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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

15. März 1991: Der 2+4-Vertrag tritt in Kraft

Wolfgang Grabowski, Berlin

 

Verfehlte Ostpolitik

Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde die Einheit Deutschlands nach westlichem Zuschnitt eingeleitet. Von den hehren Sprüchen im Vertrag und seiner propagandistischen Begleitung für Deutschland und die Welt ist nicht mehr viel geblieben. Russen heute, auf Gorbatschow und Jelzin angesprochen, reagieren meist sauer. Illusionen über westliche Demokratie und Versprechungen waren bald verflogen. Hohe Arbeitslosigkeit, die man ja nicht kannte, Verlust sozialer Leistungen, aber auch die verlorene Weltgeltung machten den Menschen zu schaffen. Schließlich hatte man die Nazis im Großen Vaterländischen Krieg niedergerungen, unter großen Opfern, die kein anderes Land aufzubringen hatte.

Im NATO-Krieg gegen Jugoslawien wollte der Westen zeigen, wer der Herr im Hause Europa ist. Die erste große Krise zwischen NATO und Russland nahm ihren Lauf. Stoiber, gerade aus Moskau zurückgekehrt, warnte in einer Rede im Bundestag 1999. Dem Westen zugetane russische Politiker hätten Sorge geäußert, dass die Bevölkerung bei den nächsten Wahlen andere Politiker in Verantwortung bringen könnte, die von russischen Interessen ausgehen würden.

Und so geschah es auch: Putin wurde Nachfolger von Jelzin. Die heutigen Probleme zwischen dem Westen und Russland haben ihre Ursache darin, dass der Westen Russland weiter eindämmen möchte, bestimmen will, was Russland zu tun und zu lassen hat. Die neue Führung wollte das aber nicht, wollte die Souveränität Russlands sichern. Putin und seine Führungsmannschaft konnten sich dabei auf eine große Mehrheit im Volke stützen. Putin erhält – trotz der vielen Probleme im Land – bei aktuellen Umfragen weiterhin satte Zustimmung (66 Prozent).

Kinkels Delegitimierung der DDR und das Vernichtungswerk der Treuhand

Auch die deutschen Dinge laufen nicht wie gedacht. Delegitimierung der DDR, durch Justizminister Kinkel angesagt, trifft auf Widerstand. Die Treuhand hat eine Gegend zurückgelassen, die aus eigener Kraft weniger lebensfähig ist als zuvor. Tausende bestellte oder selbsternannte »Entwicklungshelfer« strömten ins Land und privatisierten es mit Hilfe der Treuhand gegen alle Vernunft. Und es sollte schnell gehen. Der DDR sollte das Rückgrat gebrochen werden. 80 Prozent der DDR-Betriebe wurden vernichtet. Die überstürzte Währungsunion brachte den Abbau von 4 Millionen Arbeitsplätzen. In kürzester Zeit gelangten 95 Prozent des Volkseigentums in die Hände westlicher Eigentümer. Von all dem stand natürlich nichts im Vertrag.

Osterweiterung der NATO – Kern der Probleme zwischen dem Westen und Russland

Während der Verhandlungen zum 2+4-Vertrag und auch nach seiner Unterzeichnung wurden westliche Politiker nicht müde, Gorbatschow zu versichern, dass es keine Osterweiterung der NATO geben würde. Warum hat er sich das nicht vertraglich verbriefen lassen? War ihm nicht klar, dass er über den Tisch gezogen werden sollte? Er ließ es geschehen, und Russland muss das noch heute ausbaden.

Schon vor Jahren schrieb Peter Scholl-Latour sein Buch »Russland im Zangengriff«. Der Sicherheitsberater von Kohl Horst Teltschik stellte 2008 in einem Artikel fest, dass man im Westen die Sorge Russlands vor Einkreisung ernst nehmen müsse, Hans-Dietrich Genscher kritisierte bei der Entgegennahme des Rathenau-Preises im Oktober 2008, dass der Westen nicht auf den Vorschlag von Präsident Medwedjew für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa eingegangen war.

Man wähnte sich in einer lange währenden Ära westlicher Überlegenheit und Alleinherrschaft. 1997, auf dem Höhepunkt der Schwäche Russlands, wird Polen, Tschechien und Ungarn ein NATO-Beitritt angeboten. 2004 folgen Bulgarien, Estland. Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien, 2009 Kroatien und Albanien. Die russische Kritik (Putin in München 2007, Medwedjew 2008 in Berlin) wurde arrogant in den Wind geschlagen. Russland versuchte, über Zusammenarbeit in Wirtschaft und Wissenschaft, im Kampf gegen den Terrorismus (Putin war der erste Staatschef, der Bush nach dem Terroranschlag Hilfe angeboten hatte), im Kosmos, bei nuklearer Abrüstung, Konfrontation zu vermeiden und Kooperation zu erreichen.

Die Lage spitzte sich zu, als der Westen die Aufnahme der Ukraine in die NATO forcierte, nachdem Obama nach seiner Wahl zunächst Zurückhaltung geübt hatte. Die Lage änderte sich, als klar wurde, dass der 2010 zum Präsidenten gewählte Janukowitsch bestrebt war, am verfassungsmäßigen neutralen Status der Ukraine festzuhalten (dieser Auffassung waren damals rund 70 Prozent der ukrainischen Bevölkerung) und nicht nur mit dem Westen, sondern auch mit Russland ertragreiche Beziehungen zu entwickeln. Das kam im Westen nicht gut an. Die Ukraine sollte als Speerspitze der NATO gegen Russland ausgebaut werden (George Friedman, Direktor der US-Denkfabrik in Stratfor in einem Artikel vom 6. Mai 2014; Aktivitäten von Biden und Sohn in der Ukraine). Die USA als Hauptakteur ließen sich das etwas kosten. Die damalige Vizeaußenministerin Nuland nannte in einem Gespräch mit dem amerikanischen Botschafter in Kiew 5 Milliarden Dollar.

Leider bekam auch die Janukowitsch-Regierung, wie alle ihrer Vorgänger, die Lage nicht in den Griff. Misswirtschaft, Korruption und Unfähigkeit der Regierenden, die großen sozialen Probleme zu lösen, brachten wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Dass man in Moskau die Übernahme durch die NATO befürchten musste, lag auf der Hand. Präsident Juschtschenko, Ministerpräsidentin Timoschenko und der spätere Ministerpräsident Jazenjuk hatten in einem Brief an die NATO den Beitritt gefordert. Die NATO, die USA hätten weitere 800 km direkter Grenze mit Russland erhalten und einen besonderen Stützpunkt mit der Krim und Sewastopol. Was das für Russland und die Russen bedeutet, ist offensichtlich. Kein russischer Präsident hätte das überstanden.

Zum Mitgestalter geworden

Das maßlose antirussische Agieren der durch den Staatsstreich an die Macht Gebrachten, den bekanntermaßen auch die bundesdeutsche Führung mitgetragen hat und dabei faschistische Kräfte in Kauf nahm, die Empörung der Bevölkerung in der Ostukraine und auf der Krim mit dieser Entwicklung, ergab durch Volksentscheide ein historisches Fenster, das die Führungen in Moskau, der Ostukraine und der Krim entschlossen nutzten. Die geopolitischen Bestrebungen der USA und der NATO konnten blockiert werden.

Russland ist Mitgestalter einer neuen Weltordnung geworden. Die Hoffnung im Westen, dass man Russland von China abschlagen könnte, ist eine herbe Illusion geblieben. Die Beratung der Schanghaier Organisation, die unlängst stattgefunden hat, bekräftigte das erneut. Und man munkelt, dass das gegenwärtige Freundschaftsabkommen zwischen Russland und China recht bald eine Weiterentwicklung erfahren wird. Im Kreml fürchtet man nicht die KP Chinas und die Erfolge Chinas. China und Russland stehen an der Spitze des Kampfes gegen die Corona-Pandemie und nicht der Westen, Russland ist derzeit durch die USA nicht angreifbar, weshalb man auch in den westlichen Führungsetagen eine globale Auseinandersetzung mit Waffen fürchtet. Man verlegt sich verstärkt auf Softpower und versucht vor allem unter Jugendlichen zu punkten, die ja weder den Großen Vaterländischen Krieg noch den verheerenden Niedergang des Landes in der Dekade nach der Wende erlebt haben.

Die Linke sollte sich intensiver mit diesen Entwicklungen beschäftigen, zumal die Russophobie der Führungseliten immer unerträglicher wird. Dass in Deutschland in Führungskreisen wieder von Feindschaft zu Russland gesprochen werden kann, sollte unseren energischen Widerspruch finden. Der 80. Jahrestag des Überfalls der Nazis auf die Sowjetunion, der 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben gekostet hat, ist dafür ein wichtiger Anlass. Wann lernt der Westen endlich, dass wieder Entspannung und Zusammenarbeit auf die Tagesordnung gehören.

 

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