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Kommunistische Plattform der Partei DIE LINKE

Offener Brief

an die Delegierten des Dresdner Parteitages der Partei DIE LINKE

Liebe Genossinnen und Genossen, vom 14. bis 16. Juni 2013 findet in Dresden der Wahlparteitag der LINKEN statt. Dort sollen auch jene Anträge zur Veränderung der Satzung abgestimmt werden, die im Oktober 2011 bereits an die 2. Tagung des 2. Parteitages in Erfurt gestellt worden waren und dort aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden konnten. Unter diesen Anträgen befinden sich zwei, die darauf gerichtet sind, den Zusammenschlüssen ihre Delegiertenmandate vollends zu nehmen bzw. ihre Rechte darauf zu beschränken, Delegierte mit beratender Stimme zu Parteitagen entsenden zu können. Unmittelbar nach dem Erfurter Parteitag hatten verschiedene Zusammenschlüsse den jeweiligen Antragstellern aus dem KV Vogtland-Plauen angeboten, zu einer entsprechenden Diskussion in ihren Kreisverband zu kommen. Wir erhielten keine Antwort.

Im damaligen Schreiben, dessen Hauptpassagen wir in der Anlage dokumentieren, hieß es unter anderem:

1. Zusammenschlüsse decken seit Ende 1989 gewolltermaßen spezifische Interessen der Partei ab. Dafür müssen sie eine Stimme haben. Dazu gehören neben den Möglichkeiten der Publikation in parteinahen Zeitungen oder Zeitschriften, der Organisierung von Veranstaltungen und Ähnlichem auch die Möglichkeiten, diese spezifischen Interessen auf Parteitagen mit Sitz und Stimme vertreten zu können. Nähme man den Zusammenschlüssen diese Möglichkeit, so beschränkte man deren Rolle in der Partei elementar.

2. Dass Mitglieder von Zusammenschlüssen in jedem Falle zweimal kandidieren können, ist formal richtig, in praxi jedoch anders geartet. Wer an der Parteibasis nicht in Erscheinung tritt, dafür aber aktiv in einem Zusammenschluss arbeitet, hat an der Basis keinerlei Wahlchance. Wer formal in einem Zusammenschluss ist und an der Basis ebenso wenig in Erscheinung tritt, hat - wenn er nicht gepuscht wird - so oder so keine Chance, gewählt zu werden. Wer formal in einem Zusammenschluss ist und an der Basis aktiv, hat im Zusammenschluss keine Wahlchance. Wer jedoch auf beiden Ebenen aktiv arbeitet, ist u.E. nicht privilegiert, wenn er über zwei Möglichkeiten der Kandidatur verfügt. Diese Überlegungen sind sekundär im Verhältnis zu der unter Punkt 1 formulierten Begründung, warum die Praxis beibehalten werden sollte, die in der Partei seit über zwanzig Jahren gut erprobt ist.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir haben dem auch heute nichts hinzuzufügen. Seit nunmehr 22 Jahren - begründet in der PDS - ist es Normalität in unserer Partei, dass Zusammenschlüsse auf Parteitagen ein Stimmrecht haben. Seit der Vereinigung von PDS/Linkspartei und WASG gibt es hierfür modifizierte satzungsmäßige Voraussetzungen. Vom Dresdner Wahlparteitag sollte nicht das Signal ausgehen, diese bewährte Praxis ohne Not zu beenden. Wir bitten die Parteitagsdelegierten sehr herzlich darum, dies zu bedenken.

Mit solidarischen Grüßen,

AG Betrieb & Gewerkschaft, Cuba Sí, Geraer Dialog - Sozialistischer Dialog, BAG Grundeinkommen, BAG Hartz IV, Kommunistische Plattform, Ökologische Plattform, Sozialistische Linke, BAG queer

 

Anlage: Argumentationspapier zur Arbeit der Zusammenschlüsse

Das Argumentationspapier basiert in seiner widerlegenden Argumentation auf den [ursprünglich an die 2. Tagung des 2. Parteitages in Erfurt gestellten] Anträgen der Mitgliederversammlung der Ortsverbände Treuen und Lengenfeld im Kreisverband Vogtland-Plauen, die zusammengefasst lauten:

"Wir sehen in der bisherigen Möglichkeit auch Ursachen für Tendenzen der Verselbständigung der Zusammenschlüsse und Profilierungsbestrebungen in öffentlichen Medien, die letztlich dem Gesamtbild unserer Partei schaden können ... Bei der Anerkennung der pluralistischen Herkunft, Zusammensetzung und Wirkung der Partei DIE LINKE muss ... ein einheitliches Wiedererkennungsbild für die Partei in der Öffentlichkeit geformt werden. Das kann am besten durch die Verankerung jedes Genossen in der gültigen Parteistruktur ... erreicht werden. Gerade die Mitglieder, die sich für einzelne Themenfelder interessieren und diese vertiefend bearbeiten, sollten ihre Erkenntnisse und ihr Wissen verstärkt in den BO/OV und Kreisverbänden austauschen. Die leider in den letzten Jahren festgestellten Tendenzen der Verselbständigung, die ja bis zur Teilung ‚theoretischer‘ und ‚praktischer‘ Vor-Ort-Parteiarbeit gehen, sollte nicht fortgesetzt werden. ... Es darf nicht sein, dass durch eigene stimmberechtigte Delegierte von Zusammenschlüssen die Zusammensetzung von Parteitagen nicht mehr dem Querschnitt der Gesamtpartei entspricht ..." […]

In dieser Argumentation wird vorausgesetzt, dass die in Zusammenschlüssen tätigen Genoss_innen ihre diesbezüglichen Aktivitäten isoliert vom Leben der Parteibasis gestalten.

Dieser Ansatz impliziert, nicht wahrzunehmen, dass ein großer Teil der Genoss_innen in Zusammenschlüssen und ebenso an der Parteibasis aktiv sind und daher vor allem ein doppeltes Pensum zu bewältigen haben.

Jegliches moralisierende Argumentieren ist somit zumindest infrage gestellt: Die angebliche Ungleichbehandlung, faktisch in zwei Parteigliederungen kandidieren zu können, wird zur Gleichberechtigung, wenn konstatiert werden kann, dass dieser ein doppeltes Arbeitspensum zugrunde liegt. Diese Vorgehensweise ist in unserer Partei seit 21 Jahren nicht nur akzeptiert und wurde - in diesem Zeitrahmen - durch die Satzung der fusionierten Partei bestätigt, sondern hat sich auch als hohes basisdemokratisches, schützenswertes Gut bewährt. Auch ist seither nichts Erkennbares geschehen, was eine Veranlassung böte, diesen Sachverhalt zu ändern.

Nun wird unterstellt, es gäbe Tendenzen der Verselbständigung der Zusammenschlüsse, die das Gesamtansehen der Partei beschädigen könnten. Wer ist damit gemeint? Die Ökologische Plattform, die BAG Betrieb und Gewerkschaft, die BAG Rote Reporter, die BAG LISA, die Senioren-AG, die BAG Bildungspolitik, die BAG queer, die AG Ständige Kulturpolitische Konferenz oder die BAG Hartz IV, um nur einige zu nennen? Natürlich könnte jetzt der Verdacht entstehen, dass es sich um den einen oder anderen Zusammenschluss handelt, dessen Arbeit in der persönlichen Wertschätzung nicht einen elementaren und notwendigen Stellenwert einnimmt. Sollte diese Annahme stimmen, dann wäre es transparenter, auszusprechen, wer eigentlich gemeint ist, und damit zu untermauern, dass die Aussagen der Antragsteller zutreffend sind.

Die Debatten, die der Partei vor allem in den ersten acht Monaten vor dem Erfurter Parteitag ernsthaft geschadet haben, gingen nicht zuvörderst zulasten der Zusammenschlüsse, nicht einmal zulasten der sogenannten Strömungen, die ohnehin über keine Delegiertenmandate verfügen. Man kann diese Debatten einzeln analysieren und personell festmachen, wer in der Partei hier welche Rolle gespielt hat, und man wird mit Sicherheit zu dem Schluss kommen, dass hier die oberflächliche Schuldzuweisung an Zusammenschlüsse nicht den Realitäten entspricht. […]

Der Standpunkt, dass es nicht sein dürfe, dass durch eigene stimmberechtigte Delegierte von Zusammenschlüssen die Zusammensetzung von Parteitagen nicht mehr dem Querschnitt der Gesamtpartei entspricht, ist nun wirklich nicht zielführend. Bei allem Respekt vor den älteren und alten Genossen: Wie sähe der Parteitag aus, wenn er dem Altersprofil der Partei entspräche? Hier liegt die bei weitem größte Altersgruppe zwischen 56 und 65 Jahren. Oder, wie sähe der Parteitag aus, wenn nur 37,3 % der Delegierten Frauen wären, was dem Frauenanteil in der Gesamtpartei entspräche? Ist mit dieser Feststellung etwa gemeint, dass die Zusammenschlüsse nicht wirklich zur Partei gehören und daher den Querschnitt der Gesamtpartei nicht mit repräsentieren? Wer das meint, muss ganz andere Fragen aufwerfen, als die nach den Delegiertenmandaten: Die Frage nach der Existenzberechtigung von Zusammenschlüssen in der LINKEN überhaupt, die Frage nämlich nach dem pluralen Charakter der Partei.

Wir wollen, dass die 21-jährige Praxis, dass Zusammenschlüsse ihre eigenen Delegiertenmandate erhalten, beibehalten werden soll!

1. Zusammenschlüsse decken seit Ende 1989 gewolltermaßen spezifische Interessen der Partei ab. Dafür müssen sie eine Stimme haben. Dazu gehören neben den Möglichkeiten der Publikation in parteinahen Zeitungen oder Zeitschriften, der Organisierung von Veranstaltungen und Ähnlichem auch die Möglichkeiten, diese spezifischen Interessen auf Parteitagen mit Sitz und Stimme vertreten zu können. Nähme man den Zusammenschlüssen diese Möglichkeit, so beschränkte man deren Rolle in der Partei elementar.

2. Dass Mitglieder von Zusammenschlüssen in jedem Falle zweimal kandidieren können, ist formal richtig, in praxi jedoch anders geartet. Wer an der Parteibasis nicht in Erscheinung tritt, dafür aber aktiv in einem Zusammenschluss arbeitet, hat an der Basis keinerlei Wahlchance. Wer formal in einem Zusammenschluss ist und an der Basis ebenso wenig in Erscheinung tritt, hat - wenn er nicht gepuscht wird - so oder so keine Chance, gewählt zu werden. Wer formal in einem Zusammenschluss ist und an der Basis aktiv, hat im Zusammenschluss keine Wahlchance. Wer jedoch auf beiden Ebenen aktiv arbeitet, ist u. E. nicht privilegiert, wenn er über zwei Möglichkeiten der Kandidatur verfügt. Diese Überlegungen sind sekundär im Verhältnis zu der unter Punkt 1 formulierten Begründung, warum die Praxis beibehalten werden sollte, die in der Partei seit über zwanzig Jahren gut erprobt ist.

Wir bitten die antragstellenden Genoss_innen im KV Vogtland-Plauen, ihre Position noch einmal zu überdenken. Genoss_innen der verschiedenen Zusammenschlüsse sind gerne bereit, zu einer entsprechenden Diskussion in den Kreisverband zu kommen.

Berlin, den 13. Januar 2012