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Kommunistische Plattform der Partei Die Linke

Ungewolltes. Warum eigentlich?

Zum Ersetzungsantrag des Parteivorstands

Am 1. September 2024 haben die Kommunistische Plattform, die BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik, Cuba Sí, zwei Berliner Bezirksorganisationen, fünf regionale Strukturen sowie 202 Genossinnen und Genossen, darunter 24 Delegierte, den Antrag »Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik!« (G04) eingereicht[1].

Dieser Antrag ist offenkundig seitens der Vorstandsmehrheit nicht gewollt. Statt im gegebenen Falle einzelne Änderungsanträge zu stellen, liegt nun ein Ersetzungsantrag vom Parteivorstand in Gestalt eines Änderungsantrages (G04.002.1) vor, der deutlich macht, was der Parteivorstandsmehrheit tolerabel erscheint und was ungewollt ist[2].

Wir wollen nachfolgend auf das Ungewollte verweisen, nicht nur bezogen auf den bevorstehenden Parteitag. Die Auseinandersetzung genau um diese Fragen wird uns auch in Vorbereitung des Bundestagswahlkampfes begleiten und nicht zuletzt im Rahmen der Programmdebatte, die nach dem 28. September 2025 beginnen soll. Es geht um weitaus mehr als um einen Antrag und einen entsprechenden Ersetzungsantrag. Es geht um die Haltung zu den friedenspolitischen Prinzipien der Linken.

Ungewolltes

  1. Der Antrag G04 ist stark dadurch geprägt, das Wiedererstarken des deutschen Militarismus anzuprangern. Er beginnt mit den Worten:

    »Der deutsche Militarismus hat im vergangenen Jahrhundert maßgeblich nicht nur unseren Kontinent zweimal ins Verderben gestürzt. Sowohl im Zusammenhang mit dem Ersten als auch dem Zweiten Weltkrieg sahen die hierzulande Herrschenden in der militärischen Gewalt das wichtigste Mittel zur Lösung außenpolitischer Fragen. Das kostete im Ersten Weltkrieg mehr als 15 Millionen Menschen das Leben. Der deutsche Faschismus machte den deutschen Militarismus zu einer unfassbar grausamen, chauvinistischen Ausgeburt des Völkerhasses und des Völkermords. Sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden wurden industriell ermordet. Eine halbe Million Sinti und Roma fielen dem Völkermord zum Opfer und 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion überlebten den Vernichtungskrieg Hitlerdeutschlands nicht. Insgesamt kamen im Zweiten Weltkrieg mehr als 65 Millionen Menschen um.«

    Die Fakten fehlen im Ersetzungsantrag nahezu vollständig, stattdessen wird auf die Gesamtzahl der Weltkriegstoten im vergangenen Jahrhundert verwiesen:

    »Zwei Weltkriege haben im zwanzigsten Jahrhundert Millionen Leben gekostet. Im zweiten Weltkrieg kamen insgesamt mehr als 65 Millionen Menschen um.«

    Auf diese Weise entfällt die Skizzierung der historischen Rolle des deutschen Militarismus. Aus welchem Grund eigentlich?
     
  2. Im Antrag G04 werden die antimilitaristischen Forderungen mit dem Bezug auf die friedenspolitischen Grundsätze unseres Parteiprogramms eingeleitet. Der Programmbezug ist im Ersetzungsantrag ersatzlos gestrichen.
     
  3. Im Ersetzungsantrag fehlt jede Kritik, ja jeder Bezug auf die unter US-Führung stehenden NATO. So sind die Formulierungen des Antrages G04

    »Denn gerade die NATO und ihre Hauptmacht – die USA – sind nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Auch der völkerrechtswidrige Krieg Russlands in der Ukraine, der zugleich ein Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO ist, macht das westliche Militärbündnis nicht zu einer friedensbewahrenden Kraft.«

    und

    »Wir wollen kein neues NATO-Kommando für die Ukraine, nicht in Wiesbaden und nirgendwo sonst in Deutschland.«

    ersatzlos gestrichen worden.
     
  4. Ersatzlos gestrichen sind die im Antrag G04 enthaltenen Formulierungen zur Vorgeschichte des völkerrechtswidrigen Ukraine-Krieges sowie die Feststellungen zur Entwicklung der Kriegshysterie hierzulande, die untrennbar mit der Erzeugung eines Russenhasses verknüpft ist; ein Hass, der den aus der Zeit des kalten Krieges noch überbietet. Dieser Umgang mit dem Kontext des Ukraine-Krieges entspricht allein dem Narrativ des Westens, ohne jedes analytische Bemühen, die Motive der russischen Seite auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Ist das nur die Angst vor medialen Stigmatisierungen, oder ist die Vorstandsmehrheit wirklich der Auffassung, die wortbrüchige NATO-Osterweiterung zum Beispiel sei unerheblich?
     
  5. Die Formulierung im Antrag G04

    »Wir wenden uns uneingeschränkt gegen die Militarisierung der EU«

    wurde ersatzlos gestrichen. Die Antwort hierfür findet sich wohl in der im Ersetzungsantrag enthaltenen Formulierung

    »Die Bundesregierung muss sich für eine strategische Unabhängigkeit der EU einsetzen, um in internationalen Konflikten glaubhaft vermitteln zu können«.
     
  6. Unbegreiflich ist auch die Streichung der den Antrag G04 abschließenden Formulierung

    »Die Partei Die Linke verweist mit allem Nachdruck auf den Zusammenhang zwischen zunehmenden präfaschistischen Entwicklungen und den Kriegsvorbereitungen. Wir haben die Lehren aus der Geschichte nicht vergessen«.

Fazit

Wenngleich im Ersetzungsantrag einige essenzielle Forderungen aus dem Antrag G04 erhalten geblieben sind, ist der ursprüngliche Antrag in einem solchen, zumal tendenziösen Maße verzerrt, ja entstellt worden, dass wir unseren Antrag unbedingt aufrechterhalten werden.

Berlin, den 10. Oktober 2024