag dafür, daß die Kommunistische Internationale gegründet worden ist.

Mit Ausnahme der unmittelbaren Nachkriegszeit war die KPÖ zwar keine Massenpartei, aber an den Knotenpunkten der österreichischen Geschichte hat sie wichtige Beiträge für eine positive Entwicklung unseres Landes geleistet. So waren im Februar 1934 die Kommunisten in der Steiermark die besten Kameraden des Koloman Wallisch (wie der Titel eines Fernsehfilms des Kapfenberger Autors Michael Scharang lautet). Die KPÖ wurde dann in der Illegalität und im Widerstand gegen den Klerikalfaschismus zu einer stärkeren Kraft als vor dem Verbot der Partei im Jahr 1933. Es war der Kommunist Alfred Klahr, der 1937 den wissenschaftlichen Beweis dafür erbracht hat, daß Österreich eine eigenständige Nation ist. Und es war die KPÖ, die im Widerstand gegen Hitler die größten Opfer gebracht hat. Am 65. Jahrestag der Moskauer Deklaration über Österreich halten wir fest, daß es vor allem Kommunisten waren, die den von den Alliierten geforderten Beitrag Österreichs zur Befreiung vom Hitlerfaschismus gebracht haben. Stellvertretend für viele nenne ich zwei Namen: Unseren Franz Bair, nachdem das Kapfenberger Parteiheim benannt ist, und Alois Pisnik, der als politischer Leiter der KPÖ für die Obersteiermark 1940 verhaftet wurde, in Halle im Zuchthaus saß und nach 1945 eine verantwortungsvolle politische Arbeit in der DDR leistete. Die Republik Österreich hat die Leistungen von Franz Bair und Alois Pisnik gewürdigt.

Im Jahr 1945 ist von Kapfenberg und von Donawitz aus der Ruf nach Verstaatlichung der Großindustrie und der Banken ergangen – und es waren viele Initiativen obersteirischer Kommunistinnen und Kommunisten, die in der Zweiten Republik zur sozialen Besserstellung der arbeitenden Menschen beigetragen haben. Und es war die KPÖ, die lange vor 1955 für die Neutralität unseres Landes eingetreten ist. Diese Leistung kann nicht klein geredet werden und sie wird von objektiven Historikern auch gewürdigt.

Ich persönlich und die KPÖ Steiermark halten es auch für besonders wichtig, daß wir vor und nach dem Beitritt Österreichs zur EU aufgezeigt haben, welche negativen Folgen dieses Europa der Konzerne und der Generäle für die arbeitenden Menschen hatte und hat. Wir sagen Nein zu dieser EU und meinen, daß sich auch in dieser Frage langfristig die Meinung durchsetzen wird, daß wir mit dieser Haltung weitblickender sind als andere, die trotz besseren Wissens von einem sozialen Europa reden.

Kritische Punkte

An solchen Geburtstagen neigt man zur Verklärung, man will an kritische Punkte der Vergangenheit eher nicht rühren und stellt die guten Seiten in den Vordergrund. Das ist nicht falsch und wir alle können stolz auf die Geschichte der KPÖ sein. Weil wir aber eine politische Bewegung sind, die in Gegenwart und Zukunft die Geschicke unseres Landes im Sinne der arbeitenden Menschen mit gestalten will, dürfen wir auch das, was nicht so gut war und ist, nicht unter den Tisch fallen lassen.

Es war nicht nur die Schuld des Klassengegners, daß wir Österreich-weit in der Massenzustimmung nie über einen eng begrenzten Rahmen hinausgekommen sind. Auch eigene Fehler haben uns daran gehindert. Wir waren jahrzehntelang Weltmeister im Produzieren von bedrucktem Papier, wir haben alle globalen Probleme gelöst und alles besser gewußt – aber nur auf dem Papier. Die Leute haben uns nicht zugehört. Es ist uns nur in den seltensten Fällen gelungen, das Kettenglied herauszufinden, das – nicht in der Theorie, sondern in der Praxis – dazu geführt hätte, daß wir als prinzipienfeste Partei auch eng mit den Massen verbunden gewesen wären.

Dabei hat uns auch sicherlich nicht geholfen, daß wir fast alle Irrwege der kommunistischen Weltbewegung mitgemacht und manchmal verteidigt haben, was nicht zu verteidigen war. Es ist wichtig, daß wir die Geschichte unserer Bewegung gründlich aufarbeiten. Dabei darf man aber nicht versuchen, die Fakten in ein Schema zu pressen. Erinnern wir uns: Wir haben in den verschiedenen Lehrgängen und Schulungen immer wieder gehört, daß die Geschichte unserer Bewegung ein ständiger Kampf zwischen Marxismus-Leninismus und "Revisionismus" gewesen wäre. Was nicht in dieses Schema gepaßt hat, wurde verschwiegen oder dem Wunschbild von der eigenen Geschichte angepaßt.

Heutzutage haben wir es mit einem anderen Schema zu tun. Die vielfältige und widersprüchliche Geschichte unserer Partei wäre ein permanenter Kampf zwischen "dogmatisch-autoritärer Richtung" und "demokratisch-emanzipatorischer Tendenz" gewesen. Dieser neuerlichen Verzerrung unserer Geschichte müssen wir als steirische Kommunistinnen entschieden entgegentreten. Noch dazu wenn sie durch Leute passiert, die bis 1989 in der Öffentlichkeit kein Wort gegen eine – wie man jetzt sieht – falsche Verteidigung von allem und jedem, was in der Sowjetunion passiert ist, gesagt haben, und die jetzt die KPÖ in die Abhängigkeit von einer Europäischen Linken führen wollen, die dabei ist, grundlegende Erkenntnisse des Marxismus über Bord zu werfen.

Wir haben in der Steiermark unsere Lektion aus der Geschichte gelernt. Dazu gehört auch, daß wir eine schematische Geschichtsbetrachtung ablehnen und unsere Selbstständigkeit, verbunden mit unserer Bündnisfähigkeit, bewahren wollen. Wir können mit unserem eigenen Kopf denken und brauchen deshalb im Jahr 2008 keine kurzen Lehrgänge, die uns vorschreiben wollen, wie wir die Geschichte unserer Partei bewerten sollen.

Kein Kameradschaftsbund

Über unsere Haltung zu den sozialistischen Ländern möchte ich nur sagen: Wir sind kein Kameradschaftsbund zur Aufrechterhaltung des Andenkens an die Oktoberrevolution. Für mich war und ist der "Rote Oktober" 1917 aber ein roter Stern, der nicht verglüht. Jede grundlegende Umwälzung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung wird mit genau denselben Problemen konfrontiert werden, denen sich Lenin und die anderen Revolutionäre in Rußland gegenüber gesehen haben. Sie haben es gewagt, den Kampf aufzunehmen. Und sie haben einen großen Sieg errungen, sie haben ein ganzes Staatswesen umgewälzt und damit ein Beispiel gegeben, das weiter wirkt und im Gedächtnis der Menschheit bleiben wird.

Und eines stellt sich immer deutlicher hinaus: Der staatlich verfaßte Sozialismus in Osteuropa war ein Gegengewicht gegen das Kapital, das man im Nachhinein nicht unterschätzen sollte. Mein Vater, ein parteiloser Betriebsrat bei den Veitscher Magnesitwerken, hat immer gesagt: "Wenn es die Sowjetunion nicht mehr gibt, was ist dann mit unseren Sozialleistungen?"

In den bald 20 Jahren seit dem Ende des Realsozialismus hat sich herausgestellt, wie richtig dieser Ausspruch war. Und man muss noch etwas hinzufügen: Wir leben in einer Welt, in der Kriege um den Zugang zu Rohstoffen zur kapitalistischen Normalität gehören. Auch das ist eine Folge des Zusammenbruchs des Realsozialismus.

Selbstständige Politik

War damals alles gut? Natürlich nicht. Aber eines muß man an unserem 90. Geburtstag auch sagen: Wir entwickeln unsere Politik seit schon bald 20 Jahren selbstständig unter völlig neuen internationalen Bedingungen und Klassenverhältnissen. Deshalb beschäftigen wir uns nicht so sehr mit den Gespenstern der Vergangenheit, sondern vor allem mit den Herausforderungen der Gegenwart.

Unsere Positionen im Landtag, im Grazer Rathaus, in wichtigen steirischen Gemeinden, in der Arbeiterkammer und in Betriebsräten sind kein Selbstzweck. Wir wollen auch dort zeigen, daß wir eine nützliche Partei für die Menschen sind. Vom "bloßen Papierkommunismus" sind wir weggekommen. Eine Partei wie die KPÖ kann mißtrauische Menschen eher überzeugen, wenn diese sehen, daß wir nicht nur reden, sondern etwas tun.

In der aktuellen Krise des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems sind die Ideen von Marx, Engels und Lenin sowie alle Erfahrungen der Arbeiterbewegung – darunter auch jene, welche die KPÖ in den 90 Jahren ihrer bisherigen Geschichte angesammelt hat – wichtig, um einen fortschrittlichen Ausweg zu finden.

Die KPÖ Steiermark tritt für ein sozialistisches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein, in dem nicht mehr der Maximalprofit, sondern die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Menschen das Maß aller Dinge sind. Wir können unsere Vorhaben aber nur dann verwirklichen, wenn große Teile der Bevölkerung an der Basis für ihre Interessen aktiv werden. Die steirische KPÖ ist bereit, an derartigen Bewegungen mitzuwirken. Dabei grenzen wir niemanden aus. Eine Vereinigung der fortschrittlichen Kräfte in Österreich zu einer neuen politischen Kraft steht nicht auf der Tagesordnung. Was aber auf der Tagesordnung steht, das ist die Zusammenarbeit für konkrete Ziele – über Parteigrenzen und auch über innerparteiliche Landesgrenzen hinweg.

Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise stellt uns im 91. Jahr unseres Bestehens vor neue Herausforderungen. Ich bin zuversichtlich, daß wir auch in dieser schwierigen Lage wie immer für die arbeitenden Menschen in der Steiermark und in Österreich da sein werden.

In: Manfred Mugrauer (Hg.) 90 Jahre KPÖ. Studien zur Geschichte der Kommunistischen Partei Österreichs. Wien: Verlag der Alfred Klahr Gesellschaft 2009 (Quellen & Studien, Sonderband 12) 348 S., 15,– Euro, ISBN 978–3–9501986–8–3