Kommunistische Plattform der Partei Die Linke
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Prof. Böhmer ...
Brief des Bundessprecherrates an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Prof. Böhmer, mit öffentlicher Empörung reagieren alle möglichen Leute auf Ihre wissenschaftliche Feststellung, das Zonenabtreibungsrecht habe eine »leichtfertige Einstellung zum werdenden Leben« erzeugt und sie trüge zu einer Häufung von Kindestötungen im Osten bei. Auf schöne Weise haben Sie sich nun bei allen Frauen und Müttern mit sogenannter DDR-Biografie entschuldigt, auf die das nicht zutrifft. Das war ein rechtes Wort zur rechten Zeit, denn manche im Osten lassen ihre Neugeborenen ja auch am Leben. Auf die Gründe kommen wir noch zu sprechen.
Jedenfalls nehmen wir voller Zorn wir all die Ungerechtigkeiten zur Kenntnis, die Ihnen gerade widerfahren. Die Menschen mögen eben die Wahrheit nicht und Politiker – natürlich trifft das auf Sie nicht zu – sind in aller Regel Opportunisten, die den Leuten zu Munde reden. Und die Leute wollen nicht hören, was für einen Staat sie solange geduldet haben. Einen Staat, den man lieber als Babymörderbrutstätte bezeichnen sollte.
Es war ja nicht nur das Recht auf Abtreibung, welches die Frauen im Osten zu halben Tieren werden ließ. Man muss auch den Mut haben, die anderen Rahmenbedingungen beim Namen zu nennen. Warum wurden denn in der zweiten deutschen Diktatur so viele schwanger? Weil die Menschen sich in den Geschlechtsakt flüchten mussten. Es war die Flucht vor der Angst vor der Stasi, die sie nur im Rausch der Sinne verließ und es war die sexuelle Flucht vor der unendlichen Langeweile, die den pseudosozialistischen Alltag charakterisierte. Außerdem hatten alle Hunger!
Schon in der Schule gab es keinen rechten Kampf ums Dasein. Die schwächeren Schüler wurden durchgeschleppt und auch in den Horten herrschte die alles dominierende Gleichmacherei. Dann gab es eine Lehrstelle. Einfach so. Das musste mentale Verzerrungen zur Folge haben. Doch das Sozial-Gekuschel hatte auch dann noch kein Ende. Es wartete der alle guten Sitten der Ellenbogenmentalität verderbende sichere Arbeitsplatz. Wie langweilig. Und dazu – wir wiederholen es – kam wieder und wieder die schreiende Angst vor der Stasi. Die Stasi war in ihrer Frustration schrecklich. Da die immerfort schnüffeln, denunzieren, quälen und verhaften musste, hatten deren Angehörige keine Zeit für Sex. Der einzige freudvolle Moment im Leben eines Ossis blieb den Stasis versagt und so konnten sie nur werden, wie sie waren. Aber – das ist ein anderes Thema.
Etwa der Hälfte der Ostbevölkerung blieb die Flucht in den Sex (die andere Hälfte war ..., Sie wissen schon). Und dann geschah es also: Frauen wurden schwanger. Dass konnte auch das repressive System nicht verhindern. Nein – alles konnten sie uns nicht nehmen! Nun kam das repressive System dadurch aber in eine blöde Lage. Die Kinderkrippen- und -gartenplätze reichten nicht aus. Die schwangeren Frauen behinderten die Produktionserfolge und die Ernteschlachten. Und das Sozial- und Gesundheitswesen – aus Propagandagründen kostenlos – musste blechen, weil die Damen und Herren im Osten dauernd Schwangerschaften hervorriefen.
Da dachte sich die teuflische SED gemeinsam mit den SED-Stasis etwas aus: dass nämlich alle abtreiben dürfen. Jede Frau konnte kommen und sagen: Ups, wieder mal nicht aufgepasst. Na ja, nicht schlimm. Wird eben abgetrieben. Meist haben die Ostfrauen, bevor sie sich dann auf den berühmten Stuhl begaben, noch ein munteres Liedchen geträllert, denn es überkam sie in dieser Situation das ihnen ansonsten so gar nicht bekannte Gefühl von Freiheit. Ja Herr Böhmer, so war es. Und Sie wissen das und wir, wir wissen es auch. Das hat die Mördergene in die Nachfahrinnen eingepflanzt, die heute ihre Babys töten. Dass nicht alle im Osten so handeln, hat damit zu tun, dass es ja das Westfernsehen gab. Trotz der angstvoll verrohten Zustände in der ehemaligen DDR konnten die allseits geknechteten Menschen, wenn sie in der Freizeit gerade mal keinen Sex hatten, in ARD und ZDF erleben, welches wahre Werte sind. Das machte nicht wenige immun gegen das kommunistische Mörderklima.
Lassen Sie sich, verehrter Herr Ministerpräsident, nicht von irgendwelchen, letztlich marxistisch infiltrierten Gestalten einreden, es seien die hohe Arbeitslosigkeit im Osten oder andere soziale Verwerfungen, die Menschen in die Verzweiflung treiben und bei genügend labiler Veranlagung manche auch zum Verbrechen. Bleiben Sie standhaft. Die Kommunisten und die Radfahrer sind an allem schuld. Da sind die Babymorde vielleicht noch das Geringste. Uns jedenfalls haben Sie, wie unser Schreiben wohl hinlänglich verdeutlicht, geläutert. Und das ist doch ein wirklich schöner Erfolg.
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