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Programmatische Erfordernisse im Kampf um den Weltfrieden

Ein Beitrag der KPF zur Programmdebatte in der Linken

 

Unserer Partei steht eine programmatische Debatte bevor. Es ist eine unumstößliche Tatsache, dass in allen bisherigen Programmdebatten seit 1993 die Friedensfrage im Zentrum der Aufmerksamkeit und zunehmend der Auseinandersetzungen stand. Daraus schlussfolgern wir, dass das gerade diesmal nicht anders sein wird.

Das entscheidende Argument, mit dem die Notwendigkeit einer aktuellen Programmdebatte begründet wird, lautet, die Welt habe sich seit der Beschlussfassung über das geltende Programm im Jahr 2011 verändert. Das ist zweifellos der Fall.

Die KPF will von Anbeginn der Programmdebatte ihren Beitrag leisten, indem sie sich auf die aktuellen programmatischen Erfordernisse des Friedenskampfes konzentriert. Das nachfolgende Papier soll ein erster Beitrag zur Debatte sein und umfasst folgende Schwerpunkte:

  • Ausgewählte Kriege und militärische Konflikte seit 2011

  • Die entscheidenden friedenspolitischen Grundsätze des geltenden Programms

  • Zu welchen friedenspolitischen Grundsätzen sind Meinungsverschiedenheiten zu erwarten?

  • Welche Positionen vertritt die KPF im Rahmen der Differenzen?

 

Ausgewählte Kriege und militärische Konflikte seit 2011

  1. Im Jahr 2011 tobten in der Welt 20 Kriege, Bürgerkriege und anderweitige militärische Konflikte: so der Krieg in Myanmar seit 1948; in Afghanistan seit 2001. Pakistan kämpft gegen die Taliban. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen den Atommächten Indien und Pakistan. Jüngst eskalierte der Grenzkonflikt zwischen Thailand und Kambodscha. In der Türkei findet ein permanenter Krieg gegen die kurdische Arbeiterpartei statt, in Mexiko geht die Regierung militärisch gegen die Drogenkartelle vor. In Afrika toben Bürgerkriege im Ostkongo und in Äthiopien. Die militärischen Konflikte im Sudan führten 2011 zur Unabhängigkeit des Süd-Sudan und 2013 begann erneut der Bürgerkrieg. Ende 2010 begann der »Arabische Frühling« in Tunesien und Ägypten. Es folgten Libyen und Syrien. All diese Kriege und militärischen Konflikte fanden nicht ohne ausländische Einmischung statt; meist waren NATO-Staaten involviert, insbesondere die USA und Frankreich.

  2. 2013 begann der Aufstieg des IS. Zuerst im Irak, durch den 2003 begonnenen, völkerrechtswidrigen Krieg der USA und der »Koalition der Willigen« gegen das Land, der einen Bürgerkrieg zur Folge hatte. Im Jahr 2014 erklärte der IS die militärisch besetzten Gebiete im Irak und in Syrien zum Kalifat. Dies wiederum diente den USA zum Vorwand, sich in den syrischen Bürgerkrieg einzuschalten. Außer in Australien und Antarktika fanden zu diesem Zeitpunkt auf allen Kontinenten bewaffnete Auseinandersetzungen statt, mit bis zu 22.000 Toten.

  3. Nach dem Euromaidan in Kiew begann der Bürgerkrieg im Osten der Ukraine. 2014 wurde die Krim (1954 russisches Gebiet und von N. S. Chruschtschow der Ukrainischen Sowjetrepublik zum Geschenk gemacht) nach einem Volksentscheid in die Russische Föderation eingegliedert. Ab diesem Zeitpunkt erhöhten sich die Spannungen zwischen Russland und der NATO rapide. Russland forderte und fordert die Berücksichtigung seiner Sicherheitsinteressen. Es sieht seine Sicherheit vor allem durch die wortbrüchige NATO-Osterweiterung[1] und die Forderung der Ukraine nach Aufnahme in die NATO gefährdet.

  4. Die NATO-Osterweiterung hat 1999 mit der Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns begonnen. 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Slowenien hinzugekommen. 2009 wurden Kroatien und Albanien aufgenommen. Die NATO-Osterweiterung wurde seit 2011 fortgesetzt: Montenegro 2017; Nordmazedonien 2020; Finnland 2023 und Schweden 2024. Inzwischen sind 32 Staaten Mitglied der NATO.

  5. Die NATO gibt gegenwärtig 9,7-mal so viel für Rüstung aus wie die Russische Föderation; ohne die USA geben die 23 europäischen NATO-Staaten immer noch 2,8-mal so viel aus. Zwischenstaatliche Konflikte und der Kampf um Einfluss in der Welt werden immer stärker militärisch ausgefochten. Dem entspricht der NATO-Beschluss zur Steigerung der Rüstungsausgaben auf 5 Prozent des BIP. Für die BRD ist das eine Steigerung von gegenwärtig 88,5 Milliarden € auf 225 Milliarden €.

  6. Gegenwärtig werden von weltweit 1.247 Militärstützpunkten im Ausland 877 von der US-Armee genutzt. Sie befinden sich in 95 Ländern auf der ganzen Welt. Russland und China sind faktisch umzingelt. Achtzehn weitere Nationen verfügen zusammen über 370 Stützpunkte außerhalb ihrer Grenzen.

  7. 2022 begann Russland eine Spezialoperation gegen die Ukraine – einen völkerrechtswidrigen Krieg. Währenddessen liefen Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Ein unterschriftsreifer Vertrag lag vor. Der damalige britische Premier Johnson reiste – in Abstimmung mit der US-Regierung – nach Kiew und sagte militärische Unterstützung des Westens zu. Damit waren die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine im März 2022 beendet und der Ukraine-Krieg wurde unverkennbar zu einem internationalen.

  8. Im Jahr 2021 gewannen die Taliban den Krieg gegen die NATO in Afghanistan.

  9. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 eskaliert Israel den Krieg in Gaza gegen die Palästinenser, verbunden mit aktiver Vertreibungspolitik. Die Auseinandersetzungen greifen auch auf die Westbank und den Libanon über. Die israelische Regierung erhält Rückendeckung vor allem durch die USA und Deutschland. Am 13.06.2025 griff Israel den Iran an und die USA griffen mit der Bombardierung iranischer Atomanlagen in den Krieg ein. Am 24.06.2025 wurde eine Waffenruhe ausgerufen.

 

Die entscheidenden friedenspolitischen Grundsätze des geltenden Programms

Die Linke ist eine internationalistische Friedenspartei, die für Gewaltfreiheit eintritt.

  • Daraus folgt unser Engagement gegen Krieg, Völkerrechtsbruch, Menschenrechtsverletzungen und militärische Denklogiken im Umgang mit Konflikten.

  • Uns geht es um die Aufklärung über tiefere Zusammenhänge von Konfliktursachen. Gemeinsam mit Friedensbewegungen und allen friedensorientierten Partnern ringen wir um Wege zu struktureller Gewaltprävention und für einen zivilen Konfliktaustrag.

  • Wir ringen um soziale wie ökonomisch und ökologisch nachhaltige Bedingungen als Voraussetzung für dauerhafte friedliche Entwicklungen.

Die Linke gründet ihre internationalistische Politik auf vier Prinzipien:

  • Frieden durch kollektive und gegenseitige Sicherheit, Abrüstung und strukturelle Nichtangriffsfähigkeit.

  • Solidarische Politik der Überwindung von Armut, Unterentwicklung und Umweltzerstörung.

  • Einsatz für eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche Europäische Union.

  • Reform und Stärkung der UNO. Die zentrale Aufgabe der Vereinten Nationen bleibt die Sicherung des Weltfriedens, d.h. die Prävention, Streitbeilegung und nachhaltige zivile Konfliktlösung auf der Basis des Völkerrechts. Hierzu dienen insbesondere die Grundsätze des Gewaltverzichts und der gleichen Sicherheit, ferner die Regelungen zur friedlichen Konfliktbeilegung in Übereinstimmung mit Geist und Buchstaben der Charta.

Für Die Linke ist Krieg kein Mittel der Politik.

  • Die Linke lehnt den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einzusetzenden Kriegsführungsarmee ab.

  • Wir fordern die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands, das Abrüstung als ein zentrales Ziel hat.

  • Unabhängig von einer Entscheidung über den Verbleib Deutschlands in der NATO wird DIE LINKE in jeder politischen Konstellation dafür eintreten, dass Deutschland aus den militärischen Strukturen des Militärbündnisses austritt und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen wird.

  • Wir fordern ein sofortiges Ende aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta.

  • Die Linke steht gegen die Militarisierung der EU. Ein militärisch-ziviler Europäischer Auswärtiger Dienst und die Beteiligung an militärischen Einsätzen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) sowie an EU-Battle Groups und EU-Interventionsstreitkräften sind daher abzulehnen.

  • Statt Aufrüstung, militärischer Auslandseinsätze und EU-NATO-Partnerschaft, also einer Kriegslogik, ist eine Umkehr zu einer friedlichen Außen- und Sicherheitspolitik notwendig, die sich strikt an das in der UN-Charta fixierte Gewaltverbot in den internationalen Beziehungen hält.

  • Die Linke setzt daher auf Abrüstung und Rüstungskontrolle, fordert ein striktes Verbot von Rüstungsexporten und den Umbau der Streitkräfte auf der Basis strikter Defensivpotenziale. Die EU und Deutschland müssen auf alle Atomwaffenoptionen verzichten, alle in Deutschland stationierten Atomwaffen müssen abgezogen und vollständig vernichtet werden. Alle Massenvernichtungswaffen sind zu verbieten.

  • Die Linke lehnt eine Verknüpfung von militärischen und zivilen Maßnahmen ab. Sie will nicht, dass zivile Hilfe für militärische Zwecke instrumentalisiert wird. Sie will, dass ein Rüstungsexportverbot im Grundgesetz verankert wird.

  • Die Bundeswehr muss aus allen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden, ihr Einsatz im Inneren jenseits notwendiger Katastrophenhilfe ist strikt zu untersagen, die Notstandsgesetze, die den Einsatz der Bundeswehr im Inneren vorsehen und ermöglichen, sind aufzuheben.

  • Alle ausländischen Militärbasen in Deutschland müssen geschlossen werden. Es darf nicht sein, dass die Infrastruktur in der Bundesrepublik dazu genutzt wird, um völkerrechtswidrige Kriege und menschenrechtswidrige Maßnahmen wie die Verschleppung von Gefangenen zu ermöglichen.

Im Abschnitt zur EU heißt es:

  • Wir wollen eine friedliche Europäische Union, die im Sinne der Charta der Vereinten Nationen Krieg ächtet, die strukturell nicht angriffsfähig und frei von Massenvernichtungswaffen ist, die sowohl auf den Ausbau militärischer Stärke als auch auf eine weltweite militärische Einsatzfähigkeit und weltweit auf militärische Einsätze verzichtet. Wir setzen auf Abrüstung, zivile Kooperation und die Entwicklung partnerschaftlicher Beziehungen in Europa und weltweit.

 

Zu welchen friedenspolitischen Grundsätzen sind Meinungsverschiedenheiten zu erwarten?

  • Es wird, vor allem seitens des Netzwerkes Progressive Linke (NPL), Bemühungen geben, die Fokussierung auf die Friedensfrage zu verhindern.

  • Ebenso strebt das NPL eine Verknüpfung von (vorgeblichem) Antifaschismus und der »Notwendigkeit« der Aufrüstung an. In diesem Kontext soll eine neue Definition von Faschismus in der Partei verankert werden, dazu gehört die Denunziation Russlands als faschistisch.[2] Und welche Sicht man auch immer auf Putin hat: Ein Faschist ist er nicht.

  • Aus diesem Herangehen folgt zwangsläufig eine zumindest die NATO sowie die Militarisierung der EU – besonders der BRD selbst – verharmlosende Position. Daher ist vor allem mit Angriffen auf die geltenden Kernpositionen der Friedenspolitik unserer Partei zu rechnen – vorwiegend gegen die Forderungen zur Auflösung der NATO, gegen die Militarisierung der EU, incl. der Hochrüstung in der BRD etc.

  • Es wird nicht nur seitens des NPL behauptet werden, dass die massive Militarisierung in Deutschland nicht der Kriegsvorbereitung dient, sondern Verteidigungszwecke erfüllt; die Kriegsvorbereitungen, denen die härteste, unverhüllte Opposition unserer Partei gelten muss, werden so faktisch geleugnet. Doch genau der Kampf gegen die Erlangung von Kriegstüchtigkeit muss zukünftig das Wesen unseres friedenspolitischen Kurses ausmachen.

  • Es wird zunehmend das Bestreben geben, die Äquidistanz zum bestimmenden Faktor der Sichtweise auf geopolitische Prozesse zu machen. Auch das ist gleichbedeutend mit einer NATO-Verharmlosung und beginnendem Verständnis für die monströsen Aufrüstungsprozesse in NATO und EU, besonders hierzulande.

 

Welche Positionen vertritt die KPF im Rahmen der Differenzen?

  1. Die KPF ist für die Beibehaltung aller Programmpositionen, die im vorliegenden Text aufgeführt sind, da keine dieser Positionen an Bedeutung verloren hat. Ganz im Gegenteil. Wer Streichungen von friedenspolitischen Inhalten des geltenden Programms vorschlägt, soll solche Vorschläge inhaltlich begründen, damit man sich inhaltlich mit den entsprechenden Positionen auseinandersetzen kann.

  2. Die KPF ist für die klare Entlarvung der vom Mainstream als Kriegsertüchtigung bezeichneten Kriegsvorbereitung durch die alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende Militarisierung. Sie unterstützt im Manifest der SPD-Parteilinken formulierte Forderungen.

  3. Die KPF ist für eine präzisierte Begründung unserer Forderung nach Auflösung der NATO, die das mit Abstand aggressivste Militärbündnis ist. Wir sind gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und lehnen die weitere Aufrüstung ab. Wir stellen uns gegen eine Militarisierung der Gesellschaft. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht lehnen wir ab, wie auch das Werben fürs Sterben in der Öffentlichkeit, an Schulen und Universitäten.

  4. Die KPF verurteilt den massiv grassierenden Russenhass aus aktuellen und nicht minder aus historischen Gründen. Letztere resultieren vor allem aus dem Vernichtungskrieg, den Hitlerdeutschland gegen die Sowjetunion führte. Der entscheidende aktuelle Grund: Die Russophobie gipfelt in der Behauptung, Russland plane den Überfall auf NATO-Staaten, Deutschland eingeschlossen. Dies wiederum ist der Kern der ideologischen Kriegsvorbereitung, die entscheidender Teil der Militarisierung der gesamten deutschen Gesellschaft ist[3].

Bundessprecherrat der KPF, 1. September 2025
 


[1] »Sache der NATO ist es, eindeutig zu erklären: Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO-Territoriums nach Osten, das heißt, näher an die Grenze der Sowjetunion heran, wird es nicht geben. Diese Sicherheitsgarantien sind für die Sowjetunion und ihr Verhalten bedeutsam. Der Westen muss auch der Einsicht Rechnung tragen, dass der Wandel in Osteuropa und der deutsche Wiedervereinigungsprozess nicht zu einer Beeinträchtigung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen darf.« aus der Rede »Zur deutschen Einheit im europäischen Rahmen« von Hans-Dietrich Genscher, bundesdeutscher Außenminister, am 31.01.1990 in der Evangelischen Akademie Tutzing, in: Der Bundesminister des Auswärtigen, Mitteilungen für die Presse, Nr. 1026/9, S. 29f.

[2] »Aber es gibt – das zeigt schon ein Blick in die Geschichte von Diktatoren wie Salazar in Portugal über Pinochet in Chile und Franco in Spanien bis hin zu Putin im heutigen Russland – eben auch einen Faschismus ohne Hitler.« aus Jan Schlemermeyer: »Mitte-links: Die Hoffnung muss organisiert werden.«, nd, 30.06.2025. Jan Schlemermeyer ist Mitglied im Netzwerk Progressive Linke.

[3] Siehe etwa: Jeffrey Sachs, Europa in der Falle – warum ist Russland eigentlich der Feind? In Berliner Zeitung vom 28. August 2025 (Ausland), online: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/jeffery-sachs-europa-in-der-falle-warum-ist-russland-eigentlich-der-feind-li.2352625. – Englischsprachiges Original unter dem Titel »A New Foreign Policy for Europe« (»Eine neue Außenpolitik für Europa«): https://www.cirsd.org/en/horizons/horizons-summer-2025--issue-no-31/a-new-foreign-policy-for-europe