20 Jahre: »Kundschafter des Friedens fordern Recht«
Dieter Popp, Bonn
Am 25. März 1995 trafen sich in Berlin mehrere ehemalige DDR-Kundschafter, die bereits aus der Strafhaft entlassen worden waren. Anlass war eine Anhörung zum Gesetzentwurf eines Strafverfolgungs-Beendigungsgesetzes der damaligen PDS. Am Rande dieser Anhörung trafen sich einige Kundschafter, darunter auch die ehemaligen Chefs der HVA Werner Großmann und Markus Wolf. Dabei wurde die Initiativgruppe gegründet, um die Forderung nach einem Ende der Kriminalisierung von Mitarbeitern der DDR-Geheimdienste besser öffentlich vertreten zu können. Auf Anregung von Markus Wolf wählten wir die Bezeichnung Kundschafter des Friedens fordern Recht. Ich selbst war Kundschafter der Nationalen Volksarmee, bin Mitbegründer und seit mehreren Jahren Vorsitzender der Gruppe.
Unser Ziel war, die himmelschreiende Ungleichbehandlung von Spionage Ost und Spionage West in die Öffentlichkeit zu bringen und rechtliche Schritte dagegen einzuleiten. Letztendlich konnten wir keine juristischen Erfolge vermelden. Auch der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof hat es vorgezogen, sich für unzuständig zu erklären. Mit einem Land wie Deutschland legt man sich eben nicht gerne an, wenn man formal-juristische Ausflüchte findet. Aber wir fanden in einer breiteren Öffentlichkeit Beachtung und Solidarität. In einer damals recht erfolgreichen Öffentlichkeitskampagne haben wir vor allem Rainer Rupp in den Mittelpunkt gestellt, der zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Insgesamt wurden 245 Bundesbürger zu Freiheitsstrafen verurteilt, davon 51 zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und zwölf Jahren. Es versteht sich von selbst, dass die westliche Spionage gegen die DDR nicht verfolgt wurde. Wer immer bis 1989 in der DDR wegen Spionage verurteilt worden war und sich in Haft befand, wurde Anfang 1990 – noch unter der Regierung von Hans Modrow – freigelassen (und inzwischen großzügig entschädigt). Leider hatte Hans Modrow damals keine entsprechende Gegenleistung gefordert, und die Regierung unter seinem Nachfolger Lothar de Maizière verließ sich blind auf mündliche Zusagen. Vergeblich hatten auch westliche Politiker nach 1990 daran erinnert, dass die Spionage integraler Teil des Kalten Krieges gewesen war und von beiden Seiten betrieben wurde. Zu nennen sind u.a. der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und der SPD-Politiker Egon Bahr. Aber es setzten sich die Scharfmacher im Westen – angefeuert von sogenannten Bürgerrechtlern der DDR – durch.
Wir werden in Zukunft weiter politisch gegen die Ungleichbehandlung der deutsch-deutschen Spionage kämpfen. Wir sehen uns in einer ähnlichen Situation wie Opfer der Wehrmachts-Justiz, die bis 2002 auf ihre Rehabilitierung warten mussten. Oder die Opfer des Kalten Krieges, die infolge des KPD-Verbotes und des Radikalen-Erlasses bis heute auf Entschädigung warten.
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